Brüllbeton - Kriminalroman
»ân Toter isâ âne Nummer zu groà für mich. Das muss ich melden, das bin ich dem lieben Gott schuldig!«
Harry zog sich eilig zurück und lief den befestigten Weg zurück zur Anlegestelle der Priwallfähre. Ganz aufgeregt stürmte er in die kleine Kneipe neben dem Pier.
»Mann, da isâ âne Leiche oben in dem letzten Bungalow in der Vorderreihe!«, rief er, kaum hatte er den von Zigarettenrauch verqualmten Raum betreten. Dort saÃen der Wirt und ein Gast zusammen bei einem Bier. Der Gast blickte Harry nur verächtlich an. Wohl zu viel gesoffen, dachte er. Aber der Wirt kannte Harry. Der war zwar kein gern gesehener Kunde, dafür waren zu viele Striche auf seiner Rechnung. Aber Harry war immerhin ein anständiger Kerl, wusste der Wirt. Kein Spinner.
»Erzähl!«, forderte er Harry auf.
Der Vagabund berichtete von seinen Beobachtungen, tat aber so, als hätte er in dem Bungalow nur nach dem Rechten sehen wollen. Der Wirt ahnte zwar, dass eher eine Schnapsflasche als der Ordnungssinn Harry auf den Priwall geführt hatte, doch er sagte nichts. Er ging ans Telefon und rief die Polizei an.
*
Als Kriminalhauptkommissar Kroll in dem Ferienbungalow auf dem Priwall eintraf, war sein Assistent Hopfinger bereits mit der Spurensicherung bei der Arbeit.
»Also Chef, die ersten Fakten stehen bereits fest. Bei der Leiche handelt es sich um Beton-Müller. Das hier ist sein Feriendomizil. Den Hausschlüssel fanden wir in seiner Jackentasche. AuÃerdem steckte dort die aufgebrauchte Packung eines starken Mittels gegen Herzinsuffizienz namens Corasanol plus . Dem ersten Augenschein nach muss der Mann seit etwa 24 Stunden tot sein. Anzeichen von äuÃerer Gewaltanwendung haben wir bisher nicht feststellen können.«
Hopfinger bemerkte, dass sich Kroll für die weiÃen Kapseln interessierte, die teilweise aus Müllers weit aufgerissenem Mund herausquollen. »Bei dem Zeugs handelt es sich höchstwahrscheinlich um eine Droge oder eine Dopingsubstanz. Genaueres muss die Obduktion ergeben.«
»Gute Arbeit, Hopfinger«, lobte ihn Kroll. »Wie es aussieht, wird Müller das ja wohl nicht freiwillig geschluckt haben. Also muss zum Zeitpunkt des Todes noch jemand hier gewesen sein. Gibt es dafür schon Anhaltspunkte?«
»Zunächst einmal muss festgehalten werden, dass es keinen gewaltsamen Einbruch ins Haus gegeben hat. Offenbar hat Müller den oder die Personen selber hereingelassen. Es spricht einiges dafür, dass er sie kannte, denn Vertreter oder Klingelputzer meiden abgelegenene Feriensiedlungen wie diese ...«
Hopfinger bückte sich und zeigte auf Müllers FüÃe. »Den Kollegen von der Spurensicherung ist ein wichtiger Fakt aufgefallen. Ãberall im Eingangsbereich und hier im Wohnzimmer befinden sich geringfügige Ablagerungen von Sand, der wohl vom Strand herrührt. Das wäre an sich nichts Ungewöhnliches, denn den trägt jeder von uns sofort mit seinen Schuhen ins Haus. Das Komische ist, dass wir unter Müllers Schuhsohlen nicht den geringsten Sandkrümel dieser Art gefunden haben.«
Der Assistent richtete sich mit wichtigtuerischer Miene wieder auf. »Da der Mensch ja nun mal nicht fliegen kann, gibt es eigentlich nur noch die Erklärung, dass ihn jemand in den Sessel getragen haben muss.«
»Oder aber,« ergänzte Kroll, »dass er die Schuhe vor seinem Tod wechselte, beziehungsweise jemand sie ihm ausgezogen und durch saubere ersetzt hat.« Hopfinger blickte seinen Chef verwundert an. Doch der fuhr ungerührt fort: »Wie dem auch sei. Das ist ein weiteres Indiz, dass Verdinand B. Müller nicht allein verstorben ist.«
Kroll fischte sich vorsichtig eine der weiÃen Kapseln, die auf Müllers Schoà gefallen waren, und roch daran. »Bevor wir weiter spekulieren, sollten wir wissen, um was es sich da handelt. Wenn das der gleiche Dopingstoff ist, an dem die Tote unter dem Brüllbeton verstorben ist, und das liegt nach all dem nahe, was wir über Müller wissen, dann muss eine solch massive Einnahme von Kapseln mit Sicherheit tödlich gewirkt haben. Jedenfalls können wir in unseren Ermittlungen weder einen Suizid noch einen Mord ausschlieÃen.«
Inzwischen war auch der Gerichtsmediziner eingetroffen. Nach seinen ersten Untersuchungen kam er zu dem Urteil: »Ohne den Ergebnissen der Obduktion vorzugreifen, steht für mich fest, dass der
Weitere Kostenlose Bücher