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Brüchige Siege

Brüchige Siege

Titel: Brüchige Siege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
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einem
    Schutzkorb aus Metall. Er stand auf dem Waschtischchen
    zwischen seinem Bett und meiner Liege. Er drehte den
    Ventilator in meine Richtung und schaltete ihn ein. Das Ding
    begann um seine Standachse zu pendeln und blies schwüle

    Luft. Wenn er gehofft hatte, das würde mich aufmuntern, hatte
    er sich geirrt.
    Ich flennte weiter.
    In seinem Gehrock und den geflickten Hosen sah er aus wie
    ein hünenhafter Abe Lincoln auf einem Foto von Mathew
    Brady.* Abe Lincoln setzte sich auf sein Bett. Er schien nicht zu schwitzen, schien eher auf bequeme Weise von innen
    heraus zu dampfen. Er verströmte einen lehmigen Geruch,
    einen Geruch, der etwas Besänftigendes hatte, aber auch etwas
    aufdringlich Dattelpflaumiges; der Geruch war nicht widerlich, er war nur so – anders.
    Durch den Tränenschleier hindurch fiel mir auf, daß Jumbo
    einiges getan hatte, um die Mansarde wohnlich zu gestalten.
    Halbwegs wohnlich. An der Wand hinter seinem Bett stand ein
    Bücherregal aus Kieferbrettern und großen Konservendosen
    (lauter rote Jeanne-d’Arc-Bohnen). So wie man heutzutage die Regale mit Hohlziegeln aufstockt, hatte Jumbo es mit diesen
    Büchsen getan: drei Säulen zu je acht Büchsen, zwei pro Säule
    unter jedem Brett.
    Das Regal war vollgestopft mit Büchern. Darüber hing dieser
    William-Blake-Druck:* Adam und Eva, wie sie von Engeln
    mit feurigen Schwertern aus dem Paradies vertrieben wurden.
    Das Bild sah aus, als hätte Jumbo es aus einer Illustrierten
    ausgeschnitten – aus Life? – und auf ein Stück Karton mit grünem Pappmacherahmen geklebt; Glas war aber nicht davor.
    Dann hatte er das Ganze mit einer Drahtschlaufe an einen
    Nagel gehängt.
    Egal, auch die Bücher, der Ventilator und das Bild konnten
    nicht darüber hinwegtäuschen, daß er in einem Brutkasten
    unter dem Dach hauste. Und jetzt hausten wir zu zweit hier.
    Ganz früher steckten englische Adlige ihre verrückten Frauen
    und Töchter in solche Dachkammern und versteckten die
    Schlüssel in alten Schiffstruhen.

    Sag was, dachte ich. Sag was, du Blödian.
    Doch er schwieg. Er zog nicht mal den blöden Rock aus. Er
    saß nur da, vielleicht tat ich ihm leid oder brachte ihn in
    Verlegenheit oder er ärgerte sich, weil er mich aufgenommen
    hatte. Ich stürzte an seinem Bett vorbei und hinaus auf den
    Flur. Jumbo tat nichts, um mich aufzuhalten. Entweder wollte
    er sich nicht meinen Zorn zuziehen oder mein Abgang war ihm
    schnuppe.
    Ich stolperte die Treppe hinunter. Im ersten Stock standen ein paar Spieler zwischen offenen Schlafzimmertüren, unter ihnen
    Heggie und Dobbs. Ich machte ihnen angst. So sicher wie das
    Amen in der Kirche – ein amoklaufender Halbwüchsiger mit seinem Baseballschläger auf der Suche nach etwas, das sich
    zertrümmern ließ.
    Double Dunnagin schlappte in Duschlatschen und
    Bademantel aus seinem Zimmer. Er kapierte auf Anhieb, wie
    er mich von meinem störrischen, launischen Kummer
    abbringen konnte.
    »He, Danny. Toller Schläger, muß ich sagen!«
    »Schaff ihn hier weg mit dem Ding!« brüllte Mariani. »Der
    Idiot hat beide Hände dran.«
    Dunnagin kam auf mich zu. Ich solle mal herzeigen. Ich zog
    den Schläger zurück, hob ihn. Alle auf dem Flur – Mariani,
    Parris, Heggie, Dobbs, Knowles, Curriden – waren verstummt.
    Dunnagin lächelte immer noch, blieb nicht stehen. Er sagte, er verstünde, daß die Ankunft in Highbridge an so einem brütend
    heißen Tag und die Zusammenlegung mit Jumbo einen Kerl
    wie mich auf die Palme bringen konnte. Er nahm mich beim
    Ellbogen – dabei hätte ich ihm mit einem Schlag den Kopf
    vom Rumpf trennen können – und führte mich in sein Zimmer.
    Sein Zimmergenosse, ein Pitcher namens Jerry Wayne
    Sosebee, tat entrüstet, als er mich sah.

    »Um Himmels willen, Double«, sagte er, »bring den
    verrückten Kniich hier weg. Ich versuche gerade, mit meinem
    Scheckbuch klarzukommen.«
    Doch Dunnagin, der keine Anstalten machte, mir das
    Schlagholz abzunehmen, hatte schon die Tür geschlossen.
    Sosebee stand auf. Er trug nur Khaki-Boxershorts und beäugte
    mich, als hätte ich die Cholera eingeschleppt. Seine
    Zimmerhälfte – das Zimmer war doppelt so groß wie Jumbos
    Schwitzkasten – war mit Fotos von Familienangehörigen,
    Haustieren und einem aufgebockten Ford-Sedan dekoriert. Er
    hatte die Wand an seinem Bett mit Varga-Girls* aus dem
    Esquire tapeziert. Obwohl ich halb weggetreten war, bekam
    ich Stielaugen.
    »Der Knirps kriegt Stielaugen«, sagte Sosebee.
    »Ist doch

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