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Brunetti 03 - Venezianische Scharade

Brunetti 03 - Venezianische Scharade

Titel: Brunetti 03 - Venezianische Scharade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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gefälscht sind, aber die meisten Leute kritzeln sie einfach so hin; oft ist es schwer, sie auseinanderzuhalten oder sogar die eigenen zu erkennen.«
    »Könnte man es so darstellen, daß an den Unterlagen etwas verändert wurde?«
    De Lucas Blick war so klar wie seine Antwort. »Darstellen könnte man es schon so, Commissario, aber vor Gericht sollten Sie das lieber nicht versuchen.«
    »Mascari war also verantwortlich?«
    Diesmal zögerte de Luca. »Nein, das würde ich nicht sagen. Es sieht so aus, aber es ist durchaus möglich, daß die Unterlagen manipuliert wurden, um diesen Eindruck zu erwecken.«
    »Und die anderen Dinge, das Auswahlverfahren für die Wohnungen?«
    »Oh, es ist eindeutig, daß bei der Wohnungsvergabe andere Gründe als die Bedürftigkeit eine Rolle spielten, und die Vergabe des Geldes hatte oft mit Armut nicht viel zu tun.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Was die Anwärter für eine Wohnung anbelangt, haben wir die Bewerbungsschreiben ja alle hier, unterteilt in zwei Gruppen, solche, die etwas bekommen haben, und solche, die abgelehnt wurden.« De Luca hielt inne. »Nein, ich gehe zu weit. Eine Anzahl von Wohnungen, eine große Anzahl, wurde an Leute vergeben, die offenbar wirklich bedürftig sind, aber fast ein Viertel der Bewerbungen kommt von Leuten, die nicht einmal Venezianer sind.«
    »Von denen, die Wohnungen bekommen haben?« fragte Brunetti.
    »Ja. Und Ihre Leute haben die Liste der Mieter noch nicht einmal ganz überprüft.«
    Brunetti sah zu Vianello hinüber, der erklärte: »Sie haben etwa die Hälfte nachgeprüft, und es sieht aus, als ob viele Wohnungen an junge Leute vergeben wurden, die allein leben. Und nachts arbeiten.«
    Brunetti nickte. »Vianello, sobald Sie über jeden auf beiden Listen einen vollständigen Bericht haben, geben Sie ihn mir.«
    »Das dauert mindestens noch zwei Tage, Commissario«, sagte Vianello.
    »Ich fürchte, es hat keine Eile mehr«, sagte Brunetti, dankte de Luca für die Hilfe und ging wieder hinauf in sein Büro.
    Es war perfekt, überlegte er, so perfekt, wie man so etwas nur machen konnte. Ravanello hatte sein Wochenende für einen guten Zweck geopfert, und aus den Unterlagen ging jetzt hervor, daß Mascari die Konten der Lega verwaltet hatte. Wie ließ sich der Verbleib der vielen Millionen zweckentfremdeter Lega -Gelder besser erklären, als daß sie bei Mascari und seinen Transvestiten gelandet waren. Wer wußte schon, was er alles angestellt hatte, wenn er für die Bank auf Reisen war, welche Orgien er abgehalten, welche Vermögen er verschleudert hatte, dieser Mann, der zu sparsam war, ein Ferngespräch mit seiner Frau zu führen? Und Malfatti war weit weg von Venedig und würde sich so schnell nicht wieder blicken lassen, da war Brunetti ganz sicher, ebenso wie er nicht daran zweifelte, daß Malfatti als derjenige wiedererkannt werden würde, der die Mieten kassiert und dafür gesorgt hatte, daß ein gewisser Prozentsatz von den Schecks wieder an ihn zurückfloß, als Bedingung dafür, daß sie überhaupt ausgestellt wurden. Und Ravanello? Er würde sich als der gute Freund hinstellen, der aus falschverstandener Loyalität Mascaris sündiges Geheimnis nicht verraten hatte, nicht ahnend, auf welche finanziellen Ungeheuerlichkeiten sein Freund sich eingelassen hatte, um seine unnatürlichen Lüste zu bezahlen. Santomauro? Zweifellos würde er einigen Spott ernten, wenn herauskam, welch leichtgläubiges Werkzeug seines Bankerfreundes Mascari er gewesen war, aber früher oder später würde die öffentliche Meinung ihn zwangsläufig als den selbstlosen Bürger sehen, dessen Vertrauensseligkeit durch die Doppelzüngigkeit getäuscht worden war, zu der Mascari von seinen widernatürlichen Lüsten getrieben wurde. Perfekt, absolut perfekt, und nicht die kleinste Lücke, in der Brunetti die Wahrheit unterbringen konnte.

26
    I n dieser Nacht bot Tacitus' hehrer Moralismus Brunetti keinen Trost, noch verhalf Messalinas und Agrippinas gewaltsames Ende der Gerechtigkeit zum Sieg. Er las den grausamen Bericht ihres vielfach verdienten Todes, konnte sich aber der Erkenntnis nicht entziehen, daß die Übel, die von diesen boshaften Frauen in die Welt gesetzt waren, sie lange überlebt hatten. Schließlich, als es schon zwei Uhr vorbei war, zwang er sich, das Buch wegzulegen, und verbrachte den Rest der Nacht in unruhigem Schlaf, immer wieder gestört durch Gedanken an Mascari, diesen aufrechten Mann, vorzeitig aus dem Leben gerissen, sein Tod noch

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