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Brückenschläge: Zwei Generationen, eine Leidenschaft (German Edition)

Brückenschläge: Zwei Generationen, eine Leidenschaft (German Edition)

Titel: Brückenschläge: Zwei Generationen, eine Leidenschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Lindner , Hans-Dietrich Genscher
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Marktteilnehmer mitunter so irrational handeln, ehrliche Kaufmannschaft so wenig selbstverständlich ist und Regeln so fehlerhaft sein können, dass das System selbst destabilisiert wird. Die ordnungspolitische Schlüsselaufgabe ist deshalb ein neues Marktdesign, damit nicht mehr wir alle zur Geisel weniger werden können.
    GENSCHER
    Daran sollten die Experten der FDP Tag und Nacht arbeiten. Im übrigen brauchen wir für die Zukunft eine globale Ordnung, die den Selbstverständlichkeiten folgt, die wir heute diskutieren: mehr Markttransparenz und Regeln, die geschaffen werden, indem man Rahmenbedingungen festlegt. Wir halten das auch für notwendig – innerhalb der europäischen Union geschieht das durchaus, vorsichtig, aber immerhin. Und je mehr wir eintreten in eine globale Wirtschaftsordnung, umso mehr ist es auch global notwendig, weil sonst Kräfte entfesselt werden, die zu dem führen, was wir erlebt haben.
    LINDNER
    Ich habe eingangs meine Gespräche mit Mittelständlern erwähnt, die beklagen, dass ihre Betriebe beispielsweise hier in Bonn davon betroffen sind, wenn in New York die Investmentbank Lehman Brothers umfällt. Da vermissen sie den Schutz des Staates. Andererseits machen dieselben Leute die Erfahrung, dass die Vergabe eines Betriebskredits hochbürokratisch geworden ist, von anderen privaten Anlagegeschäften nicht zu sprechen. Ich will damit sagen: Das Finanzwesen ist seit langem stark reguliert. Um die Finanzmärkte auf ihre dienende Rolle zu verpflichten, sind deshalb nicht mehr Regeln erforderlich – aber bessere! Man darf Bürokratisierung und Reglementierung im Detail nicht verwechseln mit den notwendigen Marktgesetzen, um Stabilität herzustellen.
    GENSCHER
    Machen Sie es doch einmal an einem Marktgesetz konkret.
    LINDNER
    Über Haftungsfragen haben wir schon gesprochen. Da scheint mir der Handlungsbedarf unverändert hoch, damit es ohne Gefahr für die Gesamtstabilität möglich wird, dass eine gescheiterte Bank tatsächlich aus dem Markt ausscheidet – also auf Kosten der Eigentümer abgewickelt wird. Das zweite Kernproblem ist die Markttransparenz, das haben Sie selbst gesagt. Es gibt Schattenbanken – allein das Wort! Billionensummen sind im Markt, die keiner echten Regulierung unterliegen. Geschäfte können unter der Ladentheke, also außerhalb öffentlich beaufsichtigter Handelsplattformen und damit intransparent abgewickelt werden. Das würde ich unterbinden: Es sollte keine Finanztransaktionen geben, die nicht auf öffentlich beaufsichtigten Handelsplattformen stattfinden, wo jeder Vertragspartner auch identifizierbar ist, sodass die Finanzaufsicht Risiken im Markt erkennen kann.
    GENSCHER
    Ich glaube, dass nach der großen Wende 1989 / 90 und nach dem Durchbruch zur Globalisierung die Politik die Übersicht über die sich neu entwickelnden globalen Märkte verloren hat, dass sie nicht mehr wusste, was geschieht. Ich habe in meinen Reden seit Mitte der neunziger Jahre argumentiert, dass wir auf den globalen Finanzmärkten mehr Transparenz brauchen – ganz so, wie Sie es gerade dargelegt haben, Herr Lindner. Das ist das Entscheidende: Wir müssen wissen, was vorgeht und welche Risiken entstehen. Der Staat soll nicht – das ist unser liberales Verständnis – in Wirtschaftsvorgänge und Wirtschaftsentscheidungen eingreifen, aber er soll klare Regeln für den Ablauf der Wirtschaftsentscheidungen schaffen. Das ist das Wichtige. Er soll sich nicht einmischen und etwa festlegen, jemand müsste dieses Haus kaufen oder jenes.
    Wir müssen uns stets bewusst sein: Globalisierung und globale Interdependenz bedeuten globale Gegenseitigkeit. Alles beeinflusst weltweit alles. Es gibt keine entfernten Gebiete mehr. Von meinem Handeln kann auch jemand betroffen sein, der auf einem anderen Kontinent lebt – siehe amerikanische Hypothekenkrise. Nachbarschaft bedeutet nicht nur geographisches Nebeneinander, sondern auch unmittelbare Betroffenheit ohne geographische Nähe.
    LINDNER
    Ich möchte das für die FDP in einer Aufgabe zusammenfassen, indem ich frage: Was würde Otto Graf Lambsdorff tun? Er würde sich mit einem Ordnungsruf zu Wort melden: Dass die Märkte einerseits politisch verantwortbaren Regeln unterworfen werden müssen. Das ist die Aufgabe des Staates als Ordnungsgeber. Andererseits würde er vor einem gewissen ökonomischen Analphabetismus und einer geschmäcklerischen Ablehnung der Kapitalmärkte insgesamt warnen. So sehr wir Fehlentwicklungen beklagen, sind wir

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