Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety
fort.
»Er war ein Intimus von Mirabeau.« Das Gesicht des Königs war bar jeden Ausdrucks; Dumouriez wusste nicht, ob das für oder gegen den Mann sprach. »Und als Innenminister?«
»Das ist schwierig. Die wirklich fähigen Männer sitzen in der Versammlung, und Abgeordnete dürfen nicht Minister sein. Gewähren Sie mir einen Tag Aufschub, wenn Sie die Güte hätten.«
Der König nickte knapp. Dumouriez verneigte sich. »General …« Unköniglich klang es hinter ihm her. Der adrette kleine Mann machte auf dem Absatz kehrt. »Sie sind doch nicht gegen mich, oder?«
»Gegen Eure Majestät? Weil ich bei den Jakobinern verkehre?« Er versuchte Louis’ Blick einzufangen, aber der König fixierte einen Punkt irgendwo links von seinem Kopf. »Faktionen kommen und gehen. Die Tradition der Loyalität bleibt bestehen.«
»O ja«, sagte Louis zerstreut. »Wobei ich die Jakobiner nicht unbedingt als Faktion bezeichnen würde, eher als eine Macht … So wie wir früher die Kirche als Teil des Staates hatten, haben wir nun den Club. Dieser Robespierre – wo ist er beheimatet?«
»Im Artois, Sire, soviel ich weiß.«
»Nein, ich meine, von seiner Gesinnung her … Wo ist er anzusiedeln ?« Louis schob seinen plumpen Leib unruhig auf dem Sessel hin und her. Er war der jüngere von beiden, wirkte aber älter. »Sie zum Beispiel, Sie kann ich einordnen. Sie sind, was wir einen Abenteurer nennen würden. Und M. Brissot ist einer, der sich sämtlichen Ideen seiner Zeit verschreibt, einfach weil sie zeitgemäß sind. Und M. Danton kann ich einordnen – denn er ist einer dieser grobschlächtigen Demagogen, wie sie in den Geschichtsbüchern vorkommen. Aber M. Robespierre … Verstehen Sie, wenn ich nur wüsste, was der Mann will. Vielleicht könnte ich es ihm geben, und dann wäre der Spuk endlich vorbei.« Er sackte in sich zusammen. »Es ist alles so rätselhaft, finden Sie nicht auch?«
General Dumouriez verneigte sich abermals. Louis merkte es nicht, als er ging.
Einen Korridor weiter wartete Brissot auf seinen Lieblingsgeneral. »Sie haben Ihre Regierung«, verkündete ihm Dumouriez.
»Sie wirken bedrückt«, sagte Brissot scharf. »Ist etwas aus dem Ruder gelaufen?«
»Nein – nur die Epitheta, mit denen Seine Majestät mich belegt hat.«
»War er unverschämt? Das sollte er sich besser nicht erlauben.«
»Ich habe nicht gesagt, dass er unverschämt war.«
Ihre Blicke trafen sich, eine Sekunde lang nur. Sie trauten einander nicht, auch nicht im Ansatz. Dann berührte Dumouriez Brissot an der Schulter, spielerisch fast. »Ein jakobinisches Kabinett, mein lieber Brissot. Wäre vor kurzem noch undenkbar gewesen.«
»Und in der Kriegsfrage?«
»Habe ich ihn vorerst nicht weiter gedrängt. Aber ich glaube, für Kampfhandlungen binnen Monatsfrist kann ich bürgen.«
»Es muss Krieg geben. Die größte aller denkbaren Katastrophen wäre Frieden. Stimmen Sie mir da zu?«
Dumouriez drehte seinen Stock zwischen den Fingern. »Wie könnte ich nicht zustimmen? Ich bin Soldat. Ich muss an meine Karriere denken. Diese Vielzahl an Möglichkeiten …«
»Versuchen wir es«, sagte Vergniaud. »Der Hof würde schlottern vor Angst. Ein unwiderstehlicher Gedanke.«
»Robespierre!«, rief Brissot.
Robespierre blieb stehen. »Vergniaud«, sagte er. »Pétion. Brissot.« Mehr als ihre Namen schien er nicht sagen zu wollen.
»Wir hätten Ihnen einen Vorschlag zu machen.«
»Ich kenne Ihren Vorschlag. Er lautet Rückkehr in die Knechtschaft.«
Pétion hob beschwichtigend die Hand. Er war noch breiter und stämmiger geworden als in den Anfängen ihrer Bekanntschaft; sein Gesicht war glatt, gepolstert vom Erfolg.
»Verstricken wir uns doch nicht in die Kleinlichkeiten des Debattiersaals«, sagte Vergniaud. »Wir könnten privat ins Gespräch kommen.«
»Ich will keine privaten Gespräche.«
»Glauben Sie mir«, sagte Brissot, »glauben Sie mir, Robespierre, wir wünschten so sehr, Sie würden uns in der Kriegsfrage unterstützen. Dieses unerträgliche Wirrwarr unserer inneren Angelegenheiten …«
»Wozu wollen Sie gegen Österreich und England kämpfen, wenn Ihre Feinde hier sind, zu Hause?«
»Sie meinen dort?« Vergniaud nickte zu den Gemächern des Königs in den Tuilerien hinüber.
»Dort, ja – und überall um uns herum.«
»Unsere Freunde im Kabinett«, sagte Pétion, »werden uns helfen, mit ihnen fertigzuwerden.«
»Lassen Sie mich weitergehen.« Robespierre ließ die drei stehen.
»Sein Argwohn nimmt
Weitere Kostenlose Bücher