Brüchige Siege
einem
Schutzkorb aus Metall. Er stand auf dem Waschtischchen
zwischen seinem Bett und meiner Liege. Er drehte den
Ventilator in meine Richtung und schaltete ihn ein. Das Ding
begann um seine Standachse zu pendeln und blies schwüle
Luft. Wenn er gehofft hatte, das würde mich aufmuntern, hatte
er sich geirrt.
Ich flennte weiter.
In seinem Gehrock und den geflickten Hosen sah er aus wie
ein hünenhafter Abe Lincoln auf einem Foto von Mathew
Brady.* Abe Lincoln setzte sich auf sein Bett. Er schien nicht zu schwitzen, schien eher auf bequeme Weise von innen
heraus zu dampfen. Er verströmte einen lehmigen Geruch,
einen Geruch, der etwas Besänftigendes hatte, aber auch etwas
aufdringlich Dattelpflaumiges; der Geruch war nicht widerlich, er war nur so – anders.
Durch den Tränenschleier hindurch fiel mir auf, daß Jumbo
einiges getan hatte, um die Mansarde wohnlich zu gestalten.
Halbwegs wohnlich. An der Wand hinter seinem Bett stand ein
Bücherregal aus Kieferbrettern und großen Konservendosen
(lauter rote Jeanne-d’Arc-Bohnen). So wie man heutzutage die Regale mit Hohlziegeln aufstockt, hatte Jumbo es mit diesen
Büchsen getan: drei Säulen zu je acht Büchsen, zwei pro Säule
unter jedem Brett.
Das Regal war vollgestopft mit Büchern. Darüber hing dieser
William-Blake-Druck:* Adam und Eva, wie sie von Engeln
mit feurigen Schwertern aus dem Paradies vertrieben wurden.
Das Bild sah aus, als hätte Jumbo es aus einer Illustrierten
ausgeschnitten – aus Life? – und auf ein Stück Karton mit grünem Pappmacherahmen geklebt; Glas war aber nicht davor.
Dann hatte er das Ganze mit einer Drahtschlaufe an einen
Nagel gehängt.
Egal, auch die Bücher, der Ventilator und das Bild konnten
nicht darüber hinwegtäuschen, daß er in einem Brutkasten
unter dem Dach hauste. Und jetzt hausten wir zu zweit hier.
Ganz früher steckten englische Adlige ihre verrückten Frauen
und Töchter in solche Dachkammern und versteckten die
Schlüssel in alten Schiffstruhen.
Sag was, dachte ich. Sag was, du Blödian.
Doch er schwieg. Er zog nicht mal den blöden Rock aus. Er
saß nur da, vielleicht tat ich ihm leid oder brachte ihn in
Verlegenheit oder er ärgerte sich, weil er mich aufgenommen
hatte. Ich stürzte an seinem Bett vorbei und hinaus auf den
Flur. Jumbo tat nichts, um mich aufzuhalten. Entweder wollte
er sich nicht meinen Zorn zuziehen oder mein Abgang war ihm
schnuppe.
Ich stolperte die Treppe hinunter. Im ersten Stock standen ein paar Spieler zwischen offenen Schlafzimmertüren, unter ihnen
Heggie und Dobbs. Ich machte ihnen angst. So sicher wie das
Amen in der Kirche – ein amoklaufender Halbwüchsiger mit seinem Baseballschläger auf der Suche nach etwas, das sich
zertrümmern ließ.
Double Dunnagin schlappte in Duschlatschen und
Bademantel aus seinem Zimmer. Er kapierte auf Anhieb, wie
er mich von meinem störrischen, launischen Kummer
abbringen konnte.
»He, Danny. Toller Schläger, muß ich sagen!«
»Schaff ihn hier weg mit dem Ding!« brüllte Mariani. »Der
Idiot hat beide Hände dran.«
Dunnagin kam auf mich zu. Ich solle mal herzeigen. Ich zog
den Schläger zurück, hob ihn. Alle auf dem Flur – Mariani,
Parris, Heggie, Dobbs, Knowles, Curriden – waren verstummt.
Dunnagin lächelte immer noch, blieb nicht stehen. Er sagte, er verstünde, daß die Ankunft in Highbridge an so einem brütend
heißen Tag und die Zusammenlegung mit Jumbo einen Kerl
wie mich auf die Palme bringen konnte. Er nahm mich beim
Ellbogen – dabei hätte ich ihm mit einem Schlag den Kopf
vom Rumpf trennen können – und führte mich in sein Zimmer.
Sein Zimmergenosse, ein Pitcher namens Jerry Wayne
Sosebee, tat entrüstet, als er mich sah.
»Um Himmels willen, Double«, sagte er, »bring den
verrückten Kniich hier weg. Ich versuche gerade, mit meinem
Scheckbuch klarzukommen.«
Doch Dunnagin, der keine Anstalten machte, mir das
Schlagholz abzunehmen, hatte schon die Tür geschlossen.
Sosebee stand auf. Er trug nur Khaki-Boxershorts und beäugte
mich, als hätte ich die Cholera eingeschleppt. Seine
Zimmerhälfte – das Zimmer war doppelt so groß wie Jumbos
Schwitzkasten – war mit Fotos von Familienangehörigen,
Haustieren und einem aufgebockten Ford-Sedan dekoriert. Er
hatte die Wand an seinem Bett mit Varga-Girls* aus dem
Esquire tapeziert. Obwohl ich halb weggetreten war, bekam
ich Stielaugen.
»Der Knirps kriegt Stielaugen«, sagte Sosebee.
»Ist doch
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