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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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er.
    Erstes Morgenlicht, Danton schlug ihm krachend auf die Schulter. »Braver Junge«, sagte er. »Keine Angst, wir sorgen für deine Frau. Und, François – die Cordeliers werden dir das nicht vergessen.«
    Bei Anbruch des Tages hatten sie sich in Dantons rot tapeziertem Arbeitszimmer getroffen. Die Dienstboten im Halbgeschoss rührten sich nicht. Die schlafen ihren Dienstbotenschlaf, dachte Gabrielle. Sie brachte den Männern Kaffee, vermied es, sie anzusehen. Danton schob Fabre ein Exemplar des Volksfreunds hin und tippte scharf mit dem Finger darauf. »Da steht – Gott weiß wie begründet oder unbegründet –, dass Lafayette vorhat, das Feuer auf das Volk zu eröffnen. ›Darum‹, schreibt Marat, ›habe ich vor, den General umbringen zu lassen.‹ Nun haben wir, rein zufällig natürlich, heute Nacht einen Hinweis erhalten –«
    »Kannst du es nicht noch verhindern?«, fragte Gabrielle. »Kannst du nicht dafür sorgen, dass erst gar nichts passiert?«
    »Und die Massen heimschicken? Zu spät. Die wollen sich amüsieren. Für die ist die Petition nur ein Teil davon. Und wer weiß, was Lafayette plant?«
    »Soll ich dann unsere Sachen packen, Georges? Es macht mir nichts aus, sag mir nur, was ich tun soll. Sag mir, woran ich bin.«
    Danton schaute ausweichend. Sein Instinkt sagte ihm, es wird schlecht ausgehen, also nichts wie weg. Verstohlen sah er umher, wer sich wohl als Sprachrohr seines Instinkts anbot. Fabre öffnete schon den Mund, als Camille sagte: »Weißt du, Danton, dass du vor zwei Jahren deine Tür abgeriegelt und dich hinter deinem Reederei-Prozess verschanzt hast – von mir aus. Aber jetzt liegen die Dinge anders.«
    Danton sah ihn an; wägte ab; nickte. Also warteten sie. Inzwischen war es heller Tag: ein weiterer Tag, der klar begann, um sich dann rasch zu gewittriger, lastender, kaum erträglicher Schwüle zu verdicken.
    DAS MARSFELD am Tag der Feierlichkeiten: eine Volksmenge im Sonntagsstaat. Frauen mit Sonnenschirmen, Hündchen an der Leine. Kinder, die sich mit klebrigen Fingern an die Röcke ihrer Mütter klammern; Leute, die Kokosnüsse gekauft haben und damit nichts anzufangen wissen. Plötzlich das Aufblitzen von Bajonetten, die Menschen packen sich bei den Händen, reißen Kinder vom Boden hoch, drängen und rufen in dem Geschiebe angstvoll nach ihren Familien. Ein Irrtum, es muss doch ein Irrtum sein! Die rote Fahne des Kriegsrechts wird entrollt. Aber was ist eine Fahne an einem Festtag? Dann das Krachen der ersten Salve. Und Flucht, stolpernd und strauchelnd, im Gras schauerliche Blüten aus Blut, Finger unter trampelnden Füßen, Knochen, die unter Hufen zersplittern. Binnen Minuten ist alles vorbei. Ein Exempel ist statuiert worden. Ein Soldat rutscht aus dem Sattel und erbricht sich.
    Gegen Mittag die Meldung: an die fünfzig Tote. Das ist die höchste Schätzung, aber ganz gleich, wie die korrekte Opferzahl lautet, scheint es unfassbar. Das Zimmer mit den roten Wänden wirkt plötzlich so klein, so eng. Vor der Tür liegt der Riegel, derselbe Riegel, der vor zwei Jahren vorgeschoben wurde; derselbe, der vorgeschoben wurde, als die Frauen nach Versailles zogen.
    »Um ganz offen zu sein«, sagte Danton, »hier sollten wir nicht bleiben. Wenn der Nationalgarde klar wird, was sie angerichtet hat, dann geht die Suche nach einem Sündenbock los. Wer bietet sich da mehr an als die Urheber der Petition? Und das«, schloss er bedeutungsschwer, »die Urheber der Petition, das sind wir.« Er blickte auf. »Hat jemand aus der Menge einen Schuss abgegeben? War das der Grund? Einfach Panik?«
    »Nein«, sagte Camille. »Ich glaube Marat. Ich glaube diesem Hinweis von dir. Die Sache war geplant.«
    Danton schüttelte den Kopf. Es konnte nicht sein. All ihr Wortedrechseln und Feilen an den Sätzen, all ihr Abfassen und Neuabfassen der Petition, all das Hin und Her mit den Jakobinern und der Versammlung – und dann so etwas: schnell, hirnlos, blutig. Er hatte den Fall per Anwaltstaktik zu gewinnen gedacht, Gewalt nicht ausgeschlossen, aber nur als Ultima ratio. Er war im Rahmen des Gesetzes geblieben, knapp zwar, aber immerhin. Er hatte erwartet, dass Lafayette und Bailly sich an die Regeln halten würden – dass sie die Menge zügeln, aber ansonsten gewähren lassen würden. Aber wie es schien, wurden die Regeln neu definiert; besser, man wappnete sich für das Schlimmste.
    Camille sagte: »Die Patrioten haben die Petition als Chance gesehen. Lafayette offenbar auch. Als Chance zu

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