Brüllbeton - Kriminalroman
sie nicht so geschmackvoll geschminkt wie neulich im Büro, dennoch konnte Kroll ihr eine gewisse elegante Schönheit nicht absprechen.
Um die anfängliche Befangenheit zu überwinden, sagte Kroll in ruhigem Ton: »Ich wusste, dass Sie kommen würden, Frau Brandinger. Entschuldigen Sie bitte, dass ich mich etwas verspätet habe, aber ich wurde im Büro aufgehalten.« Er setzte sich ihr gegenüber und strich ihr flüchtig über den Handrücken, um sie zu beruhigen. »Erstens müssen Sie mir gegenüber Ihr Verhältnis zu Ihrem Freund nicht verbergen. Dass Sie beide ein Paar sind, weià ich bereits, und es ist allein Ihre Sache. Und zweitens brauchen Sie keine Angst zu haben. Dies ist ein rein privates Gespräch, kein Verhör. Wir nennen das einen âºkommunikativen Einsatzâ¹. Niemand beschuldigt Sie. Wie ich schon neulich sagte, glaube ich, dass wir uns gegenseitig helfen könnten.«
Der junge Mann saà die ganze Zeit über in sich zusammengesunken und starrte auf sein Colaglas. Bei Krolls letztem Satz warf er einen flüchtigen Seitenblick auf den Hauptkommissar. Welches Interesse konnte der denn haben, ihnen zu helfen?
Mirja schien inzwischen mehr Vertrauen gefasst zu haben. »Als Sie mich neulich mit dem Bild meiner Schwester überraschten, war mir sofort klar, dass wir uns in aller Ruhe aussprechen müssten.« Sie rückte näher an ihren Freund heran und legt ihre Hand auf seinen Unterarm. Der junge Mann richtete sich auf und schmiegte sich an sie.
»Sie können mich Mirja nennen, das bin ich gewöhnt, auch auf der Arbeit. Und das ist Kevin, Kevin Müller. Wir lieben uns. Und deswegen haben wir beschlossen, gemeinsam auch diese Angelegenheit durchzustehen.«
Kroll, der inzwischen eine Schachtel Zigaretten aus der Jackentasche gezogen hatte, schob verdutzt den Aschenbecher zur Seite, der vor ihm stand. »Jetzt ist es an mir, überrascht zu sein. Nicht nur, weil Sie mir sagen, dass das Bild Ihre Schwester zeigt. Auch, weil ich den Namen Müller höre.«
»Ja, das auf dem Bild ist meine Schwester Nadja«, antwortete Mirja. »Und Kevin ist der Sohn meines Chefs.«
Als die Bedienung kam, unterbrach sich Mirja sofort. Sie wollte nicht, dass ein Dritter zuhörte. Die beiden Touristen am Nachbartisch waren nach wie vor in ihre Reiseliteratur vertieft. Kroll bestellte sich eine Weinschorle.
»Dann fangen wir doch einfach mit dem jungen Mann an.« Kroll neigte sich zu ihm hin, aber Kevin signalisierte keine Gesprächsbereitschaft. »Darf ich fragen, was Sie so machen, beruflich, meine ich?«
Wieder keine Reaktion. Der Hauptkommissar betrachtete ihn etwas genauer. Kevins offene Jeansjacke gab auf dem T-Shirt Teile eines Symbols frei, das Kroll sofort erkannte, eine Grafik über das an einem Turm zerschellende Luftschiff Hindenburg . »Oh, wie ich sehe, scheinen wir beide den gleichen Musikgeschmack zu teilen. Led Zeppelin, wenn ich mich nicht irre.« Kroll kam ins Schwärmen. »Das berühmte Cover von ihrer ersten LP. Stairway to Heaven , mein Lieblingssong. Und der Bandname soll davon herrühren, dass Mick Jagger angeblich gesagt hat, eine Chaotenband wie diese würde abstürzen wie ein âºbleierner Zeppelinâ¹.«
Da kam Bewegung in die zusammengesackte Gestalt. Kevin richtete sich auf und blickte Kroll selbstbewusst ins Gesicht. »Falsch informiert, Herr Polizist. Das war Keith Moon, der Drummer von den âºWhoâ¹. Und auÃerdem ist Stairway to Heaven nicht auf der ersten, sondern auf der vierten LP.«
Kroll musste innerlich schmunzeln. Natürlich hatte er das alles schon vorher gewusst, aber immerhin reichte der kleine Trick, um den jungen Mann aus der Reserve zu locken. »Ach ja, jetzt, wo Sie das sagen, fällt es mir wieder ein. Ist nicht Dazed and Confused , diese geile Blues-Ballade, auf der ersten Scheibe?«
Kevin taute sichtlich auf. »Genau. Ich persönlich finde allerdings die 20-minütigen Liveaufnahmen besser. Da zeigt die Band, was sie an Improvisation drauf hat. Was Jimmy Page da mit seiner Gitarre veranstaltet, ist der echte Wahnsinn. Und dazu dieser unverwechselbare Gesang von Robert Plant, der so singt, als hätte er die Stahlsaiten einer Fender-Gitarre als Stimmbänder.«
Der Hauptkommissar nahm einen zweiten Anlauf, um das Gespräch auf eine persönliche Ebene zu bringen. »Machen Sie eigentlich auch selber
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