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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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allein?«
    »Nein.«
    Woher hatte sie diesen Kosenamen? Annette hatte Danton im Verdacht. Etwas arg vertraut, fand sie – und nun fing auch Camille damit an. »Tu, was dir gesagt wird«, sagte sie.
    Lucile rührte sich nicht. Ich bin jetzt verheiratet, dachte sie, ich muss mich nicht mehr herumkommandieren lassen.
    »Dann bleib«, sagte Camille. »Ich wollte nur deine Gefühle schonen. Diesen Ausführungen zufolge bist du nicht die Tochter deines Vaters.«
    »Oh, sprechen Sie es nicht aus«, sagte Claude. »Verbrennen Sie das Ding.«
    »Du weißt, was Rousseau sagt.« Annette warf ihm einen strengen Blick zu. »›Verbrennen ist keine Antwort.‹«
    »Wessen Tochter bin ich denn?«, fragte Lucile. »Bin ich die Tochter meiner Mutter, oder bin ich ein Findelkind?«
    »Du bist entschieden die Tochter deiner Mutter, und dein Vater ist der Abbé Terray.«
    Lucile kicherte.
    »Lucile, ich bin mir nicht zu gut, dich zu ohrfeigen«, sagte ihre Mutter.
    »Weshalb das Geld für die Mitgift«, sagte Camille, »auch aus den Getreidespekulationen des Abbé in den Zeiten der Hungersnot stammt.«
    »Der Abbé hat nicht mit Getreide spekuliert.« Claude, hochrot im Gesicht, starrte Camille feindselig an.
    »Das behaupte ich auch nicht. Ich paraphrasiere nur den Artikel.«
    »Ja … natürlich.« Claude sah unglücklich weg.
    »Haben Sie Terray überhaupt jemals kennengelernt?«, fragte Camille seine Schwiegermutter.
    »Einmal, glaube ich. Wir haben vielleicht drei Worte gewechselt.«
    »Aber wissen Sie«, wandte sich Camille an Claude, »Terray hatte so einen gewissen Ruf, was Frauen betrifft.«
    »Dafür konnte er nichts.« Claude fuhr schon wieder auf. »Er wollte gar nicht Priester werden. Seine Familie hat ihn gezwungen.«
    »Beruhige dich doch«, sagte Annette.
    Claude lehnte sich vornüber, die Hände zwischen den Knien eingezwängt. »Terray war unsere beste Hoffnung. Er war fleißig. Er hatte Energie. Die Leute hatten Angst vor ihm.« Er brach ab, als würde ihm selbst eben erst bewusst, dass er seinem Credo zum ersten Mal seit Jahren etwas Neues hinzugefügt hatte, eine Coda.
    »Hatten Sie Angst vor ihm?«, erkundigte sich Camille, nicht auftrumpfend, einfach nur interessiert.
    Claude überlegte. »Es hätte passieren können.«
    »Ich habe sehr oft Angst vor Leuten«, sagte Camille. »Ein schreckliches Eingeständnis, nicht wahr?«
    »Vor wem zum Beispiel?«
    »Also, hauptsächlich habe ich Angst vor Fabre. Wenn er mich stottern hört, schüttelt er mich und zieht mich an den Haaren und schlägt mir den Kopf an die Wand.«
    »Annette«, sagte Claude, »es gab auch andere Imputationen. In anderen Zeitungen.« Er sah verdeckt auf Camille. »Es ist mir gelungen, sie aus meinem Gedächtnis zu verbannen.«
    Annette sagte nichts dazu. Camille schleuderte das Stadt- und Hofjournal quer durchs Zimmer. »Ich zeige sie an«, verkündete er.
    Claude blickte auf. »Sie tun was?«
    »Ich verklage sie wegen Verleumdung.«
    Claude erhob sich. »Sie verklagen sie«, sagte er. »Sie. Sie verklagen jemanden wegen Verleumdung.« Er verließ das Zimmer, und sie hörten ihn unter hohlem Gelächter die Treppe hinaufsteigen.
    FEBRUAR : Lucile richtete ihre Wohnung ein. Sie hatte rosenrote Seidenkissen bestellt; Camille überlegte laut, wie sie in ein paar Monaten aussehen würden, wenn genügend dreckstarrende Cordeliers sie plattgesessen hatten. Dafür beschränkte er sich auf einen stummen Fluch, als er ihre neue Serie von Kupferstichen über Leben und Tod der Maria Stuart sah. Er fand sie samt und sonders grauenhaft. Bothwell hatte so einen rücksichtslos-kriegerischen Blick in den Augen, der ihn an Antoine Saint-Just erinnerte. Kraftstrotzende Gefolgsleute in grotesk gemusterten Plaids schwenkten Pallasche; Edelmänner mit knubbeligen Knien unter den Schottenröcken halfen ihrer unseligen Königin in ein Ruderboot. Bei ihrer Hinrichtung trug Maria ein figurbetontes Kleid und sah aus wie knappe dreiundzwanzig. »Gottvoller Schwulst«, sagte Lucile, »findest du nicht?«
    Seit dem Umzug machte Camille seine Zeitung bei ihnen zu Hause. Tintenbekleckste Männer, aufbrausend und deftig im Ausdruck, stampften treppauf und treppab und stellten Lucile Fragen, als könnte sie die Antwort wissen. Unkorrigierte Druckfahnen hingen über Tischbeine herab. Vorladungszusteller hockten vor der Haustür, und manchmal vertrieben sie sich die Wartezeit mit Kartenspielen oder Würfeln. Es war genau wie bei den Dantons, die im selben Haus um die Ecke wohnten:

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