Brüder Des Zorns
Licht zwischen ihren Fingern.
»Wundervoll!« hauchte sie.
Ansa trug sein Geschenk am Handgelenk und drehte es hin und her, um das Licht von verschiedenen Seiten einzufangen. Es war ein schwerer Silberarmreif, mit Jade und Korallen verziert.
»Zweifellos«, sagte er und nickte zustimmend. »Nicht einmal ein König würde solche Geschenke zurückweisen. Was die Frau nur von dir will? So wertvolle Geschenke gibt man nicht einfach an unscheinbare Fremde.«
»Morgen werden wir es wissen. Glaubst du, sie ist verrückt? Vielleicht ist sie eine reiche Irre, die so etwas aus einer Laune heraus tut.«
Ansa überlegte. »Nein, das glaube ich nicht, obwohl ich mich natürlich täuschen kann. Es ist schwierig, einen fremden Menschen in einem fremden Land zu beurteilen. Zwar verstand ich ihre Worte mühelos, bin aber nicht mit dem Dialekt vertraut. Deshalb verriet mir der Tonfall nichts. Und mit der ganzen Gesichtsbemalung hätte sie ebenso gut eine Maske tragen können.«
»Aber im großen und ganzen hattest du nicht den Eindruck, mit einer Verrückten zu sprechen?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, sie redete ganz vernünftig und wirkte nur ein wenig überspannt, aber das sind viele reiche Leute von Bedeutung. Sie wollte dich kennen lernen, weil du. aus der Schlucht stammst. Bestimmt könntest du ihre Gründe viel besser erahnen als ich.«
Fyana legte die Halskette wieder in die wunderschöne Holzschachtel zurück. »Ich hoffe, sie erwartet keine Wunderheilung. Vielleicht möchte sie mit einem toten Kind sprechen. Oft denken die Leute, wir sind dazu in der Lage. Es kann gefährlich sein, bedeutende Menschen zu enttäuschen.«
»Dann müssen wir vorsichtig sein. Jemand, der Einfluss bei Hofe hat, ist genau die Person, die wir finden wollten.«
Sie lächelte. »Die Sache macht dir Spaß, nicht wahr?«
»Ja«, gab er zu. »Keine Kriegerarbeit, aber trotzdem aufregend.«
»Es könnte gefährlich werden. Das sollte deinem Kriegerstolz genügen. Wie alt ist sie?«
»Schwer zu sagen, aber nicht sehr alt.«
»Waren Männer im Haus?«
»Außer den Sklaven? Nein, aber ich habe natürlich nicht viel vom Haus gesehen.«
»Das leuchtet ein. Die Namensform ›H’Aptli‹ besagt, dass sie die Witwe eines Mannes namens Aptli ist.«
»Ach so. Dann hätte ich mir gar keine Gedanken wegen eines eifersüchtigen Ehemannes machen müssen.«
»Was?«
»Nichts, nichts.« Sie warf ihm einen durchdringenden Blick zu, der ihn belustigte.
Am nächsten Abend ritten sie auf den Cabos zum Tor der prächtigen Villa. Sogleich erschienen Diener, unter ihnen ein Stallbursche, der die Cabos ein Stück die Straße entlang zu einem Holztor in der Mauer führte.
Auf dem Treppenabsatz wurden sie bereits von Yasha H’Aptli erwartet.
»Willkommen in meinem Heim! Ihr erweist meinem Haus eine große Ehre.«
Sie verneigten sich und erwiderten die Begrüßung. Ansa fiel auf, dass die Frau nicht mehr so stark geschminkt war. Eine dünne Puderschicht lag über dem Gesicht, und nur die Augen waren auffällig angemalt. Auch die Tränen wirkten unverändert, und er nahm an, dass es Zeichen der Witwenschaft waren. Sie sah jünger aus als erwartet und war nicht älter als dreißig Jahre.
Nachdem Fyana die überwältigende Aussicht im Licht der untergehenden Sonne bewundert hatte, zogen sie sich ins Haus zurück. Auf dem Weg dorthin durchquerten sie den Garten, in dem sich die Nachtblüten entfalteten und ihren schweren Duft verströmten. Nachtfalter schwebten auf weißen Schwingen lautlos umher, verhielten und stießen die langen schmalen Rüssel in die Blütenkelche, um sich an dem köstlichen Nektar zu laben.
Das Haus wurde von Lampen erhellt, die an langen Ketten von der Decke hingen. Kugeln aus buntem Glas hüllten die Räume in ein sanftes, pastellfarbenes Licht. Fyana besann sich auf die ihrem Volk eigene Zurückhaltung und ließ sich nicht anmerken, wie beeindruckt sie von dem Haus war.
»Wir wollen uns ins Aquarium begeben«, erklärte die Gastgeberin. »Später gesellen sich meine anderen Gäste zu uns, Personen von hohem Stand und großer Bedeutung, die mit uns zu Abend essen.«
»Ich hatte nicht erwartet, außer dir noch andere Edelleute kennen zu lernen«, meinte Fyana überrascht.
»Oh, ich fürchte, ich habe heute etwas zuviel geplaudert«, sagte Yasha. »Als ich heute Morgen bei Freunden war, verriet ich ihnen, dass ich euch beide als Gäste begrüßen darf. Menschen von hohem Rang erfuhren davon und gaben ihrem Verlangen Ausdruck,
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