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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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nicht schnell genug gehen mit dem Hochzeitsfrühstück, und jetzt ist er plötzlich ein Nichts gegen diesen Haufen von Unholden da unten. Wir hätten dich daheimbehalten sollen, wir hätten dir diesen Umgang nie erlauben dürfen.«
    Mit gedämpfter Stimme erinnerte ihr Vater ihre Mutter daran, dass er dem Bürger Danton seinen Lebensunterhalt verdankte.
    Und jetzt war unten (sie rannte in einem fort treppauf und wieder treppab) Dr. Souberbielle dagewesen, um nach Gabrielle zu sehen, und die Hebamme war gekommen. Angélique Charpentier fing Louise an der Tür ab, scheuchte sie hinaus. »Schau, Kind, du denkst, du möchtest dabei sein, aber glaub mir, du täuschst dich.« Mme Charpentier wirkte zu diesem Zeitpunkt recht gefasst. »Es geht alles genauso voran, wie es soll. Ab ins Bett jetzt mit dir. Morgen früh ist dann ein niedliches Wickelkind da, mit dem du spielen kannst.«
    Also saß sie wieder oben. Kochend vor Empörung. Sie ist meine Freundin. Ich bin ihre wahre, ihre beste Freundin; was kann ich dafür, dass ich erst fünfzehn bin, mein Platz ist bei ihr, sie will mich, nicht die anderen. Wo wohl Bürger Danton heute Nacht ist, überlegte sie: wo und mit wem? Ich habe nicht so viele Illusionen, dachte sie, wie sie alle meinen.
    Um zehn Uhr steckte ihre Mutter den Kopf zur Tür herein. »Louise, kommst du bitte herunter? Mme Danton fragt nach dir.« Ihr Gesichtsausdruck ließ keinen Zweifel daran, dass sie es nicht gutheißen konnte.
    Sieg! Sie stolperte vor Hast über ihre eigenen Füße. »Was ist los?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte ihre Mutter. »Bist du vorbereitet?«
    »Natürlich.«
    »Ich warne dich, sie ist in keiner guten Verfassung. Die Wehen sind ins Stocken geraten. Sie hatte … ich weiß nicht … Krämpfe, eine Konvulsion. Es geht nicht so, wie es sollte.«
    Sie rannte vor ihrer Mutter her. Die Hebamme kam gerade aus dem Zimmer. »Sie wollen das Kind aber doch nicht zu ihr lassen?«, sagte sie. »Madame, ich kann es nicht verantworten, dass …«
    »Ich habe es ihr letzte Woche erst versprochen«, rief Louise erbittert. »Ich habe gesagt, dass ich bei ihr bleibe. Ich habe ihr gesagt, wenn ihr etwas zustößt, sorge ich für ihre Kinder.«
    »So, hast du das? Was bist du nur für eine kleine Närrin. Versprechungen machen, die du nicht halten kannst.« Ihre Mutter hob die Hand und versetzte ihr flink eine Kopfnuss.
    Um Mitternacht kehrte Louise nach oben zurück; Gabrielle hatte sie gebeten zu gehen. Sie streckte sich halb angezogen auf dem Bett aus, sah vor ihren Augenlidern die ernsten, verschlossenen Gesichter der Frauen. Lucile war dagewesen, ganz ohne ihre übliche Ironie; sie hatte auf dem Boden gekauert, immer noch in ihren Reitstiefeln, und Gabrielles kraftlose Hand in ihrer gehalten.
    Louise schlief ein. Möge Gott mir vergeben, dachte sie später, aber ich habe geschlafen, und alles Gewesene war wie aus meinem Gedächtnis gewischt, und ich habe geträumt, frohes, belangloses Zeug, das kein Mensch zu erfahren braucht. Die ersten Karren des Morgens weckten sie. Es war der 11. Februar. Im Haus war es still. Sie stand auf, wusch sich notdürftig, zog ihre Kleider wieder über. Sie öffnete die Tür zum Elternschlafzimmer, einen kleinen Spalt nur – sah ihren Vater schnarchen, sah, dass die Betthälfte ihrer Mutter unberührt war. Sie trank ein halbes Glas abgestandenes Wasser, flocht sich rasch die Zöpfe auf und kämmte ihr Haar. Dann lief sie hinunter. Auf dem Treppenabsatz kam ihr Mme Charpentier entgegen. »Madame –«, sagte sie.
    Angélique war in ihren Umhang gehüllt. Ihre Schultern waren hochgezogen, ihr Blick gesenkt. Sie drängte sich an Louise vorbei, sie schien sie überhaupt nicht wahrzunehmen. Ihr Gesicht war starr, streifig, zornig. Vor der obersten Stufe hielt sie inne. Sie drehte sich um. Erst sprach sie nicht – dann gab sie sich einen Ruck. »Wir haben sie verloren«, sagte sie. »Sie ist von uns gegangen. Mein kleines Mädchen hat uns verlassen.« Und sie ging hinaus, in den Regen.
    In der Wohnung hatte niemand die Öfen angezündet. Auf einem Schemel in der Ecke saß die Amme mit Lucile Desmoulins’ Sohn an der Brust. Sie sah auf, als Louise näherkam, und hielt die Hand schützend über das Gesicht des Kleinen. »Was gibt’s hier zu gaffen?«, fragte sie.
    Louise sagte: »Sagen Sie mir, was passiert ist.«
    Erst jetzt schien die Frau zu begreifen, dass sie Louise kannte. »Kommst du von oben?«, fragte sie. »Weißt du’s noch gar nicht? Heute morgen um

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