Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brüder der Drachen

Brüder der Drachen

Titel: Brüder der Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Weissbecker
Vom Netzwerk:
und ihre Kraft lenken – sonst seid Ihr selbst in großer Gefahr.«
    »Das ist nur zu wahr«, sagte Timon. »Ich habe am eigenen Leib gespürt, was geschieht, wenn man die Macht der Elemente unbedarft freisetzt. Inzwischen habe ich mehr Erfahrung gesammelt, für Danira, Selina und Loridan wird es jedoch das erste Mal sein, dass sie ihre Runen aktivieren.«
    »Dennoch müssen wir das Risiko eingehen, wenn wir nicht untergehen wollen«, sagte Melia. »Die Bewahrer kennen die magischen Worte für alle Runen, und Ihr könnt sie in kurzer Zeit erlernen. Die Kraft, mit der Ihr die Macht der Elemente kontrollieren könnt, müsst Ihr allerdings in Euch selbst finden. Ich kann Euch nicht dabei helfen.«
    »Melia hat recht«, sagte Selina, und die Blicke der anderen wandten sich ihr zu. »Wir müssen Jandaldon helfen und zwar schnell. Ich werde das Risiko eingehen.«
    »Ich auch«, sagte Loridan, während er nach Selinas Hand fasste, um sie sanft zu drücken.
    »Ich dachte, mit einem Schwert in der Hand könnte ich in dieser Welt bestehen«, sagte Danira. »Doch nun sehe ich, dass dies offenbar nicht genügt. Wenn wir alle hier zu Zauberern werden müssen, dann lasst uns also anfangen. Ich bin bereit.«
    »Gut.« Melia nickte befriedigt. »Gleich morgen will ich beginnen, Euch zu unterweisen.«
    »Aber wir sind noch eine Tagereise von der alten Stadt entfernt«, warf Tirandor ein. »Jeder Tag, den wir zögern, verringert die Chance, Jandaldon noch zu retten.«
    »Wir werden nicht zögern«, sagte Melia. »Wir werden morgen früh aufbrechen, und ich werde Euch die magischen Worte lehren, während wir reiten.«
    *
    Mühevoll schleppte Jandaldon sich weiter durch das unwirkliche Land, und jegliches Gefühl für Raum und Zeit hatte ihn verlassen. Er wusste nicht mehr, wie lange er schon in dieser Scheinwelt gefangen war. Er wusste nicht mehr, ob er wach war oder träumte. Oder war er bereits tot – auf ewig gefangen in einer Hölle, in der seine Schuld als ewige Qual auf ihm lasten würde? Er fragte sich, wo Melia und Sad Olgar waren, die Bewahrer aus der Seestadt, mit denen er zusammen gereist war. Waren auch sie Opfer des Grauens geworden, das plötzlich über sie gekommen war? Für einen Augenblick hatte er Ul’ur in seiner ganzen Schrecken erregenden Gestalt gesehen, dann hatte das Tosen der Elemente ihn umfangen. Feuer und Eis, Wasser und Stein, getragen von einer Luft, die sich zu einem wütenden Sturm erhoben hatte. Jandaldon hatte geglaubt zu ersticken, zu ertrinken, zu verbrennen – doch er war nicht gestorben. Er hatte sich daran erinnert, wie er in dem ewigen Feuer gebadet hatte, wie er auch dort gelebt und geatmet hatte. Und diese Erinnerung hatte ihm die Kraft verliehen, sich nicht aufzugeben. Er hatte sich an die Aufgabe erinnert, die er zu erfüllen hatte. Und er hatte sich an Rhya erinnert, die in der Seestadt zurückgeblieben war.
    Ein paarmal hatte er geschlafen, seit er in Ul’urs Welt gerissen worden war, dessen war Jandaldon sich gewiss. Tage oder Wochen mochten bereits vergangen sein, dennoch fühlte der Sänger weder Hunger noch Durst. Er befand sich in einer Welt des ewigen Zwielichts, in der es keinen Tag und keine Nacht gab. Obwohl dichter Nebel ihn umgab, spürte er keine Feuchtigkeit auf seiner Haut und in seinen Lungen – vielmehr erschien es ihm, als habe die Luft selbst sich zu einem formlosen grauen Dunst verdichtet. Trotzdem war dieses Land nicht völlig ohne Strukturen. Gelegentlich hatte Jandaldon die Umrisse von Mauern und toten Bäumen gesehen, auch wenn er nie eines dieser Ziele hatte erreichen können. Alle Konturen waren im Nebel zerflossen, wenn er versucht hatte, sich ihnen zu nähern. Auch eine Gestalt war ihm erschienen, groß und bedrohlich, obwohl sie immer fern und unwirklich geblieben war, verhüllt von dem allgegenwärtigen Dunst.
    Er vermutete, dass es Ul’ur war, den er bisweilen sehen konnte, und stets hatte er versucht, sich von diesem zu entfernen, in der Hoffnung, so einen Ausweg aus dieser Scheinwelt zu finden. Es war jedoch vergebens gewesen – offenbar gab dieses Land seine Gefangenen nicht mehr frei. Als sich diese Erkenntnis in Jandaldon geformt hatte, war auch ein neuer Entschluss in ihm erwacht. Wenn er Ul’ur nicht entrinnen konnte, dann wollte er sich ihm stellen.
    Mit diesem Vorsatz schritt der Sänger weiter durch den Nebel, und immer wenn er eine Gestalt zu erkennen glaubte, lenkte er seine Schritte in ihre Richtung. Mehrfach lösten sich die

Weitere Kostenlose Bücher