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Brüder und Schwestern

Brüder und Schwestern

Titel: Brüder und Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Meinhardt
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ich weiß es genau.«
    »Ja, weil ich für sie immer der Starke bin. Man muß stark sein, wenn es die anderen nicht sind, oder wenn sie, wie Britta, kleiner sind. … Jedenfalls, auf einmal kommst du, und du bist auch stark, das ist eine Freude für mich, denn ich bin mir sicher, auch mal schwach sein zu dürfen bei dir … aber was rede ich, ich will ja nicht schwach sein, ich bewerbe mich nicht darum, denk das bloß nicht, ich bin wie gesagt nur froh, mich im Notfall nicht verstellen zu müssen vor dir, denn das ist doch entwürdigend: sich vor der eigenen Frau verstellen zu müssen …«
    Catherine horchte, ob noch etwas kommen würde, aber Matti hatte zu Ende gesprochen.
    Erwartete er, sie werde auf all das, was er da vorgebracht hatte, irgendeine Antwort geben? Kaum. Es war ja einfach so aus ihm herausgebrochen. Und sie sagte auch nichts, sie begriff gerade, daß sie, auf unterschiedliche Weise, zwei Menschen einer Familie liebte, zwei besondere Menschen – aber daß diese Familie im ganzen höchst unglücklich war. Sie verscheuchte das Dunkle, das in diesem Gedanken lag, indem sie Matti erklärte, man sollte den Gulasch, um den er gewissermaßen einen weiten Bogen geschlagen habe, nun vielleicht doch langsam essen, denn »um es mal so zu sagen, besser wird der jetzt nicht mehr«.
    *
    Während sie ein paar der Riesaer Spiralnudeln, die es zu dem Fleisch gab, vertilgte, kam Catherine recht überraschend auf den Leichenschmaus zurück. Wenn nicht alles sie täusche, sei er ihr noch was schuldig seit dem.
    Matti legte die Stirn in Falten: nicht daß er wüßte.
    »Du solltest und wolltest mir vom Schiffahren erzählen.«
    »Ach, das meinst du! Aber das war doch damals nur vorgeschoben von dir, oder nicht? Manchmal, hast du nämlich gleich im nächsten Atemzug gesagt, ist es ja sowieso einerlei, was man redet, ich erinnere mich genau.«
    »Aber jetzt möchte ich es wirklich wissen. Jetzt sind wir«, sie führte Daumen und Zeigefinger so eng zusammen, daß vielleicht noch eine Spiralnudel dazwischengepaßt hätte, »doch schon ein winziges Stückchen weiter.«
    Da berichtete Matti ihr von den Materialien, die er transportierte, und von den Löchern, die er mit seinen Fuhren stopfen mußte, auch Peter Schott blieb nicht unerwähnt. Doch so aufmerksam Catherine ihm auch zuhörte, so schnöde und unpassend erschien ihm selber, was er da von sich gab – weil er Catherine ja viel lieber weiter entzücken wollte, jetzt mit funkelnden Worten; weil er in dieser Nacht partout nicht lassen konnte von ihr, wie sie da vor ihm saß in ihrem schwarzen Kleid mit nichts drunter. Matti mußte sie einfach noch umschwärmen, er mußte, also brach er mitten in seiner informativen Rede ab und fing eine ganz andere an: »Warst du zufällig mal in Niederfinow, am Schiffshebewerk? Nicht? Dann führe ich dich jetzt dorthin. Nimm an, es wäre gerade Frühling, zwei Monate später als jetzt. Du siehst den Koloß schon fünf oder sechs Kilometer, bevor du ihn erreichst, denn der Kanal, auf dem du tuckerst, läuft schnurgerade auf ihn zu. Links und rechts sind endlose Kiefernwälder, lauter rötliche Stämme, denn die Sonne sinkt, bald wird die Dämmerung beginnen. Auf den Ästen springen Eichhörnchen, die haben dieselbe Farbe wie das angestrahlte Holz. Als ob sie eben da rausgekrochen wären. Ist doch nebensächlich, magst du meinen, wozu erzähle ich das, wenn es mir ums Schiffshebewerk geht? Wegen des Kontrastes, hier die recht feine Natur, und da dieses Monstrum, das eigentlich zu groß ist für die Landschaft drumherum. Es paßt eher dahin, wo es die tiefsten Canyons und die rauschendsten Wasserfälle gibt. Und doch steht es bei Niederfinow. Nifi, heißt es in der Abkürzungssprache, die üblich ist in der Binnenschiffahrt, aber ich bin nicht imstande, den Ort so zu nennen, denn das zu tun, erscheint mir verniedlichend. Also respektlos. Letztlich unangemessen. Gerade weil ja die Wörter so lang und vielsilbig sind, wie dieses Ding groß ist, spreche ich sie immer voll aus: Nie-der-fi-now. Schiffs-he-be-werk. Gut, unterdessen sind wir dort angelangt und machen am Poller fest. Meistens treibt das Schiff noch etwas, daher spannt das Seil ganz straff, und ein lautes, ein ohrenbetäubendes Knarzen ertönt. So stellt man sich das Furzen eines Riesen vor. Nebenbei bemerkt sollte man aufpassen, daß nicht irgendein Körperteil zwischen Poller und Seil gerät. Ich habe mal mit eigenen Augen gesehen, wie ein Schiffer, der besonders lässig wirken

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