Brüllbeton - Kriminalroman
die rutschige Eisentreppe hinauf. FuÃspuren von den beiden Akteuren lieÃen sich in dem Regenmatsch nicht ausmachen.
Glücklich erklomm er die Oberburg. Aber auch hier war niemand zu sehen. Endlich erreichte er die untere Plattform, auf der sich das Drama abgespielt hatte. Der Boden sah deutlich zertrampelt aus, aber Kroll konnte keine Details ausmachen. Er näherte sich vorsichtig, um die wenigen Spuren nicht unnötig zu zerstören, dem dünnen Eisengeländer, das die Plattform mehr schlecht als recht sicherte.
Wieder stockte er.
Da leuchtete doch etwas bunt im schmutzigen Matsch!
Kroll war es, als schnüre ihm eine Schlinge den Hals zu. Das kenn ich doch â¦
Vorsichtig näherte er sich dem Gegenstand. Die Schmerzen in seinem verrenkten Knöchel vergaà er.
Ein gelb-rot gestreifter Schal!
Wenn das nicht â¦
Wie von Furien gejagt und ohne auf die Gefahr eines erneuten Ausrutschens achtend, stürzte er zum verbogenen Geländer auf der Nordseite der Plattform.
Er schaute den steilen Abhang hinunter und musste sich energisch festhalten, um nicht von der Tiefe verschlungen zu werden, damit die Teufelskralle nicht noch ein zweites Opfer forderte.
Richtig. Dort unten lag sie. Auf dem Rücken. In dem zeitlosen cremefarbenen Pradakleid, das jetzt an mehreren Stellen zerrissen schien. Die Arme weit ausgebreitet, als wollte sie ihm zuwinken, so wie die Sirenen den seefahrenden Odysseus lockten.
Ihr Schlüsselbein trat noch stärker hervor als neulich auf dem Landauer Rathausplatz, wirkte aber merkwürdig verbogen. Gebrochenes Rückgrat.
Mirja! Warum nur? Warum ausgerechnet du?
Wie in Trance nahm Kroll hinter sich ein schwaches Geräusch wahr, aber er konnte sich nicht von dem Anblick der Toten losreiÃen. Dann war wieder Stille. Nichts. Nicht einmal die Vögel raschelten in den Zweigen der Bäume. Irgendwo weit entfernt brummte ein Motorrad auf. Dann wieder diese beklemmende Stille. Kroll stand eine lange Zeit starr und war unfähig, sich zu rühren, als wolle er die Ruhe der toten Frau nicht stören.
Irgendwann näherte sich ein Auto und bog auf den Zufahrtsweg zur Drachenfelshütte ein. Jemand hupte. Kroll erwachte wie aus einem Albtraum. Langsam begriff er, dass das die versprochene Polizei sein mussten. Er winkte. So verzweifelt, dass die Polizisten merkten, hier war etwas Schreckliches geschehen.
*
Eine halbe Stunde später erschien Arnsberg mit der Spurensicherung. Viel konnte sie nicht ausrichten, aber aufgrund der wenigen verwertbaren FuÃspuren auf dem regennassen Sandstein nahm man an, dass es sich neben dem Opfer um zwei weitere Personen gehandelt haben musste. Wie und wohin sie sich verdrückt hatten, war nicht mehr auszumachen. Sein verloren gegangene Handy wurde Gott sei Dank schnell gefunden. Die Täter mussten es übersehen haben.
Arnsberg wollte Kroll, der ihm inzwischen jede Einzelheit seines neuerlichen Abenteuers berichtet hatte, zurück ins Hotel bringen lassen, doch der lehnte ab. »Ich will erst abwarten, was die Jungs von der Spurensicherung herausfinden. Wenigstens das bin ich der armen Mirja schuldig.«
Kaum hatte er sich im Polizeiauto ein wenig aufgewärmt, kam Arnsberg mit einem Kollegen zurück.
»Hier, das ist Herr Doktor Groth, ein Spezialist vom BKA, der diese Woche zufällig bei uns in Landau ist und Vorträge über neue forensische Methoden bei der Bestimmung des Tathergangs hält. Er hat eine interessante Beobachtung gemacht, die uns bestimmt von Nutzen sein wird.«
»Bitte übertreiben Sie nicht«, ergriff der Spezialist das Wort. »Ich kann hier und heute nur äuÃerst vage Vermutungen anstellen. Erst nach der Obduktion lässt sich Genaueres sagen. Aber eines habe ich schon hier vor Ort mit den dürftigen Mitteln, die mir zur Verfügung stehen, festgestellt.«
Er machte eine kleine Kunstpause, wie um seine Gesprächspartner auf die Folter zu spannen. Und das gelang ihm auch. Gebannt hingen sie an seinen Lippen.
»Mit recht hoher Wahrscheinlichkeit kann ich behaupten, dass die Frau schon tot war, als sie vom Felsen stürzte.«
Kroll verschlug es den Atem. »Aber ich habe doch genau gesehen, wie die beiden miteinander gerungen haben. Das war sicher keine Einbildung, kein billiger Spielfilmtrick!«
»Was Sie gesehen haben, möchte ich auch überhaupt nicht in Zweifel ziehen. Ich sage nur, was ich mit den Mitteln der forensischen
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