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Brüder der Drachen

Brüder der Drachen

Titel: Brüder der Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Weissbecker
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ohne Grund den Alarm auslöste. Vielleicht hatte der Posten im Mast mehr gesehen.
    »Ho, Erradan!«, rief er nach oben zu dem Krähennest, und als keine Antwort kam, näherte er sich verunsichert dem Mast. Noch immer war der einsame Matrose unschlüssig, was er tun sollte. Im spärlichen Licht der Nacht sah er, dass auch sein Kamerad von der Backbordwache näher herangetreten war.
    »He, Thelos«, sagte der Seemann. »Was geht dort oben vor?«
    »Ich weiß es nicht«, erwiderte der andere, und dann rief er noch einmal laut zum Mast hinauf. »Ho, Erradan. Was ist mit dir?«

Thelos stand nun dicht neben dem Mast, und sein Blick war nach oben gerichtet. Wieder kam keine Antwort, doch er fühlte eine warme Flüssigkeit in sein Gesicht tropfen. Auch ohne etwas zu sehen, ahnte der Seemann, dass es Blut war.
    *
    Eril-Firion hatte den höchsten Punkt seiner Bahn bereits überschritten, als die beiden Soldaten zu ihrem Rundgang durch den Hafen von Car-Dhiorath aufbrachen. Der Himmel war mit Wolken verhangen, und nur selten konnte der Himmelswanderer sein Licht über das Land und das Meer ergießen. Trotzdem hatten die Soldaten keine Schwierigkeiten, ihren Weg zu finden, denn zahlreiche Fackeln und Laternen erhellten den Hafen. Auch auf den beiden Schiffen, die an der Kaimauer vertäut lagen, brannten Lampen. Die Soldaten tauschten ein paar Worte mit den Wachen, die auf den Decks postiert waren, und setzten dann ihren Weg fort. Zahlreiche kleinere Boote schaukelten dicht gedrängt auf den Wellen, und von Zeit zu Zeit ertönte ein leises Rumpeln, wenn ihre Rümpfe aneinanderstießen. An dem gemauerten Anlegesteg, der etwa hundert Schritte weit in das Hafenbecken hineinreichte, sahen die beiden Soldaten weitere Lichter brennen. Auch dort lag ein seetüchtiges Schiff vertäut, und auf dem Deck waren Arbeiter und Seeleute damit beschäftigt, die Arbeiten an einem Geschütz zu vollenden. Die geschäftigen Arbeiter blickten kaum von ihrer Tätigkeit auf, ein Mann stand allerdings an die Reling gelehnt und sah gedankenverloren auf den Anlegesteg hinunter. Es war ein drahtiger Mann mit kurzen dunklen Haaren. Ein großer goldener Ring glitzerte in seinem rechten Ohr.
    »Seid gegrüßt, Freunde«, sagte Halfas zu den beiden Soldaten. »Habt ihr gesehen, ob Trigons Schenke noch geöffnet ist?«
    »Nein, sie ist schon geschlossen«, antwortete einer der Männer. »Es ist schon spät – sehr spät.«
    »Ja, es ist spät.« Halfas blickte den Soldaten hinterher, als sie ihren Weg entlang des Anlegestegs fortsetzten. Bald waren sie in der Dunkelheit verschwunden, und der Kapitän stieß sich mit beiden Händen von der Reling ab, um sich den Männern zuzuwenden, die das hölzerne Gestell des Katapults auf dem Deck seines Schiffes verankerten. Betrübt schüttelte Halfas seinen Kopf. Der Sturmvogel stand nun unter dem Befehl von Fürst Navaris, und er war für eine Seeschlacht ausgerüstet worden. Wenigstens seine treue Mannschaft war ihm geblieben, obwohl er es den Männern freigestellt hatte, sich eine andere Heuer zu suchen. Nur ein paar zusätzliche Soldaten hatte der Fürst dem Schiff zugeteilt, drei Männer, die das Katapult bedienen sollten, und eine Handvoll Armbrustschützen. Unruhig ging Halfas weiter zum Bug und blickte aufs Meer hinaus. Weit im Süden war das Wetterleuchten eines Gewitters zu sehen, doch es war nicht das ferne Unwetter, das den Kapitän aufs Deck seines Schiffes getrieben hatte. Es waren andere Sorgen, die ihn quälten – der drohende Krieg mit dem Ostreich und noch eine andere Ahnung, fern und unbestimmt und dennoch düsterer als jede Gefahr, die ein Krieg gegen König Gweregon mit sich bringen konnte.
    Ein kleiner Lichtfleck leuchtete weit draußen in der Dunkelheit, und Halfas wusste, dass dort die Krone von Dhiorath lag, das Flaggschiff der Flotte von Fürst Navaris. Der Kapitän seufzte leise, als er daran dachte, dass der Sturmvogel nun auch zu dieser Flotte zählte. Wenn es zu einem Angriff durch Gweregons Verbündete käme, dann würde er mit den anderen Schiffen auslaufen, um an dem Kampf teilzunehmen. Und der Angriff würde kommen, daran zweifelte keiner mehr. Vor wenigen Tagen erst war Navaris mit beunruhigenden Nachrichten aus Car-Osidia zurückgekehrt: Die Drachen waren verschwunden, und Gweregons Armee war sicher schon auf dem Weg in den Westen.
    Die Drachen – auch Jandaldon hatte von ihnen berichtet. Jahrelang hatte er unter ihnen gelebt, und nun, da sie weg waren, drohte das Unheil über das

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