Brüchige Siege
Lassen Sie sich Zeit. Sie haben viel,
sehr viel Zeit.«
Ich erfuhr, wem ich meinen Zustand zu verdanken hatte:
Buck Hoey. Mit dem einen Spike hatte er mir die rechte
Kniescheibe zertrümmert und mit dem anderen die Muskeln
des rechten inneren Oberschenkels zerfetzt. Dann, als ich den
Ball zu Henry warf, war ich gestürzt, und zwar so unglücklich, daß meiner Hüfte etwas sehr, sehr Schlimmes widerfahren war.
»Soll ich Ihnen die Wahrheit mit dem Zuckerlöffel einflößen,
mein Sohn, oder möchten Sie es lieber in einem einzigen
bitteren Schluck?«
In einem einzigen bitteren Schluck? War das nicht bitter
genug, was ich schon geschluckt hatte?
Trotzdem sagte ich: »In einem Schluck.«
»Die orthopädischen Details Ihrer Verletzungen werden
Ihnen momentan nicht viel sagen«, meinte Dr. Nesheim. »Aber
sie sind ernster Natur.«
»Wie ernst?«
»Baseball werden Sie nicht mehr spielen können.«
»Die Saison ist vorbei. Und nächstes Jahr?«
»Unwahrscheinlich, Danny. Der Bursche, der Sie auf die
Spikes genommen hat, er hat Ihre Aussichten auf eine
ruhmreiche Karriere ziemlich zurückgestutzt. Die
Rehabilitation wird langwierig, schmerzreich und… na ja,
eben nicht hundertprozentig sein.«
»Ich bin Baseballspieler! Ein Shortstop! Und sonst nichts!«
»Das gehört der Vergangenheit an, mein Sohn. So wie die
Dinge liegen, werden Sie sich neu definieren müssen.«
»Ich bin Baseballspieler«, sagte ich.
Dr. Nesheim sagte: »Den einzigen Trost, den ich für Sie habe
– wenn es Sie denn tröstet – ist, daß Sie nicht zum Militär und nicht in den Krieg müssen. Weder als Infanterist noch um
Decks zu schrubben. Sie sind für Uncle Sam genauso
untauglich wie für die Phillies.«
In zweieinhalb Monaten wurde ich achtzehn. Ich nahm den
Arm über die Augen und weinte. Dr. Nesheim tätschelte mir
den Arm und ging. Ich war ihm nicht böse. Er schien es nur
gut zu meinen – er hatte es mir in einem einzigen Schluck zu
trinken gegeben, eine Dosis Epsomer Bittersalz gegen den
einzigen Lebensplan, den ich zeitlebens selbst gefaßt habe. Ich wollte es nicht wahrhaben, daß dieser Plan unbrauchbar
geworden war… und doch fühlte ich, daß dem so war. So wie
sich mein Leib untenherum anfühlte – wie ein Beutel voller
Glasscherben – sagte er mir alles, was ich wissen mußte, über
die Verläßlichkeit von Dr. Nesheims Prognose.
Hoey hatte mir heimgezahlt, daß ich ihn vom Short verdrängt
hatte, ihm ein Paar Baseballschuhe abgenommen hatte, er
meinetwegen von einem großen Spiel in LaGrange
ausgeschlossen worden war, und ich den Laufsteg gefegt hatte
für seinen späten Wechsel zu den Gendarmes. Jawoll, er hatte
meinen Wagen einfach abgekoppelt.
Ich verbrachte die letzten zwei Augusttage und den größten
Teil des Septembers im Hothlepoya-County-Hospital. Die
Hellbender und die Phillies teilten sich die Kosten für den
Aufenthalt. Ma und ich hätten die Rechnungen nie bezahlen
können. Deck Glider, Inc. kannte keine Krankenstütze für
Vorarbeiter und leitende Angestellte, und selbst wenn ich
einen Bonus bekommen hätte, weil ich Mister JayMacs Verein
zum CVL-Wimpel verholfen hatte, – ich hätte in dem Sommer
keine fünfhundert abzahlen können.
An den ersten zwei Tagen im Hospital kamen mich alle
besuchen – bis auf Henry und Mister JayMac. Sogar Trapdoor
Evans und Turkey Sloan kamen vorbei – mit Sosebee, Ankers
und Sudikoff – um mir baldige Genesung zu wünschen und
mich dafür zu loben, wie ich zum letzten Doppelaus des Jahres
verlängert hatte. Henry war vermutlich deshalb nicht
gekommen, weil er sich bei den Phillies hatte melden müssen
und vom Hauptbüro eine telegraphische Anweisung für die
Fahrkarte bekommen hatte, wahrscheinlich für einen Pullman
erster Klasse. Niemand sagte etwas Gegenteiliges – jedenfalls
nicht so bald.
Der netteste Besucher am Montag war aber Phoebe. Sie kam
am späten Nachmittag zusammen mit Miss LaRaina und
brachte mir eine kleine Schachtel Baby-Ruth-Riegel, einen
Strauß aus Indischem Flieder und Hortensien und mehrere
zerfledderte Exemplare der Saturday Evening Post. Miss LaRaina saß mundtot – beinah steif – an meinem Bett, doch
Phoebe rührte mit dem Finger in einer Haarsträhne auf meiner
Stirn und strich zärtlich das Haar aus meinen Schläfen.
»Wie geht es dir, Ichabod?«
»Hundsmiserabel. Wie soll es mir schon gehen?«
»Deinen Fingern, deinen Zehen oder deiner Nase. Oder
deinem… was weiß
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