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Brüder der Drachen

Brüder der Drachen

Titel: Brüder der Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Weissbecker
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Eine Weile aßen die Gefährten schweigend, bis Loridan wieder das Wort ergriff.
    »Wollt Ihr uns nicht noch ein wenig von dem Engel erzählen?«, fragte er, eine dampfende Echsenkeule in der Hand.
    »Ich habe den Engel zum ersten Mal vor einem halben Jahr gesehen«, antwortete Jandaldon. »Es war ein kalter Abend, und ich hatte mein Feuer in einer geschützten Senke nicht weit von Quildons Herberge entzündet. Ich war auf dem Weg zu Quildon, denn ich wollte ein paar Echsenhäute gegen Vorräte eintauschen und mir mit meiner Musik ein paar zusätzliche Münzen verdienen. Plötzlich erschien sie an meinem Lager. Die Sonne war schon fast untergegangen – sie kommt meistens abends oder nachts.« Jandaldon unterbrach sich, um ein paar weitere Bissen von dem warmen Fleisch zu nehmen und einen Schluck Wein zu trinken. »Sie trug armselige Kleidung aus grobem Stoff, und anstelle von Schuhen hatte sie nur ein paar Lumpen um ihre Füße gewickelt. Völlig unmöglich, dass sie derart eine längere Strecke zu Fuß zurückgelegt hatte. Sie musste wirklich direkt vom Himmel gekommen sein. Sie erschien wie eine junge Frau, nicht einmal zwanzig Jahre alt, schöner als jede Frau, die ich zuvor gesehen habe, doch sie sprach wie ein kleines Mädchen. Firion muss sie wohl so erschaffen haben – mit dem Körper einer Frau, aber ohne die Gelegenheit, sich auch geistig zu entwickeln. Nun, in der letzten Zeit hat sie mich immer wieder besucht, und ich habe ihr einiges beibringen können. Sie redet jetzt so, wie man es von einem erwachsenen Menschen erwarten sollte.« Jandaldon beendete sein Mahl und nahm noch einen tiefen Schluck aus dem Weinschlauch.
    »Es fällt mir schwer, den Engel mit normalen Worten zu beschreiben«, fuhr er dann fort. »Daher habe ich ein Lied erdacht, das meine Gefühle wiedergibt. Ich will es Euch vorsingen.«
    Der Sänger wischte sich sorgfältig die Finger an seinem Gewand ab, bevor er zu seiner Laute griff. Nachdem er einige einleitende Tonfolgen gespielt hatte, begann er zu singen.
    » Im Scheine der Sonne
hab ich sie geseh’n,
die Erinn’rung daran
wird niemals vergeh’n. 
    Ihr Körper voll Anmut,
so schlank und so rein,
scheint vom Himmel direkt
gekommen zu sein.
    Ihre Augen wie Sterne,
wie Gold ist ihr Haar,
gegen sie verblasst
die Sonne sogar.
    Kein Mensch hat zuvor
so viel Schönheit geseh’n,
erst wenn ihr sie seht,
könnt ihr mich versteh’n. «  
    »Dann lasst uns also hoffen, dass sie uns einen Besuch abstattet«, sagte Loridan, als der Sänger geendet hatte. »Euer Lied hat mich neugierig gemacht.«
    »Ich fürchte, wir bekommen wirklich Besuch«, erwiderte Herubald mit grimmiger Stimme, und seine Hand zeigte zum nächtlichen Himmel empor. »Seht ihr den Schatten, der dort an den Sternen vorüberzieht? Ein Drache nähert sich uns.«
    Die beiden Drachentöter sprangen auf und schlossen die Visiere ihrer Helme. Mit einem kurzen Griff kontrollierten beide, dass ihre Schwerter lose in den Scheiden saßen. Jandaldon verstaute seine Laute sorgsam in einer Lederhülle, bevor er sie auf dem Boden ablegte, dann erhob auch er sich und gesellte sich zu den Rittern.
    »Ihr solltet lieber ein wenig Abstand von uns halten«, sagte Herubald zu dem Sänger. Seine Stimme klang gedämpft durch das Metall seines Helms. »Wir sind vor dem Drachenfeuer geschützt, aber Ihr seid ungerüstet. Wenn der Drache uns angreift, könntet Ihr in Gefahr geraten.«
    »Wie kommt Ihr darauf, dass dies nicht genau das ist, was ich mir wünsche?« Jandaldon schenkte den Drachentötern ein irres Grinsen. »Ihr wisst, was Ihr zu tun habt, wenn das Drachenfeuer mich verbrannt hat – die Tafel mit meinem Grabspruch liegt dort bereit. Und denkt daran, dass ich meine Laute Carilon versprochen habe.«
    Die beiden Ritter achteten nicht weiter auf den Sänger, denn ihre Blicke folgten der dunklen Silhouette, die sich vor den Sternen abzeichnete. Der Drache näherte sich von Westen her und flog in großer Höhe über die Anhöhe hinweg, so als wolle er sich zunächst einen Überblick verschaffen, dann kehrte er in einer weiten Schleife zurück. Er flog jetzt niedriger als zuvor, doch immer noch zu hoch, um seinen Feueratem einsetzen zu können. Stattdessen stieß er einen durchdringenden Schrei aus, der Jandaldon veranlasste, die Hände gegen seine Ohren zu pressen.
    »Ich hasse es, wenn sie das tun«, sagte er, nachdem der Schrei ausgeklungen war.
    Erneut näherte sich der Drache, diesmal langsamer und in so geringer Höhe,

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