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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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gesagt? Sie ko operieren nicht mit den Leuten, Danton, Sie operieren bloß mit ihnen. Aber wie hätte er ahnen sollen, dass sich die Menschen ihm derart bereitwillig unterordneten? Es war eine ganz neue Entdeckung für ihn.
    »Diesmal bekommst du Verstärkung von mir«, sagte er zu Camille. »Fréron, ruf hundert Mann zusammen. Und bewaffnet sollten sie sein.«
    »Die Cordeliers schlafen mit ihren Piken unterm Kopfkissen!«
    Danton warf ihm einen irritierten Blick zu. Camille genierte sich immer ein wenig für Frérons Art, für seine falsche Jovialität, seinen verdächtigen Übereifer.
    »Piken«, murmelte Fabre. »Ich hoffe, er meint es im übertragenen Sinn. Ich schlafe nie mit meiner Pike unterm Kopfkissen. Ich besitze gar keine Pike.«
    »Meinst du, wir wollen die Jakobiner an ihren Bänken festspießen, Karnickel?«, fragte Camille.
    »Nennt es eine Demonstration der Entschlossenheit«, sagte Danton. »Keine Machtdemonstration. Wir wollen Robespierre ja nicht verschrecken. Aber, Karnickel« – Dantons Stimme rief ihn von der Tür zurück – »gib Camille eine Viertelstunde Zeit, sie zu überreden. Eine Anstandsfrist, ja?«
    Rings um ihn erhob sich Geschäftigkeit. Die Frauen standen auf, strichen mit verlorenem Blick und zusammengepressten Lippen ihre Röcke glatt. Gabrielles Augen suchten einen Moment lang die seinen. Wenn sie sich ängstigt, bekommt ihre Haut einen Gelbstich, ist ihm aufgefallen. Irgendwann hat er registriert – so wie man Regenwolken registriert oder die Uhrzeit –, dass er sie jetzt nicht liebt.
    Am Abend trieb die Nationalgarde die Pariser in ihre Häuser. Die Freiwilligenbataillone waren im Einsatz, aber auch viele von Lafayettes regulären Truppen. »Man macht sich so seine Gedanken«, sagte Danton. »Es gibt Patrioten unter den Soldaten, aber die alte Gewohnheit blinden Gehorsams ist zäh.« Und vielleicht, dachte er, müssen wir noch dankbar sein für diese alte Gewohnheit, wenn das restliche Europa uns den Krieg erklärt. Er versuchte den Gedanken wegzuschieben; noch war das nicht sein Problem. Er musste sich auf die nächsten vierundzwanzig Stunden konzentrieren.
    Gabrielle ging erst nach Mitternacht zu Bett. Sie konnte nicht einschlafen. Sie hörte Hufgetrappel auf der Straße. Sie hörte die Torglocke an der Cour du Commerce und die murmelnden Stimmen der Leute, die hinein- und herausgelassen wurden. Es mochte zwei Uhr sein, vielleicht schon halb drei, als sie den Kampf aufgab – sich aufsetzte, eine Kerze anzündete, hinübersah zu Georges’ Bett. Es war leer, unberührt. Die Hitze war immer noch drückend, ihr Nachthemd klebte auf der Haut. Sie stieg aus dem Bett, zog das Nachthemd aus, wusch sich mit Wasser, das kalt hätte sein sollen, aber lauwarm war. Sie suchte ein frisches Nachthemd hervor. Sie ging zu ihrer Frisierkommode, setzte sich hin und betupfte sich Schläfen und Hals mit Eau de Cologne. Ihre Brüste schmerzten. Sie flocht ihren schweren, dunklen Zopf auf, kämmte die welligen Haarmassen aus, flocht sie neu. Ihr Gesicht in dem Kerzenschein kam ihr hohl vor, düster. Sie trat ans Fenster. Nichts. Die Rue des Cordeliers lag leer. Sie schlüpfte in ihre Pantoffeln und ging hinaus in das dunkle Esszimmer. Sie stieß den Fensterladen auf. Von der Cour du Commerce fiel Licht herein. Hinter ihr schienen sich Schatten zu bewegen; überall in dem achteckigen Zimmer lagen Papiere verstreut, die sich nun in einer barmherzigen Nachtbrise ganz leise regten. Sie lehnte sich hinaus, hielt das Gesicht in den Luftzug. Zu sehen war niemand, aber sie hörte ein dumpfes Stoßen und Klappern. Ist das Guillaume Brunes Druckerpresse, dachte sie, oder die von Marat? Was machen sie so spät noch? Sie leben von Worten, dachte sie; sie brauchen keinen Schlaf.
    Sie zog den Laden wieder zu, tappte im Dunkeln zurück ins Schlafzimmer. Hinter der geschlossenen Tür zum Arbeitszimmer drang die Stimme ihres Mannes hervor. »Doch, ich verstehe, was Sie mir sagen wollen. Wir lassen unsere Muskeln spielen und Lafayette seine. Die Waffen hat er, nicht wir.«
    Jetzt sprach der andere Mann. Sie erkannte die Stimme nicht. »Es soll nur eine Warnung sein«, sagte er. »Gut gemeint. In bester Absicht.«
    Georges sagte: »Trotzdem, jetzt ist es drei. Ich werde mich nicht davonschleichen wie ein Schuldner am Quartalstag. Wir treffen uns hier, wenn es hell wird. Dann sehen wir weiter.«
    DREI UHR: François Robert überließ sich einem dumpfen Elendsgefühl. Für eine Gefängniszelle mochte es angehen

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