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Brüder Des Zorns

Brüder Des Zorns

Titel: Brüder Des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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hielt inne. »Hört es sich zu schmeichlerisch an? Ich möchte nicht unglaubwürdig klingen.«
    »Meine Königin«, versicherte ihr der Schreiber, »es ist unmöglich, einem König von Gran zuviel zu schmeicheln.«
    »Wunderbar. Fahren wir fort: Damit keine Missverständnisse zwischen uns aufkommen, schlage ich ein diplomatisches Treffen auf neutralem Boden vor. Seine militärischen Belange halten König Gasam von der Teilnähme ab, aber ich, Königin Larissa, werde zum Zeichen seiner Aufrichtigkeit und seiner guten Absichten als Botschafterin in seinem Namen erscheinen. In zehn Tagen treffe ich auf der Insel der Tränen im Fluss Kol ein. Selbstverständlich ist mir bewusst, dass es zuviel erwartet wäre, Deine königliche Gegenwart bei einem so überraschend angesetzten Termin zu erwarten, aber ich bin bereit, die Gesandten zu empfangen, die Du in Deinem Namen entsendest, königlicher Bruder. So wird bis ans Ende aller Zeit Frieden und Eintracht zwischen unseren Völkern herrschen. Ungeduldig erwarte ich Deine baldige Antwort.« Wieder hielt sie inne und dachte eine Weile nach. »Mehr fällt mir nicht ein. Beende den Brief mit den üblichen Floskeln und schreibe ihn ins reine, ehe du ihn mir vorlegst. Ich kann die offizielle Sprache des Südens lesen und merke, wenn du meine Worte nicht getreu niedergeschrieben hast.«
    »Meine Königin, niemals würde ich deine Worte verändern!« widersprach der Mann erregt.
    »Hoffentlich nicht.« Larissa hatte erst als Erwachsene lesen gelernt, und sie hatte nicht viel Vertrauen in ihre Schreibkünste. Mit großer Erleichterung hörte sie, dass Mitglieder der königlichen Familie ihre Briefe von geübten Männern schreiben ließen.
    Sie erhob sich und schritt zum Ende der Plattform, um in die Tiefe zu schauen. Das Gerüst bestand aus schweren Balken, aber es schwankte leise knarrend im Wind. Rechts und links erhoben sich weitere Türme, die allerdings auf Rädern ruhten. Bei einem Angriff wurden sie von Nusks und Sklaven an die Stadtmauern geschoben.
    Lange Leitern lehnten an den Türmen, mit denen sich die Krieger Zugang zu den Wehrgängen der Stadt verschaffen würden. Larissa erschien diese Art des Kampfes selbstmörderisch, aber genau aus diesem Grund würde Gasam nur Soldaten minderwertiger Völker hinaufschicken. Die Inselkrieger hielt er bis zum Sturmangriff durch die Bresche zurück. Das offene Ende des Tunnels lag gut versteckt, und das ausgegrabene Erdreich wurde nachts fortgeschafft. Er wollte den Gang so lange wie möglich geheim halten.
    Larissa lehnte sich über die Brüstung und betrachtete das riesige Heer, das rings um die Stadt lagerte. Die Soldaten hoben lange Gräben aus, um einen Ausbruch der Verteidiger zu verhindern, obwohl etwas Derartiges als Unterbrechung der Langeweile höchst willkommen gewesen wäre. In den Gräben steckten angespitzte Pfähle aus Holz oder Bambus, dahinter erhoben sich Erdwälle.
    Die edlen Inselkrieger beteiligten sich nicht an diesen Arbeiten und wurden immer ruheloser. Nach den Anstrengungen des Marsches und den Aufregungen der Schlachten empfanden sie die Untätigkeit als unerträglich. Der König musste sie beschäftigen, und zwar schnellstens, dachte Larissa.
    Der Schreiber brachte ihr den vollendeten Brief, und sie studierte ihn eingehend, um den Sinn der Worte nicht inmitten der kunstvoll gemalten Buchstaben zu verlieren. Der Brief stimmte mit ihrem Diktat überein. Sie schickte einen Sklaven, um einen Boten zu holen. Kurz darauf sprang ein Mann mit gelbem Turban von seinem Cabo, band es am Fuße des Turmes an und eilte die Stufen empor. Er kniete nieder und reichte der Königin den für Botschaften bestimmten Behälter, eine Bronzeröhre mit kunstvollen Verzierungen aus Gold.
    Larissa öffnete die Röhre und verstaute die Schriftrolle. Der Schreiber verschloss den Behälter mit Wachs, und Larissa presste das königliche Siegel fest hinein.
    »Du wirst das Schreiben König Ach’na von Gran überbringen. Reite so schnell wie der Blitz.«
    »Wie meine Königin befiehlt.« Der Mann eilte die Stufen hinab, und Augenblicke später verhallten die Hufschläge des Cabos in der Ferne.

 
KAPITEL ZWÖLF
     
    U m zum Palast zu gelangen, mussten sie an Lady Yashas Anwesen vorbei bergauf reiten und zur gegenüberliegenden Seite des Berges. Das weitläufige Palastareal lag unterhalb des Tempels, der die ganze Stadt überragte. Zahlreiche Gebäude unterschiedlichster Größe und Bauweise wurden von einer zwanzig Fuß hohen Mauer umgeben.

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