Brüllbeton - Kriminalroman
Sie mich jetzt entschuldigen würden.«
*
Alfred freute sich auf seinen Feierabend, denn er hatte vor, nach Birkenhördt zum Krimidinner zu fahren. Das war für ihn schon immer ein Highlight, eine willkommene Abwechslung von seinem Alltag als Portier in dem Leinsweiler Viersternehotel. Und es vereinte gleich beide seiner Hobbys: gut essen und Detektiv spielen. Denn da gab es ein exquisites Fünfgängemenü, in das Lesungen aus einem aktuellen Kriminalroman eingebettet waren. Alfred liebte das Kriminalisieren über alles.
Er wollte nur noch die Lounge aufräumen, die sich gleich neben der Rezeption befand. In einer Ecke hatten sich Illustrierte und abgelegte Tageszeitungen gestapelt. Es wird Zeit, die zu entsorgen, nahm er sich vor. Als sein Blick auf die Schlagzeile des obersten Blattes fiel, stutzte er.
» Tödlicher Sturz vom Drachenfels . Wie die Landauer Polizei erst jetzt mitteilte, ereignete sich am vergangenen Dienstag ein tragischer Unfall auf der Ruine Drachenfels bei Busenberg. Die Touristin Mirja B. aus Lübeck/Schleswig-Holstein ist bei ihrem Versuch, den steilen Sandsteinfelsen bei regnerischem Wetter zu erklettern, ausgerutscht und über das primitive Eisengeländer in die Tiefe gestürzt. Sie konnte nur noch tot geborgen werden. Dieser Vorfall hat erneut die Diskussion um eine bessere Sicherung unserer historischen Kulturgüter angeheizt. Der zuständige Bürgermeister lehnte jegliche â¦Â«
Das Weitere interessierte Alfred nicht. Er betrachtete das Foto, das den Unfallort zeigte, genauer. Die Polizei hatte die untere Plattform mit einem Absperrband umgrenzt. Das fragliche Geländer war ganz leicht verbogen. Ein gelb-rot gestreifter Schal lag davor, hervorgehoben durch eine Markierung der Spurensicherung, einem gelben Schild mit einer Zahl.
Alfred kannte den Drachenfels. Er wusste, dass es an dieser Stelle steil hinabging. Doch dass da jemand bei regnerischem Wetter so nahe an die Kante trat, ausrutschte und zu Tode stürzte, das hielt er für sehr unwahrscheinlich. So leichtsinnig konnte kein Mensch sein. Es wird sich wohl eher um einen Suizid gehandelt haben, überlegte Alfred.
Oder um Mord. In dem Portier erwachte seine Leidenschaft, Privatdetektiv zu spielen. Dieser Schal kam ihm bekannt vor. Richtig, jetzt erinnerte er sich. Das musste wenige Tage vor dem besagten Dienstag gewesen sein. Er hatte in Landau Einkäufe erledigt, als ihm eine Dame mit gelb-rot gestreiftem Schal auffiel, die gerade aus einer Boutique kam und Richtung Rathausplatz schlenderte. Die schlichte Eleganz und die auffällige Schönheit der Frau gefielen ihm. Was ihm weniger gefiel, war der finstere Typ mit der Schiebermütze, der ihr offensichtlich heimlich folgte. Alfred kannte das aus den Fernsehkrimis.
Instinktiv zückte er sein Smartphone und schoss ein paar Fotos von den beiden. Dann machte er sich an den Schiebermützentyp heran. Der bemerkte ihn nicht, weil er gerade mit seinem eigenen Handy beschäftigt war. Alfred überholte ihn. Dabei bekam er ein paar Worte mit, die der Kerl ins Handy sprach.
»Chef, ich weià jetzt, wo sie logiert. Soll ich ihr weiter auf den Fersen bleiben?«
Den Rest bekam Alfred nicht mit. Sie hatten inzwischen den Rathausplatz erreicht. Um nicht aufzufallen, betrat Alfred den nächstbesten Laden und lieà den Mann vorbeigehen. Der hatte jetzt sein Handy wieder eingesteckt, schlug jedoch einen anderen Weg als die Frau ein. Wahrscheinlich hat er von seinem Chef eine neue Anweisung bekommen, schlussfolgerte Alfred.
Der Portier überlegte kurz, wem er weiter auf den Fersen bleiben sollte. Er entschied sich für den Schiebermützentyp. Der steuerte eine kleine Pension am Westring an und verschwand in einem dunklen Durchgang. Alfred kannte die Pension. Ein alter Bekannter von der Hotelfachschule arbeitete dort am Empfang.
Alfred wartete eine gute halbe Stunde, dann trat der Verdächtige wieder auf die StraÃe. Er hatte sich umgezogen, sah jetzt viel seriöser aus, fast wie ein Handlungsreisender. Statt der Schiebermütze trug er nun einen gediegenen Herrenhut aus schwarzem Filz. Eine stark getönte Hornbrille verdeckte seine Augen. Alfred wartete, bis der Kerl um die Ecke verschwunden war, dann stattete er der Pension einen Besuch ab.
Das Zimmer des Gastes durfte er nicht betreten, dafür hatte er als Profi Verständnis. Immerhin berichtete der Kollege, dass sein Gast Besuch von einem
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