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Brüder Des Zorns

Brüder Des Zorns

Titel: Brüder Des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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Gelangweilte Wachen in bunten Uniformen, die einem Volksfest alle Ehre gemacht hätten, schritten auf den Wehrgängen auf und ab.
    Ansa und Fyana folgten ihrem Führer durch einen Torbogen in einen gepflasterten Innenhof, in den eine Straße mündete, die leicht bergan zu einem prunkvollen Gebäude führte. Zu beiden Seiten der Straße wuchsen hohe Bäume, deren dunkelgrüne Blätter wie Spindeln zum Himmel zeigten. Exotische Vögel mit prachtvollem Gefieder und winzige Baummännchen hockten auf den Ästen. Am Fuße jedes Baumes stand eine große Schale mit Futter. Zwischen den Bäumen erstreckte sich ein großzügig angelegter Park voller zahmer Tiere. Zu seinem größten Erstaunen entdeckte Ansa ein Baummännchen, das die Größe eines erwachsenen Mannes hatte. Es sah nicht ungefährlich aus, als es sich auf alle viere fallen ließ und davoneilte.
    Am Palast angekommen, nahm ihnen ein Knecht die Cabos ab und bedeutete ihnen, durch das große Tor einzutreten. Die Wächter zu beiden Seiten der Tür schenkten ihnen keinerlei Beachtung, obwohl Ansa bewaffnet war. Ein bärtiger Mann mit hagerem Gesicht trat ihnen entgegen. Noch ehe er sprach, wusste Ansa, dass es Lord Klon sein musste. Auch ohne Maske sah der Mann aus, als trüge er sie noch.
    »Willkommen im Palast Seiner Majestät«, begrüßte sie Klon. »Ihr dürft euch als Ehrengäste betrachten.« Einer der Uniformierten, der neben einer weit geöffneten Tür stand, räusperte sich vernehmlich.
    »Ich werde gerade daran erinnert, dass du deine Waffen im Vorraum lassen musst«, sagte Klon. »So will es der Brauch, und außer bei anderen Königen dulden wir keine Ausnahmen.«
    Es war nicht angebracht, mit der Begründung zu widersprechen, dass sein Vater ebenfalls ein König war, dachte Ansa. Er legte das Schwert und den Dolch ab. Ohne die Waffen fühlte er sich fast nackt, hatte aber nichts anderes erwartet. Könige waren bekannt dafür, sehr wählerisch zu sein, wenn es darum ging, wer in ihrer Gegenwart Waffen tragen durfte.
    Außerdem war er nicht länger ein einfacher Krieger aus der Steppe, erinnerte sich Ansa. Er war ein wichtiger … was? Nur ungern bezeichnete er sich als Spion. Es klang unehrenhaft. Spione waren berufsmäßige Schnüffler, die Geheimnisse auskundschafteten und sie an jeden verkauften, der sie gut bezahlte.
    Nun, egal, als was man ihn jetzt bezeichnen mochte: Er war noch immer ein Krieger, und diese Aufgabe erforderte Aufmerksamkeit und Geschick. Sein Vater hatte immer wieder gesagt, dass kämpferische Fähigkeiten die geringsten Eigenschaften eines richtigen Mannes seien und Waffen nur Werkzeuge waren. Als Knabe hatte er geglaubt, es sei nur eine der vielen närrischen Bemerkungen seines Vaters. Jetzt leuchtete ihm der Sinn ein.
    Klon führte sie durch den Palast. »Die, äh, Person, zu der ich euch nun geleite, ist …«
    Fyana legte ihm die Hand auf den Arm. »Ich bitte um Vergebung, Lord Klon, aber mein Gefährte und ich stammen aus Ländern, in denen es weniger förmlich zugeht. Wir sind nicht an die Sitten und Gebräuche bei Hofe gewöhnt. Ganz besonders unbehaglich fühlen wir uns, wenn wir es mit umständlichen Ausführungen zu tun haben, die hier als schlicht und einfach gelten. Bitte halte uns nicht für dumm oder unwissend, nur weil es uns an höfischen Manieren mangelt.«
    »Werte Dame!« protestierte er. »Niemals würde ich auch nur im …«
    Abermals legte sie ihm die Hand auf den Arm. »Natürlich nicht. Ich möchte nur gewisse Dinge klarstellen. Uns ist bewusst, dass es sich bei dem Patienten um den König oder seinen Erben handelt. Selbstverständlich gehört die Gesundheit des Herrschers und seines Sohnes zu den Staatsgeheimnissen. Schließlich hängt die Erbfolge und die Regierung des Landes davon ab.«
    Ansa gefiel der verblüffte Gesichtsausdrucks des Mannes. Er bewunderte Fyanas schnelle Auffassungsgabe und ihre Selbstsicherheit, mit der sie sich als dem Adligen ebenbürtig ansah. Ansa wusste, dass diese Haltung sie ein wenig Überwindung kostete, da ihr die prunkvolle Umgebung ebenso neu war wie ihm. Während der Reise nach Gran und in den ersten Tagen ihres Aufenthaltes in der Stadt hatten sie viel über die vergangenen Könige gehört, von denen manche bereits zu Legenden geworden waren.
    Sie gingen zwischen zwei zylinderförmigen Aquarien hindurch, in denen Fische schwammen, deren Körper durch die gebogenen Wände seltsam verzerrt aussahen. Winzige Baummännchen mit goldschimmerndem Fell turnten überall umher.

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