Brüder Des Zorns
nähern sich dir als Kaufleute oder Händler. Welche besonderen Interessen hegst du?«
»Meine Cabozucht ist auch im Ausland berühmt. Ich suche laufend nach neuen Blutlinien.«
»Sehr schön. Dann kommen sie als Cabohändler, die sich auf seltene Blutlinien spezialisiert haben. Um sich von den echten Händlern zu unterscheiden, werden sie ein silbernes Armband am rechten Handgelenk tragen.«
»Ich erwarte sie. So sind wir uns einig. Du warst sehr großmütig.«
Ansa zog sich zurück, ohne Larissas Antwort abzuwarten. Er wusste alles Wesentliche. Er wusste, wer Gran verriet und wie es vonstatten gehen würde. Ansa fragte sich, ob sich Gasam an das Abkommen hielt. Wahrscheinlich, denn er brauchte Vertreter der einzelnen Nationen, die seine Eroberungen verwalteten. Was den Verrat anging, so war er geradeheraus und geschäftsmäßig abgewickelt worden. Bestimmte Dienste wurden angeboten, für die man eine angemessene Bezahlung erhielt. Sicherlich hatte ein Vorfahr Floris’ ein ähnliches Abkommen mit einem Vorfahren Ach’nas getroffen. Floris war ein Mann, der aus jeder Krise Gewinn zog.
Wie eine Echse schlängelte sich Ansa vom Zelt fort. Als ei“ genügend Entfernung zwischen sich und das Lager gelegt hatte, erhob er sich und schlich auf leisen Sohlen zu einem Gebüsch ungefähr zwanzig Schritte von seinem Schlafplatz entfernt. Dort kauerte er geraume Zeit, beobachtete sein Lager und seine Habe und wartete auf ein Zeichen, dass Feinde auf der Lauer lagen. Der Mond zog still seine Bahn, und sein Licht enthüllte nichts Verdächtiges. Eine Stunde nachdem er Larissas Zelt verlassen hatte, ging er zu seinem Platz hinüber und kroch unter die Decken. Es war anstrengend gewesen, aber er besaß die Geduld eines Jägers, und das Wissen, dass sein Leben auf dem Spiel stand, erleichterte das Warten ungemein.
Am nächsten Morgen erwachte er bei den ersten Lauten geschäftigen Treibens im Lager. Es standen keine weiteren Gespräche an, und der Tag war der Unterhaltung der Gäste gewidmet. Sklavenkarawanen hatten Köstlichkeiten und Geschenke aus Sono herbeigeschafft, die Gasams Heer erbeutet hatte. Wenn es Neuigkeiten über die Belagerung gab, so wurden sie nicht erwähnt.
Nachmittags gesellte sich Königin Larissa zu ihm, als Ansa sein Cabo striegelte. Sie war beritten und hielt neben ihm an.
»Du sagtest, du würdest mir deine Schießkünste vorführen. Magst du mich auf die Jagd begleiten?«
Lächelnd sah er zu ihr auf und kniff die Augen wegen des gleißenden Sonnenlichts zusammen. »Ich dachte, die Shasinn jagen nicht.«
»Ich habe gelernt, Wildgerichte zu schätzen«, antwortete sie. »Außerdem gibt es keine bessere Gelegenheit, dich mit deinem Bogen im Einsatz zu sehen.«
»Ich begleite dich gerne«, erklärte Ansa. Er holte sein Sattelzeug und machte das Cabo fertig. »Wohin reiten wir?«
»Dort hinüber.« Sie deutete zur Küste. »Angeblich soll man dort gut jagen können. Das Land ist unbewohnt, und schon jetzt grast das Wild auf den verlassenen Weiden.«
»Hört sich gut an.« Ansa nahm den Bogen aus der Scheide und zog ein Ende über den linken Fußknöchel. Mit der rechten Hand ergriff er das obere Ende, bog es über den rechten Oberschenkel und hakte die Sehne in die dafür vorgesehene Kerbe ein.
»Darf ich?« Larissa streckte die Hand aus. Er reichte ihr den Bogen und saß auf. Sie versuchte, die Sehne zurückzuziehen, schaffte es aber nur wenige Zoll weit. »Eine gewaltige Waffe!«
»Unter uns gesagt: Bei meinem Volk ist ein Bogen das erste Spielzeug eines Knaben. Als junger Bursche erhält man einen Jagdbogen, der mit einem Drittel des Kraftaufwands gespannt werden kann. Er dient zur Jagd auf kleines bis mittelgroßes Wild wie zum Beispiel Krummhörner. Seit zwei Jahren besitze ich den Bogen der Männer.« Er nahm ihr die Waffe ab und steckte sie in den Halter vor seinem linken Bein. Auf der anderen Seite hing der Köcher mit Pfeilen.
»Reiten wir!« sagte Larissa. Sie überquerten eine breite Holzbrücke. Sie war stabil gebaut, und die schweren Holzbalken ruhten auf bearbeiteten Steinblöcken. Das Gestein stammte aus alter Zeit, aber das Holz war erst wenige Jahre alt. Ansa vermutete, dass regelmäßige Überschwemmungen immer wieder neue Balken erforderten. Der Hufschlag der Cabos hallte durch die Luft. Die Leibwächter der Königin schlossen sich ihnen in geringer Entfernung an. Sie alle ritten gute Cabos, saßen aber recht nachlässig im Sattel. Die Königin ritt auch nicht besser, war
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