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Brückenorakel Bd 2 - Weltenwanderer (German Edition)

Brückenorakel Bd 2 - Weltenwanderer (German Edition)

Titel: Brückenorakel Bd 2 - Weltenwanderer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Fairchild
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wissen willst«, meinte sie.
    »Richtig«, entgegnete er zögernd.
    »Aber?«
    Avi schaute den Flur entlang. »Entschuldige. Es ist nur, dass ich überhaupt nicht damit gerechnet habe, dir über den Weg zu laufen. Ich war gedanklich anderswo.«
    »Bei dem Wiedersehen mit deiner Mutter? Nun, vielleicht solltest du das zuerst hinter dich bringen. Danach können wir über wichtige Dinge sprechen.«
    Für Avi war nicht festzustellen, ob sie ihn auf den Arm nehmen wollte oder nicht.
    »Das Gemach meiner Mutter liegt gleich am Ende dieses Flurs«, antwortete er. »Sobald ich bei ihr war, können wir …«
    »Deine Mutter ist nicht in ihrem Gemach.«
    »Was?«
    »Seit sie krank ist, hält sie sich an ihrem geheimen Rückzugsort auf.«
    »Krank?«, wiederholte Avi überrascht. »Meine Mutter ist krank?«
    »Seit Stonehenge … tja, drücken wir es einmal so aus, dass sie nicht mehr die Alte ist.«
    »Wo ist dieser Rückzugsort?«
    Iritha bedachte Avi mit einem schiefen Lächeln, bei dem sie mehr Schneidezähne zeigte, als er zu sehen gewöhnt war. »Ich zeige ihn dir.«
    Iritha führte sie durch die labyrinthischen Gänge des Palastes, die wegen der frühen Stunde zumeist verlassen waren. Nur vereinzelt trafen sie Dienstboten – Feenmägde und Koboldknappen, die Körbe mit sauberer Wäsche und Tabletts mit Speisen dorthin brachten, wo sie gebraucht wurden, bevor der Hofstaat der Königin erwachte. Der Palast war noch genauso prächtig, wie Avi ihn in Erinnerung hatte. Die Wände wurden von Wandteppichen und Gemälden geschmückt. Marmorstatuen, die Nymphen, Satyre oder Meerjungfrauen darstellten, zierten sämtliche Nischen. Die Morgensonne beschien die Flure und tauchte sie in einen goldenen Schein.
    Sie begegneten nicht nur Hauspersonal, sondern auch ungewöhnlich vielen Soldaten, die entweder die allgemein zugänglichen Bereiche patrouillierten oder die Türen nach draußen bewachten.
    »Ist während unserer Abwesenheit etwa das Kriegsrecht ausgerufen worden?«, wunderte sich Hannah.
    »Arethusa befürchtet, dass Kellen uns angreifen könnte«, erklärte Iritha. »Der Krieg dauert an. Habt ihr die neuen Befestigungsanlagen bemerkt?«
    Sie deutete aus dem Fenster auf einen der Ziergärten, wo Avi Reihen von mit spitzen Pfählen gespickten Wällen und eine hohe Mauer mit Zinnen erkannte. Der Rasen davor war aufgewühlt, und einige Tiere aus Arethusas Menagerie schlichen durch den Morast. Es waren ein ganzes Löwenrudel und auch zwei Schlangenhähne dabei, gewaltige Ungetüme, die Körper von Reptilien und die Köpfe von Vögeln hatten.
    »Der Palast hat sich in eine Festung verwandelt«, stellte Hannah fest. »Wir könnten genauso gut in Kellens Burg sein.«
    Plötzlich bog Iritha in einen dunklen Gang ein. Er brachte sie nach draußen in einen gepflasterten Hof, der auf allen Seiten mit einer glatten, von Zinnen gekrönten Mauer eingefriedet war. Feenwächter standen in regelmäßigen Abständen auf diesen Zinnen und blickten reglos in die Ferne. Auf der anderen Seite des Hofes erhob sich ein unscheinbarer viereckiger Turm.
    »Der Juwelenturm«, verkündete Iritha und betrachtete das gedrungene Gebäude mit abfälliger Miene. »Dort versteckt sich deine Mutter.«
    Versteckt? »Ich dachte, sie sei krank.«
    Iritha wies auf die Tür, ohne ihn einer Antwort zu würdigen.
    Avi musterte den Turm. Die kleinen Rundbogenfenster, die das grobe Mauerwerk unterbrachen, erinnerten ihn an blinde Augen. Trotz des starken Windes hing der grüne Wimpel an dem Fahnenmast auf dem Dach schlaff herab.
    »Könnt ihr hier warten?«, wandte er sich an Hannah und Iritha. »Ich wäre gern mit ihr allein.«

Kapitel 22
    E ine düstere Holztreppe führte direkt in den ersten Stock. Die Stufen knarzten unter Avis Pantoffeln, außerdem war da noch ein Geräusch, dessen Ursprung er nicht ausmachen konnte. Es klang, als führe jemand mit den Fingernägeln über eine Metallfeile.
    Die Stimmung in der oberen Etage war genauso bedrückend wie im Treppenhaus. Das Morgenlicht schien draußen vor den kleinen Fenstern zu verharren, als zögere es hereinzukommen. Eine dunkle Schmutzschicht bedeckte die vertäfelten Wände, und ein kräftiger Geruch nach Moder und Verwesung lag in der Luft.
    Ein gewaltiges Möbelstück, das Avi erst auf den zweiten Blick als großes Bett erkannte, nahm die Hälfte des Raums ein. Vier rissige Holzpfosten stützten einen eingefallenen Betthimmel aus zerschlissener, mottenzerfressener Seide.
    Als Avi vorsichtig über den staubigen

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