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Brückenorakel Bd 2 - Weltenwanderer (German Edition)

Brückenorakel Bd 2 - Weltenwanderer (German Edition)

Titel: Brückenorakel Bd 2 - Weltenwanderer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Fairchild
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aber Iritha hielt in Gedanken versunken inne. »Erzähl weiter«, forderte er sie auf.
    Iritha schüttelte sich. »Manchmal glaube ich, dass er einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort war. Kellen hat Arethusa vernachlässigt, weshalb sie jemanden brauchte, der ihr Zuwendung entgegenbrachte. Damit die Nymphe in ihr nicht verhungerte, könnte man sagen. Oren war jung und schneidig. Es war unvermeidlich, dass es zu einer Affäre kam.« Sie berührte Avi am Arm. »Und die beiden haben einen wunderbaren Sohn gezeugt. Es ist nur ein Jammer, was mit …«
    Am Eingang des Juwelenturms bewegte sich etwas. Avi wich rasch von der Tür zurück, während eine klauenähnliche Hand dort, wo er gerade noch gestanden hatte, durch die Luft fuhr. Hannah stieß einen Schrei aus, als Arethusa, eine eingeschrumpfte Gestalt in einem bauschigen schwarzen Kleid, aus dem Gebäude gewankt kam. Sie ging vornübergebeugt und schlang einen abgezehrten Arm um die magere Taille.
    »Iritha!«, stieß sie hervor. »Lass uns allein!«
    »Bleib hier!«, rief Avi.
    »Geh!«, wiederholte Arethusa. »Als deine Königin befehle ich es dir!«
    Kurz loderte Zorn in Irithas Augen auf. »Bis später, Avi«, sagte sie. »Wir haben noch viel zu bereden.«
    Mit diesen Worten sank sie zu Boden. Ihr Gewand schlug Wellen und schmiegte sich an ihren Körper, der sich unter dem weichen Stoff veränderte. Die weiße Seide verwandelte sich in goldfarbenes Fell mit schwarzen Punkten. Die schlanken Hände wurden zu Pfoten, aus denen schimmernde Krallen ragten. Innerhalb von Sekunden war aus der Koboldin ein Ozelot geworden. Sie zog die Krallen ein, sprang mit einem einzigen Satz auf die neu erbaute Befestigungsmauer und trottete geschmeidig in den Palast.
    Avi drehte sich zu seiner Mutter um. »Ich weiß nicht, was du hören willst«, begann er.
    »Er ist dort gefangen«, erwiderte Arethusa. »Einsam und allein zwischen den Welten. Das Déopnes gibt seine Geiseln nicht mehr frei.«
    »Oren ist doch schon einmal entkommen«, wandte Avi ein. »Kellen auch. Das ist dir sicher bekannt.«
    Langsam zog Arethusa die Hand aus den Falten ihres ausladenden Kleids hervor. Sie umklammerte ein in rotes Leder gebundenes Buch. Als sie es hochhielt, ging hinter dem Turm die Sonne auf, so dass ihre Strahlen den Einband beleuchteten. Hannah schnappte nach Luft. Avi spürte ein Prickeln auf der Kopfhaut und an der Wirbelsäule.
    Ein todtrauriger Ausdruck zeichnete sich auf Arethusas Gesicht ab, das dem eines in Pergament gehüllten Totenschädels ähnelte.
    »Es ist alles, was ich noch habe«, schluchzte sie. »Ohne dich … ohne ihn … sonst hält mich nichts mehr am Leben.«

Kapitel 23
    A vi musste sich beherrschen, um ihr das Buch nicht aus der Hand zu reißen. Es war schlicht und hatte einen mit Hieroglyphen beschrifteten roten Buchrücken, sah also genauso aus wie alle anderen Erinnerungsbücher. Wie Avis eigenes, das er immer bei sich getragen hatte, bis es Levis Zerstörungswut zum Opfer gefallen war. Natürlich war dieses Buch dicker, denn sein Vater war schließlich älter als er.
    Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Darf ich einen Blick hineinwerfen?«, fragte er
    »Wirst du mich dann wieder lieben?«
    Avi war versucht, sie anzulügen, um endlich an das Buch heranzukommen, doch er brachte es nicht über sich.
    »Nein«, entgegnete er. Hannah schnappte nach Luft. »Ich habe nur Mitleid mit dir, weil ich dich in diesem Zustand erleben muss. Wenn das heißt, dass in meinem Herzen noch ein wenig Liebe für dich ist, gebe ich sie dir gern.«
    Arethusa richtete sich auf. Langsam nahmen ihre Arme, ihre nackten Schultern und dann auch ihr Gesicht wieder eine gesündere Färbung an. Ihre ausgemergelten Züge glätteten sich, und sie lächelte. Es war nicht mehr die Grimasse eines Totenschädels, sondern ein wahrhaft glückliches Lächeln. Mit ruhigen Händen hielt sie ihm das Buch hin.
    »Du kannst es nicht mitnehmen«, sagte sie, »aber du darfst es lesen. Ich habe die Stelle, die du suchst, gekennzeichnet und möchte dich bitten, den Rest zu übersehen. Vieles, was in diesem Buch steht, ist vertraulich und geht nur mich und deinen Vater etwas an.« Tränen rannen ihr aus den Augenwinkeln. »Für mich war es ein Trost, seine Erinnerungen zu lesen.«
    Vorsichtig griff Avi nach dem Buch. Er merkte seiner Mutter an, welche Mühe es sie kostete. »Danke«, meinte er.
    Arethusa wandte sich zu der Treppe um, die zu ihrem Zimmer führte. An der Tür blieb sie noch einmal

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