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Brüchige Siege

Brüchige Siege

Titel: Brüchige Siege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
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um 0.220 geschwankt – mäßig für Minor-Leagues und schlimm für einen Burschen mit Ambitionen.
    Doch er hat so einen schrecklichen Dreh heraus, daß die
    Schläge, die er macht, auch zählen. Manchmal hat er
    Zaunbrecher geschmettert, die uns niedergemacht hätten, wenn
    er nicht drübergekommen wär. Niedergemacht, verstehst du?
    Also hat Mister JayMac ihm ein Einzelzimmer gegeben. Er ist

    wertvoll, auch wenn er nicht ganz aus dem Holz ist, das die
    Major-Leagues brauchen.«
    Dunnagin nahm mein Schlagholz und visierte damit den
    Abendstern an. Dann schwang er den Schläger ein paarmal.
    Was mich betraf, so erschlug ich Moskitos, einen ganzen
    Schwarm, der sich aus den seichten Ufern des Hellbender-
    Weihers rekrutierte.
    »Da.« Dunnagin gab mir den Schläger zurück. »Zigarette?«
    Er schnippte zwei aus dem Päckchen, steckte mir eine
    zwischen die Lippen und gab mir Feuer. »Der Rauch vertreibt
    die Bastarde manchmal.« Er meinte die Moskitos. »Und
    beruhigt die Nerven.«
    Ich paffte linkisch. Daheim in Tenkiller hatte Coach Brandon
    diese Angewohnheit verflucht. Hatte die Zigaretten
    Atemräuber genannt. Jetzt mit Dunnagin zu rauchen, kam mir
    fast wie eine Sünde gegen das Training vor.
    »Old Golds«, sagte Dunnagin. »Mit diesem Apfelhonigzeug,
    das den Tabak feucht hält.«
    Ich schmeckte nichts von ›Apfelhonig‹, rauchte aber weiter.
    Nach ein, zwei Minuten bekam ich einen Hustenanfall.
    Dunnagin nahm keine Notiz.
    »Beim Dreitausendmeterlauf fingen die Jungs damit an, ihn
    Jumbo zu nennen. Sag bloß nicht Goliath, Nilpferd oder
    Potwal zu ihm. Auf keinen Fall Potwal. Wenn du Potwal zu
    ihm sagst, ist das, als hättest du nicht bloß ihn, sondern alle Potwale vor den Kopf gestoßen. ›Jumbo‹ ist okay, weil das
    ziemlich neutral ist. Das heißt bloß, daß er groß ist, was ja auf der Hand liegt.«
    Ich kam nicht aus dem Husten heraus; eine Lunte zischelte
    über die Zunge den Hals hinunter.
    »Keine Ahnung, wie alt Clerval ist«, sagte Dunnagin.
    »Dreißig? Um die fünfunddreißig vielleicht. Manchmal
    humpelt er rum wie ein Krüppel. Manchmal tanzt er wie

    Astaire. Wenn Clerval gut drauf ist, wird selbst DiMaggio blaß vor Neid. Und ich erst recht.«
    In der einen Hand hielt ich den Glimmstengel, mit der
    anderen kratzte ich an einem Mückenstich herum. Auf dem
    Hosenaufschlag waren schon Blutflecken, und die Fingernägel
    lösten Hautfetzchen ab.
    »Hast du gesehen, wie er heute abend gegessen hat?« fragte
    Dunnagin. »Auf den ersten Blick sieht er aus wie ein
    barbarischer Fleischfresser. Irrtum. Er ist Vegetarier, ganz
    streng. Kein Huhn, keine Eier. Ißt aber ‘ne Tonne Pflanzen pro Woche. Und Erdnußbutter von Goober Pride. Morgens vor
    dem Training und an Spieltagen vertilgt er ein halbes Glas
    voll. Ein Glück, daß er so nah an der Quelle sitzt, was?«
    Dunnagin rieb sich das Kinn. »Komm schon. Ich bring dich
    wieder nach oben. Clerval beißt nicht. Er beißt nur in
    Gemüse.«
    Dunnagin ging vor; wir kehrten ins Haus zurück, stiegen die
    Treppe hinauf und standen schließlich vor Jumbos Tür.
    Dunnagin klopfte.
    »Hank, was dagegen, wenn Klein Boles wieder reinkommt?«
    Die Tür schwang auf. Im Rahmen stand Jumbo ohne Kopf
    und Schultern. Er ging in die Knie, und sein Halbprofil nahm
    uns in Augenschein.
    »Kommen Sie, Mr. Boles.«
    »Wir sehen uns morgen«, sagte Dunnagin. Verabschiedete
    sich wie ein Hindulehrer, berührte Stirn und Kinn und zeigte die Handfläche. Dann verduftete er in Richtung Treppe.
    Jumbo hatte unser Zimmer verändert. Zwischen seinem und
    meinem Bereich hing jetzt eine locker geflochtene Grasmatte.
    Auf der Liege lag eine Steppdecke und ein Federkissen. Den
    Ventilator hatte er so plaziert, daß jeder von uns einen
    Viertelkreis mitbekam. Das Ding blies zwar nur heiße Luft,

    verhinderte aber, daß wir von den Moskitos angebohrt wurden
    wie texanische Ölfelder.
    »Ich lese noch. Sag mir, wenn dich die Lampe stört.« Jumbo
    tauchte hinter die Matte, wo sein Schatten hängen blieb und
    mir die Tenkiller-Scheiße verdünnte. Ich setzte mich auf die
    Steppdecke, die er organisiert hatte und stierte auf die klobige Silhouette.
    Dunnagins Anstrengungen, mich zu beschwichtigen, konnten
    mich jetzt nicht mehr beschwichtigen. Ich schob mir die
    Schuhe von den Fersen und rechnete jeden Moment damit, daß
    Jumbo die Grasmatte wegfegte, mich bei den Ohren packte
    und aus dem Fenster warf. Was er nie tat, doch manchmal
    schien er den Kopf zu heben und mich durch

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