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Brunetti 04 - Vendetta

Brunetti 04 - Vendetta

Titel: Brunetti 04 - Vendetta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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nachmittag hat man ihnen frei gegeben, dem Toten zu Ehren; ich werde also dann noch einmal hingehen und mit ihnen reden.« Bevor Brunetti nachfragen konnte, sagte Vianello: »Ich habe Nadia angerufen und sie gebeten, sich umzuhören. Sie hat ihn nicht persönlich gekannt, glaubt aber, daß er, allerdings vor mindestens fünf Jahren, das Testament des Mannes aufgesetzt haben könnte, der in der Via Garibaldi das Schuhgeschäft hatte. Sie wird die Witwe anrufen. Und in der Nachbarschaft will sie auch herumhören.«
    Brunetti nickte dazu. Wenn Vianellos Frau auch nicht von der Polizei bezahlt wurde, war sie doch eine hervorragende Quelle für Informationen, die nie in die Akten kamen. »Ich möchte gern noch seine Finanzen unter die Lupe nehmen«, sagte er. »Das Übliche: Bankkonten, Steuererklärungen, Immobilien. Und versuchen Sie sich einen Eindruck zu verschaffen, wie seine Anwaltspraxis läuft, was sie im Jahr so einbringt.«
    Obwohl es Routinefragen waren, schrieb Vianello sie auf. »Soll ich Elettra bitten, mal zu sehen, was sie findet?«
    Diese Frage beschwor bei Brunetti immer ein Bild von Signorina Elettra herauf, wie sie, in schwere Gewänder gehüllt und mit einem Turban auf dem Kopf, der Turban natürlich aus Brokat und reich mit Edelsteinen bestickt -, auf den Bildschirm ihres Computers starrt, von dem eine dünne Rauchsäule aufsteigt. Brunetti hatte keine Ahnung, wie sie es anstellte, aber sie brachte es jedesmal wieder fertig, finanzielle und oft auch persönliche Informationen über Opfer und Verdächtige aufzuspüren, die sogar deren Familien und Geschäftspartner überraschten. Brunetti war der Meinung, daß niemand vor ihr sicher war, und er fragte sich manchmal - oder sorgte sich? -, ob sie ihre nicht unerheblichen Talente womöglich dazu benutzte, einen Blick ins Privatleben der Leute zu werfen, für die und mit denen sie arbeitete.
    »Ja, sehen Sie mal zu, was sie ausfindig macht. Außerdem hätte ich gern eine Liste seiner Klienten.«
    »Aller?«
    »Ja.«
    Vianello nickte und machte sich eine Notiz, obwohl er wußte, wie schwierig das sein würde. Es war so gut wie unmöglich, Anwälte zur Nennung ihrer Klienten zu bringen. Die einzigen, die der Polizei auf diesem Gebiet noch mehr Schwierigkeiten machten, waren Huren.
    »Noch etwas, Commissario?«
    »Nein. Ich treffe die Witwe in« - er sah auf die Uhr - »in einer halben Stunde. Wenn ich von ihr etwas erfahre, was für uns von Nutzen ist, komme ich hierher zurück; andernfalls sehen wir uns morgen vormittag.«
    Vianello verstand das als Ende ihres Gesprächs, steckte sein Notizbuch in die Tasche, stand auf und ging zurück ins untere Stockwerk.
    Brunetti verließ fünf Minuten später die Questura und ging zur Riva degli Schiavoni hinauf, wo er das Vaporetto Nummer eins bestieg. Er fuhr bis Santa Maria del Giglio, bog dann am Hotel Ala links ab, ging über zwei Brücken, wandte sich nach links in eine kleine calle, die zum Canal Grande führte, und blieb an der ersten Tür links stehen. Er drückte auf die Klingel neben dem Schild »Trevisan«, und als die Tür aufsprang, stieg er in den dritten Stock hinauf.
    Oben stand in der offenen Wohnungstür ein grauhaariger Mann, dessen dicker Bauch geschickt durch den guten Schnitt seines teuren Anzugs kaschiert wurde. Als Brunetti am oberen Ende der Treppe ankam, fragte der Mann, ohne die Hand auszustrecken: »Commissario Brunetti?«
    »Ja. Signor Lotto?«
    Der Mann nickte, gab Brunetti aber noch immer nicht die Hand. »Dann kommen Sie herein. Meine Schwester wartet schon.« Obwohl es drei Minuten vor der vereinbarten Zeit war, klang das so, als ob Brunetti die Witwe hätte warten lassen.
    In der Diele hingen an beiden Seiten Spiegel, die den Eindruck vermittelten, als sei der kleine Vorraum mit lauter Doppelgängern von Brunetti und Signora Trevisans Bruder angefüllt. Der Fußboden war mit weißen und schwarzen Quadraten aus Marmor belegt, was bei Brunetti das Gefühl auslöste, er und seine Spiegelbilder würden sich auf einem Schachbrett bewegen, wodurch der andere Mann zwangsläufig zu seinem Gegenspieler wurde.
    »Ich weiß es zu schätzen, daß Signora Trevisan sich bereit erklärt hat, mich zu empfangen«, sagte Brunetti.
    »Ich habe ihr davon abgeraten«, entgegnete ihr Bruder brüsk. »Sie sollte gar niemanden empfangen. Es ist furchtbar.« Der Blick, mit dem er das sagte, ließ Brunetti überlegen, ob der Mann den Mord an Trevisan oder seine Anwesenheit im Trauerhaus meinte.
    Der andere

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