Brunetti 03 - Venezianische Scharade
statt dessen: »Was ist mit den Schuhen?«
»Da hatten wir leider kein Glück. Haben Sie mit Gallo gesprochen?«
»Er ist immer noch in Mailand, aber ich bin sicher, daß Scarpa mich angerufen hätte, wenn sie irgend etwas erfahren hätten. Wie weit sind die Leute von der Finanza?«
Vianello zuckte die Achseln. »Sie sind seit heute morgen da drin.«
»Wissen die, wonach sie suchen sollen?« fragte Brunetti, der die Ungeduld in seinem Ton nicht unterdrücken konnte.
»Nach irgendeinem Hinweis darauf, wer das Ganze bearbeitet hat, denke ich.«
»Würden Sie mal runtergehen und fragen, ob sie etwas gefunden haben? Falls Ravanello damit zu tun hat, möchte ich ihn mir so bald wie möglich vornehmen.«
»Ja, Commissario«, sagte Vianello und ging.
Während er auf Vianellos Rückkehr wartete, krempelte Brunetti die Ärmel seines Hemdes hoch, aber eher um etwas zu tun zu haben, als in der Hoffnung, sich damit Kühlung zu verschaffen.
Als Vianello kam, stand ihm die Antwort ins Gesicht geschrieben. »Ich habe mit dem Capitano gesprochen. Er sagt, soweit sie es bisher überblicken können, sieht es nach Mascari aus.«
»Was soll das heißen?« blaffte Brunetti.
»So ist es mir gesagt worden«, antwortete Vianello sehr langsam und mit betont unbewegter Stimme und fügte nach einer langen Pause hinzu: »Commissario.« Ein paar Sekunden schwiegen beide. »Wenn Sie selbst mit ihnen sprechen würden, bekämen Sie vielleicht einen klareren Eindruck, was es heißen soll.«
Brunetti wandte den Blick ab und rollte seine Ärmel herunter. »Gehen wir zusammen runter, Vianello.« Das war das Äußerste, was er sich als Entschuldigung abringen konnte, aber Vianello schien es zufrieden. Angesichts der Hitze im Zimmer konnte er wahrscheinlich nicht mehr erwarten.
Unten ging Brunetti in das Büro, in dem die drei Männer in den grauen Uniformen der Guardia di Finanza arbeiteten. Sie saßen an einem langen Tisch voller Ordner und Papiere. Zwei kleine Taschenrechner und ein Laptop standen darauf, und über jedes der Geräte beugte sich einer der Männer. Als Zugeständnis an die Hitze hatten sie ihre wollenen Jacketts abgelegt, trugen aber noch die Krawatten.
Der Mann am Computer blickte auf, als Brunetti hereinkam, spähte kurz über seine Brille und sah dann wieder auf seinen Bildschirm, bevor er weitere Informationen in die Tastatur hämmerte. Er schaute erneut auf den Bildschirm, warf einen kurzen Blick auf das Blatt neben seiner Tastatur, drückte einige Tasten und betrachtete wieder den Bildschirm. Dann nahm er das Blatt rechts von seinem Computer, legte es umgekehrt auf die linke Seite und begann, die Zahlen auf dem nächsten Blatt zu lesen.
»Wer hat hier das Sagen?« fragte Brunetti.
Ein kleiner, rothaariger Mann blickte von einem der Taschenrechner hoch und sagte: »Ich. Sind Sie Commissario Brunetti?«
»Ja«, antwortete Brunetti, ging zu ihm hin und streckte die Hand aus.
»Capitano de Luca«, sagte der andere, und dann weniger formell, indem er Brunettis Hand ergriff: »Beniamino.« Er deutete auf die Papiere. »Sie wollten wissen, wer das alles bei der Bank bearbeitet hat?«
»Ja.«
»Im Moment sieht es so aus, als wäre es jemand namens Mascari gewesen. Seine Kennziffer erscheint bei allen Transaktionen, und auf vielen dieser Papiere stehen offenbar seine Initialen.«
»Könnte das gefälscht sein?«
»Wie meinen Sie das, Commissario?«
»Ob jemand diese Dokumente verändert haben könnte, damit es aussieht, als hätte Mascari sie bearbeitet.«
De Luca überlegte lange, bevor er antwortete: »Ich nehme es an. Wenn derjenige ein oder zwei Tage Zeit hatte, an den Unterlagen zu arbeiten, könnte er es geschafft haben.« Er grübelte noch ein Weilchen, als rechnete er eine mathematische Formel im Kopf aus. »Ja, doch, jeder hätte das machen können, vorausgesetzt, er kannte die Kennziffer.«
»Wie geheim sind solche Kennziffern bei einer Bank?«
»Ich könnte mir vorstellen, daß sie gar nicht geheim sind. Die Leute müssen doch dauernd gegenseitig ihre Konten überprüfen, und dazu brauchen sie die Kennziffern. Ich würde sagen, daß es ganz einfach ist.«
»Und wie steht es mit den Initialen auf den Quittungen?«
»Leichter zu fälschen als eine Unterschrift«, sagte de Luca.
»Könnte man irgendwie beweisen, daß es jemand anderes getan hat?«
Wieder überlegte de Luca lange, bevor er antwortete. »Bei den Computereingaben gar nicht. Bei den Initialen könnte man vielleicht nachweisen, daß sie
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