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Brüchige Siege

Brüchige Siege

Titel: Brüchige Siege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
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Lassen Sie sich Zeit. Sie haben viel,
    sehr viel Zeit.«
    Ich erfuhr, wem ich meinen Zustand zu verdanken hatte:
    Buck Hoey. Mit dem einen Spike hatte er mir die rechte
    Kniescheibe zertrümmert und mit dem anderen die Muskeln
    des rechten inneren Oberschenkels zerfetzt. Dann, als ich den
    Ball zu Henry warf, war ich gestürzt, und zwar so unglücklich, daß meiner Hüfte etwas sehr, sehr Schlimmes widerfahren war.
    »Soll ich Ihnen die Wahrheit mit dem Zuckerlöffel einflößen,
    mein Sohn, oder möchten Sie es lieber in einem einzigen
    bitteren Schluck?«
    In einem einzigen bitteren Schluck? War das nicht bitter
    genug, was ich schon geschluckt hatte?
    Trotzdem sagte ich: »In einem Schluck.«

    »Die orthopädischen Details Ihrer Verletzungen werden
    Ihnen momentan nicht viel sagen«, meinte Dr. Nesheim. »Aber
    sie sind ernster Natur.«
    »Wie ernst?«
    »Baseball werden Sie nicht mehr spielen können.«
    »Die Saison ist vorbei. Und nächstes Jahr?«
    »Unwahrscheinlich, Danny. Der Bursche, der Sie auf die
    Spikes genommen hat, er hat Ihre Aussichten auf eine
    ruhmreiche Karriere ziemlich zurückgestutzt. Die
    Rehabilitation wird langwierig, schmerzreich und… na ja,
    eben nicht hundertprozentig sein.«
    »Ich bin Baseballspieler! Ein Shortstop! Und sonst nichts!«
    »Das gehört der Vergangenheit an, mein Sohn. So wie die
    Dinge liegen, werden Sie sich neu definieren müssen.«
    »Ich bin Baseballspieler«, sagte ich.
    Dr. Nesheim sagte: »Den einzigen Trost, den ich für Sie habe
    – wenn es Sie denn tröstet – ist, daß Sie nicht zum Militär und nicht in den Krieg müssen. Weder als Infanterist noch um
    Decks zu schrubben. Sie sind für Uncle Sam genauso
    untauglich wie für die Phillies.«
    In zweieinhalb Monaten wurde ich achtzehn. Ich nahm den
    Arm über die Augen und weinte. Dr. Nesheim tätschelte mir
    den Arm und ging. Ich war ihm nicht böse. Er schien es nur
    gut zu meinen – er hatte es mir in einem einzigen Schluck zu
    trinken gegeben, eine Dosis Epsomer Bittersalz gegen den
    einzigen Lebensplan, den ich zeitlebens selbst gefaßt habe. Ich wollte es nicht wahrhaben, daß dieser Plan unbrauchbar
    geworden war… und doch fühlte ich, daß dem so war. So wie
    sich mein Leib untenherum anfühlte – wie ein Beutel voller
    Glasscherben – sagte er mir alles, was ich wissen mußte, über
    die Verläßlichkeit von Dr. Nesheims Prognose.
    Hoey hatte mir heimgezahlt, daß ich ihn vom Short verdrängt
    hatte, ihm ein Paar Baseballschuhe abgenommen hatte, er

    meinetwegen von einem großen Spiel in LaGrange
    ausgeschlossen worden war, und ich den Laufsteg gefegt hatte
    für seinen späten Wechsel zu den Gendarmes. Jawoll, er hatte
    meinen Wagen einfach abgekoppelt.

    Ich verbrachte die letzten zwei Augusttage und den größten
    Teil des Septembers im Hothlepoya-County-Hospital. Die
    Hellbender und die Phillies teilten sich die Kosten für den
    Aufenthalt. Ma und ich hätten die Rechnungen nie bezahlen
    können. Deck Glider, Inc. kannte keine Krankenstütze für
    Vorarbeiter und leitende Angestellte, und selbst wenn ich
    einen Bonus bekommen hätte, weil ich Mister JayMacs Verein
    zum CVL-Wimpel verholfen hatte, – ich hätte in dem Sommer
    keine fünfhundert abzahlen können.
    An den ersten zwei Tagen im Hospital kamen mich alle
    besuchen – bis auf Henry und Mister JayMac. Sogar Trapdoor
    Evans und Turkey Sloan kamen vorbei – mit Sosebee, Ankers
    und Sudikoff – um mir baldige Genesung zu wünschen und
    mich dafür zu loben, wie ich zum letzten Doppelaus des Jahres
    verlängert hatte. Henry war vermutlich deshalb nicht
    gekommen, weil er sich bei den Phillies hatte melden müssen
    und vom Hauptbüro eine telegraphische Anweisung für die
    Fahrkarte bekommen hatte, wahrscheinlich für einen Pullman
    erster Klasse. Niemand sagte etwas Gegenteiliges – jedenfalls
    nicht so bald.
    Der netteste Besucher am Montag war aber Phoebe. Sie kam
    am späten Nachmittag zusammen mit Miss LaRaina und
    brachte mir eine kleine Schachtel Baby-Ruth-Riegel, einen
    Strauß aus Indischem Flieder und Hortensien und mehrere
    zerfledderte Exemplare der Saturday Evening Post. Miss LaRaina saß mundtot – beinah steif – an meinem Bett, doch

    Phoebe rührte mit dem Finger in einer Haarsträhne auf meiner
    Stirn und strich zärtlich das Haar aus meinen Schläfen.
    »Wie geht es dir, Ichabod?«
    »Hundsmiserabel. Wie soll es mir schon gehen?«
    »Deinen Fingern, deinen Zehen oder deiner Nase. Oder
    deinem… was weiß

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