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Brunetti 04 - Vendetta

Brunetti 04 - Vendetta

Titel: Brunetti 04 - Vendetta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Mädchen mit den Katzen ist zu ihr gegangen?«
    »Klar. Ihr Vater ist Richter, da hat es Signora Trevisan nichts ausgemacht, daß sie roch.« Brunetti konnte nur staunen, wie klar Chiara die Welt sah. Er hatte zwar keine Ahnung, welche Richtung seine Tochter einmal einschlagen würde, aber sie würde weit kommen, daran zweifelte er nicht.
    »Wie ist sie denn so, diese Signora Trevisan?« fragte Paola, dann warf sie ihrem Mann einen kurzen Blick zu. Brunetti nickte. Sehr geschickt gemacht. Er zog sich einen Stuhl hervor und setzte sich stumm an den Tisch.
    »Mamma, warum läßt du diese Fragen nicht papà stellen, wo er es doch ist, der das alles wissen will?« Ohne auf die Lüge ihrer Mutter zu warten, ging Chiara durch die Küche und kuschelte sich auf Brunettis Schoß, wobei sie die inzwischen vergessenen oder vergebenen Weinflaschen vor ihn auf den Tisch stellte. »Was möchtest du denn über sie wissen, papà?«
    Wenigstens hatte sie ihn nicht commissario genannt. »Alles, was dir einfällt, Chiara«, antwortete er. »Vielleicht könntest du mir erklären, warum jeder, der mit ihr spielen wollte, zu ihr nach Hause mußte.«
    »Francesca wußte es selber nicht genau, aber einmal, vor fünf Jahren oder so, hat sie gemeint, ihre Eltern hätten vielleicht Angst, daß sie entführt werden könnte.« Noch ehe Brunetti oder Paola zu dieser absurden Behauptung etwas sagen konnten, fuhr Chiara fort: »Ich weiß, das ist dumm, aber so hat sie es gesagt. Vielleicht hat sie es ja nur erfunden, um sich wichtig zu machen. Aber es hat sie sowieso keiner ernst genommen, und irgendwann hat sie dann damit aufgehört.« Sie wandte ihre Aufmerksamkeit Paola zu und fragte: »Wann essen wir eigentlich, mamma? Ich bin schon fast verhungert, und wenn ich nicht bald was zu essen bekomme, werde ich ohnmächtig.« Sprach's und ließ dem Wort die Tat folgen, sackte in sich zusammen und drohte zu Boden zu rutschen, nur um sich von Brunetti retten zu lassen, der instinktiv die Arme um sie schlang und sie wieder zu sich heraufzog.
    »Schauspielerin«, raunte er ihr ins Ohr und begann sie zu kitzeln, wobei er sie mit einem Arm festhielt und mit der anderen Hand auf ihren Rippen Klavier spielte.
    Chiara quietschte und fuchtelte mit den Armen, atemlos vor Schrecken und Vergnügen. »Nicht, papà! Laß mich los. Laß mich... « Der Rest ging in kreischendem Lachen unter.
    Bis zum Essen war wieder einigermaßen Ruhe eingekehrt. In stillschweigender Übereinkunft fragten die Erwachsenen nicht weiter nach Signora Trevisan oder deren Tochter. Während des Essens zuckte Brunettis Hand, sehr zu Paolas Mißfallen, immer wieder nach Chiara, die wie üblich neben ihm saß. Jede dieser Bewegungen entfesselte neue angstvoll-vergnügte Lachsalven, und Paola wünschte sich die Autorität, einen Commissario der Polizei ohne Mittagessen in sein Zimmer schicken zu können.

9
    Ein wohlgesättigter Brunetti verließ unmittelbar nach dem Mittagessen das Haus und ging zur Questura zurück, trank nur unterwegs noch rasch einen Kaffee, um die Schläfrigkeit zu vertreiben, die ihn nach dem guten Essen und der anhaltenden Wärme des Tages überkommen hatte. In seinem Büro zog er den Mantel aus, hängte ihn auf und ging an seinen Schreibtisch, um zu sehen, was sich dort in seiner Abwesenheit angesammelt hatte. Wie gehofft, lag der Autopsiebericht da, nicht der offizielle, sondern einer, den Signorina Elettra offenbar am Telefon aufgenommen und danach abgetippt hatte.
    Bei der Waffe, mit der Trevisan erschossen worden war, handelte es sich um eine kleine Sportpistole, Kaliber 5,6 Millimeter. Wie vermutet, hatte ein Geschoß die Aorta durchschlagen, so daß der Tod praktisch sofort eingetreten war. Das andere war im Magen steckengeblieben. Aus den Einschußwunden war zu schließen, daß der Schütze höchstens einen Meter von ihm entfernt gewesen war, und nach dem Schußwinkel mußte Trevisan gesessen haben, als auf ihn geschossen wurde, wobei der Mörder rechts vor ihm gestanden hatte.
    Trevisan hatte kurz vor seinem Tod eine komplette Mahlzeit eingenommen und eine bescheidene Menge Alkohol getrunken, auf keinen Fall so viel, daß er ihm in irgendeiner Weise die Sinne vernebelt hätte. Von leichtem Übergewicht abgesehen, schien Trevisan für einen Mann seines Alters bei guter Gesundheit gewesen zu sein. Es gab keine Anzeichen für irgendeine frühere ernsthafte Erkrankung, obschon ihm der Blinddarm entfernt worden war und er sich hatte sterilisieren lassen. Der

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