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Brüder der Drachen

Brüder der Drachen

Titel: Brüder der Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Weissbecker
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Angbold war es, der einäugige Hauptmann der Burggarnison. Schon oft hatte Tan-Thalion den alternden Offizier dort stehen sehen, unbeweglich wie eine Statue, den Blick zu den Lichtern des Himmels erhoben. Er war ein düsterer Mensch – ein strenger Vorgesetzter, der von seinen Untergebenen zugleich gefürchtet und vergöttert wurde. Selbst Tan-Thalion empfand manchmal Unbehagen in der Gegenwart des Offiziers, trotzdem achtete er ihn als einen fähigen Mann. Plötzlich drehte Angbold sich um, und er sah zu dem Balkon hinüber, auf dem der alte Zauberer stand.
    Ein ungutes Gefühl überkam Tan-Thalion, und er ließ den Blauen Stein zurück in die Schatulle gleiten, deren Deckel er eilig schloss. Schon immer hatte die Zaubergilde ihre Geheimnisse eifrig gehütet und vor Außenstehenden verschlossen gehalten. Nicht einmal aus der Entfernung sollte es einem Fremden gestattet sein, auch nur einen Blick auf dieses Artefakt zu erhaschen. Erleichtert atmete Tan-Thalion auf, als Angbold sich bald darauf wieder abwandte und von dem Fenster verschwand; das Licht in dem Turmzimmer erlosch. Eine Weile wartete der Zauberer, doch das Zimmer blieb dunkel, und nichts regte sich. Schließlich öffnete er erneut die silberne Schatulle und entnahm ihr den kostbaren Stein. Zu seinem Auge hob er den Kristall empor, und durch ihn hindurch blickte er zu Eril-Firion hinauf. Sofort erfüllte ihn die Ahnung einer göttlichen Macht, die in dem Stein erwachte. Oder bündelte der Kristall nur die Kraft, die vom Auge des Wächters ausging? Nachdenklich richtete Tan-Thalion nun seinen Blick auf Eril-Angoth, den Blauen Stein immer noch vor seinem Auge. Auch durch den Kristall funkelte der kleine Himmelswanderer in seinem roten Licht – und dann schien das Leuchten plötzlich lebendig zu werden, zu pulsieren. Schlieren des roten Lichts durchzogen den Stein, und Tan-Thalion glaubte, Bewegungen zu erkennen, so als blicke er in eine weit entfernte Welt. Dunkle Silhouetten zeichneten sich in dem Leuchten ab, Wesen mit weit ausgebreiteten Flügeln und grausamen Klauen.
    Mit einem Seufzen legte der Zauberer den Kristall zurück in seine silberne Schatulle. Was auch immer dieser Stein sein mochte – er stand in irgendeinem Zusammenhang mit den Mächten der Götter und den Lichtern des Himmels. Ja, dies musste der Himmelsstein sein, den Gerugrim in seinen Schriften erwähnt hatte. Über die Bedeutung des Steins hatte er allerdings nichts geschrieben, falls er sie überhaupt selbst gekannt hatte. Vielleicht würde sich jetzt, im Jahr der Konjunktion, eine Gelegenheit ergeben, sein Geheimnis zu ergründen. Vielleicht würde der Stein nur dann seine Macht offenbaren, wenn der Kampf der göttlichen Brüder seinen Höhepunkt erreichte. Dann wäre dies nun eine Chance, die sich einem Menschen nur einmal im Leben bieten konnte.
    Die Reise ins Drachenland war nun jedoch wichtiger, denn auch dies war eine einmalige Gelegenheit. Tan-Thalion trat zurück in sein Zimmer und schloss die Tür, die auf den Balkon hinausführte. Dem Studium der Himmelslichter würde er sich ausgiebig widmen können, wenn er sich auf den Weg zu dem Turm machte; nun hatten die Bücher Vorrang, die er auf seine Reise nicht mitnehmen konnte. Der alte Zauberer entzündete die Lampe auf seinem Schreibtisch, um sich erneut in seine Folianten und Schriftrollen zu vertiefen.
    *
    »Hier wohnst du also?« Danira saß vor Loridan auf dem Rücken des Craith und blickte neugierig zu dem Gehöft, das vor ihnen lag. Sie hatten gerade das Dorf Ber-Eliath durchquert und näherten sich nun dem kleinen Landgut, auf dem Loridan aufgewachsen war. Es war der dritte Tag, seit sie in Lornmund aufgebrochen waren, und nun hatte die Sonne bereits vor einigen Stunden ihren höchsten Punkt überschritten. Deryn hatte sich kurz zuvor von ihnen verabschiedet, denn er war im Dorf zurückgeblieben, um seine eigene Familie zu besuchen. Ihr Weg führte sie zwischen Feldern hindurch, auf denen sich die ersten Blätter von Getreide oder Cranog-Wurzeln zeigten, und vor ihnen lag eine kleine Ansammlung von Gebäuden, die von einer Mauer umgeben waren. Eine Arath-Echse, die im Durchgang der Mauer gekauert hatte, kam ihnen rasch entgegen. Mit tänzelnden Schritten lief sie auf ihren kräftigen Hinterbeinen, dabei stieß sie mehrmals ihren keckernden Ruf aus. Offenbar alarmiert durch den Arath, trat wenige Augenblicke später ein alter Mann aus dem offen stehenden Tor heraus, kehrte aber sofort wieder um, als er die Ankömmlinge

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