Brüchige Siege
sagte Roper. »Auch wenn
ich diesen Sauhaufen verlassen muß, ihr hört noch von mir.«
(Er sollte recht behalten. Im Spätsommer wurde er
eingezogen – wohl mit ein Grund, warum Mister Jay-Mac ihn
entlassen hatte – und kämpfte in der Neunten Armee in
Europa. Heute ist er Kongreßabgeordneter eines Distrikts in
West-Georgia, die Reinkarnation eines Handlangers der
nationalen Waffenlobby.)
Jumbo machte kehrt, um mich zu holen. Roper zog sich zu
seinen Leidensgefährten am Pokertisch zurück. Falls Jumbo
Mitleid mit ihnen hatte, zeigte er es nicht. Er packte mein
Gepäck, das in seiner Hand zu einem Säckchen Murmeln
wurde, und duckte sich ins Foyer zurück. Während ich ihm
folgte, wurde mir klar, daß er mindestens sieben Fuß
emporragte, vielleicht sogar sieben zwei. In Tenkiller war mir noch keiner über den Weg gelaufen, der auch nur annähernd so
groß war. Sechs Fuß, das waren absolute Riesen. Ehrlich, Lon
Musselwhite war der größte, den ich je gesehen hatte, bis
Jumbo auftauchte, und Muscles hatte ich an diesem Morgen
zum ersten Mal gesehen.
Jedenfalls war mir nicht geheuer bei dem Gedanken, hinter
Jumbo die Treppe zu erklimmen. Die Treppe wurde zur
∗
Bohnenstange. Fie-fei-foh-famm. Die Stufen quietschten. Als
wir den ersten Stock und die Stufen zum zweiten erreicht
hatten, erschien mir das Haus mit seiner schimmligen
Vertäfelung, der welligen Bilderleiste und den unebenen
Hartholzböden allmählich so hellhörig und kraus wie ein
verwunschenes Schloß.
Schließlich betraten wir den zweiten Stock. Der Flur hatte die Form eines ›T‹. Wir gingen durch den ›Querbalken‹ zur
Südwestseite des Hauses. Jumbo schloß die Tür auf und
deutete mit einem Kopfnicken in den Raum. Das Zimmer war,
abgesehen von der Küche, das heißeste, das ich in McKissic
House kannte, und bei weitem das stickigste. Jumbo wies ohne
ein Wort mit einem Handschlenker in die Ecke unter der
Dachschräge. Er schleifte eine Zelttuchliege heran, unter der
ich meine Sachen verstauen und auf der ich schlafen sollte: ein Feldbett aus Camp Penticuff, gekauft oder geklaut. Jumbo
klappte es auseinander und stellte es auf.
Ich schielte zwar nicht nach einer Decke, hätte aber zu gerne
ein Kissen und ein Laken gehabt. Die Vorstellung, mich vor
Jumbo auszuziehen, ging mir gegen den Strich, aber da ich
beim Schlafen gewöhnlich nur die Unterwäsche anbehielt,
mußte ich wohl oder übel Farbe bekennen – es sei denn, ich
kniff und legte mich in voller Montur schlafen. Bei der Hitze
verwarf ich diese Idee sofort wieder. Der erste schlechte
Traum, selbst wenn ich darin im aleutischen Schnee oder auf
vereisten Marsden-Matten stand, würde mich in ein
schreckliches Fieber werfen. Aber ich konnte Jumbo nicht
sagen, wie mir zumute war, was ich wollte und was nicht,
∗ nach fee-faw-fum, dem ersten Knittelvers, gesprochen vom Riesen in dem Märchen Jack the Giant Killer (Jack and the Beanstalk) beim Anblick von Jack
warum ich am liebsten losgeheult hätte, und er fragte mich
auch nicht. Wenigstens stand die muffige Liege dicht an einem
Fenster mit Feuertreppe. Aber nicht deshalb ließ Jumbo mich
hier kampieren; er war einfach zu groß für die Schräge.
Jumbos Bett hatte weiße Eisenpfosten, zwei Springfedersätze
nebeneinander und darauf zwei alte Sperrholzplatten. Es sah
nicht gerade bequem aus, zugegeben, aber unterwegs zur
nächstbesten Matratzenfabrik hätte es meins um Längen
geschlagen. Schwamm drüber. Das war Jumbos Zimmer, er
war der Hausherr und ich der Gast. Aber warum bekam ich
nicht auch ein Bett. McKissic House war weder ein Gefängnis noch ein Asyl für Landstreicher.
»Du wirst dich gewöhnen«, sagte Jumbo. »Nachher ist die
Hitze ganz erträglich.«
Wumms! Es war zuviel: mein Status als Neuling, diese
Mansarde, dieser abscheuliche Tolpatsch, mit dem ich
auskommen mußte. Ich verlor die Fassung und schluchzte, so
wie ich im Zug geschluchzt hatte. Alle trampelten auf mir
herum, ich war total aus dem Häuschen. Bei jedem anderen
hätte ich versucht, meine Gefühle zu verbergen, nicht so bei
Jumbo.
Dann langte ich unter die Liege, zog den Red-Stix-Schläger
aus dem Sack und stand da und funkelte und wrang den Griff.
Ich hatte nicht vor, Jumbo zu verdreschen – er hätte vermutlich zurückgedroschen – nein, ich wollte bloß ein bißchen
Sägespäne da rausquetschen, um damit meine Tränen
aufzufangen.
Jumbo besaß einen staubverklebten Ventilator mit
Weitere Kostenlose Bücher