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Brückenschläge: Zwei Generationen, eine Leidenschaft (German Edition)

Brückenschläge: Zwei Generationen, eine Leidenschaft (German Edition)

Titel: Brückenschläge: Zwei Generationen, eine Leidenschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Lindner , Hans-Dietrich Genscher
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Systemalternative, sondern auch um fortschrittliche neue Ideen. Die zeigten sich beispielsweise bei der Frage, ob wir ein Kartellrecht und ein Kartellamt einführen sollen oder nicht. Diesen Kampf um die Beschränkung wirtschaftlicher Macht muss man verstehen als eine prinzipielle Auseinandersetzung über das richtige Verständnis der Marktwirtschaft. Der »Wirtschaftswunder-Vater« Ludwig Erhard und sein Staatssekretär Alfred Müller-Armack waren das, was man damals neoliberal nannte. Sie vertraten diesen fortschrittlichen Wirtschaftsliberalismus. Insofern tut es mir weh, wenn das Wort »neoliberal« im Zusammenhang mit Politikern wie George Bush junior verwendet wird. Der ist für mich nicht ein Neoliberaler, sondern ein Neokonservativer …
    LINDNER
    … der auf einen Laissez-faire-Kapitalismus setzt, der das Gegenteil des Neoliberalismus ist. Es gibt genug historische Belege, dass der ungeordnete Markt eben nicht eine »unsichtbare Hand« ist, die alles zum Guten fügt, wie Adam Smith das im 18 . Jahrhundert gedacht hat. Das ist Steinzeitliberalismus, den man heute nicht mehr wörtlich nehmen darf. Ich beziehe mich stattdessen immer wieder auf ein Wort von Alexander Rüstow, der mitten in der Weltwirtschaftskrise Anfang der dreißiger Jahre gesagt hat: »Der neue Liberalismus jedenfalls, der heute vertretbar ist, fordert einen starken Staat, einen Staat oberhalb der Wirtschaft, oberhalb der Interessenten, da, wo er hingehört.«
    GENSCHER
    Auch Ludwig Erhard hat den Staat als Normengeber und nicht als Mitspieler gesehen. Deshalb gehört es zur Verfälschung von Begriffen, wenn mit »neoliberal« eine bedenkenlose Verherrlichung wirtschaftlicher Macht oder eine Geringschätzung des Staates bezeichnet wird. Es war das genaue Gegenteil, es ging um die Bändigung solcher Phänomene durch politische Rahmensetzung.
    LINDNER
    Hierin sehe ich nun den tieferen Grund für den Vertrauensverlust der Sozialen Marktwirtschaft: Der Staat war und ist zu wenig Schiedsrichter und zu sehr verstrickt ins Getümmel. Bei der Bestimmung und Durchsetzung der Spielregeln war er so schwach, dass die Kapitalmärkte ein Eigenleben entwickeln konnten. Statt da Ordnung zu schaffen, verfolgte er eigene unternehmerische Interessen mit Landesbanken, obwohl er sich über Steuern und nicht über Gewinne staatseigener Betriebe finanzieren sollte. Die Menschen haben dafür ein genaues Gespür. So sehr einerseits auch eine Disziplinierung der Finanzmärkte eingefordert wird, so sehr sind viele andererseits skeptisch, wenn der Staat mit Einzelfallentscheidungen in den Markt eingreifen will. Ich erinnere an die Debatten um Opel, als die versammelte Parteipolitik General Motors Steuergeld nahezu aufdrängen wollte, um die Fehlentscheidungen aus Detroit zu reparieren. Rainer Brüderle hat für sein klares »Nein« deshalb großen Respekt erfahren, weil eine Mehrheit der Deutschen eine klarere ordnungspolitische Intuition hatte als wesentliche Teile der deutschen Politik. Die Menschen haben nicht eingesehen, dass sie sich als Kunden gegen ein Unternehmen entschieden haben, aber die Politik mit ihrem Geld, den Steuermitteln, diese Entscheidung korrigieren wollte.
    GENSCHER
    Zu diesen Grundüberzeugungen muss die FDP auch in einer veränderten Zeit stehen. Ich habe mir aus den Freiburger Thesen etwas rausgesucht, was sich auf die Gegenwart anwenden lässt: »Wo (…) von einem freien Spiel der Kräfte (…) Perversionstendenzen für die Ziele der liberalen Gesellschaft drohen, bedarf es gezielter Gegenmaßnahmen des Staates mit den Mitteln des Rechts.« So hart und so klar haben wir damals formuliert.
    LINDNER
    So hart und so klar muss man es auch heute sagen. Wir brauchen eine »Reform des Kapitalismus«, wie es die Freiburger Thesen gefordert haben. Nur dass wir darunter heute etwas anderes verstehen als damals.
    GENSCHER
    Ja. Nur das Wort »Kapitalismus« sollten wir nicht nehmen. Damit habe ich meine Probleme, weil es aus dem Klassenkampf stammt.
    LINDNER
    Gestatten Sie mir trotzdem, dass ich es noch einen Moment weiterverwende. Kapitalismus meint begrifflich nichts anderes als Privateigentum an Produktionsmitteln. Das kann in der Form eines Laissez-faire-Kapitalismus der USA , des russischen Oligarchen-Kapitalismus, des staatszentrierten Kapitalismus in China – oder eben der Sozialen Marktwirtschaft realisiert werden. Ich frage Systemkritiker deshalb immer, welchen Kapitalismus sie eigentlich meinen.
    Mir geht es jetzt aber um etwas anderes. In

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