Brunetti 04 - Vendetta
sie sich mir vorgestellt. Ich möchte gern glauben, daß sie wenigstens eins behalten durfte, ihren Namen.«
»Wann schnappen Sie sich den Mann?«
»So bald wie möglich.«
»Wissen Sie schon, wie Sie's machen?«
»Am einfachsten wäre es, ihn in dem Moment einzukassieren, wenn einer von Maras Kunden ihm das Geld auf den Tresen legt.«
»Wie lange können Sie ihn deswegen festhalten?«
»Das kommt darauf an, was wir über ihn in Erfahrung bringen, ob er vielleicht vorbestraft ist, oder ob sonst noch etwas gegen ihn vorliegt.« Brunetti überlegte kurz. »Wenn Sie mit dem Heroin recht haben, müßten ein paar Stunden eigentlich genügen.«
Della Cortes Lächeln war nicht nett anzusehen. »Ich habe recht mit dem Heroin.« Als Brunetti schwieg, fragte della Corte: »Und bis dahin?«
»Ich gehe einigen Dingen nach. Ich will mehr über Trevisans Familie herausfinden, und soviel wie möglich über seine Kanzlei.«
»Etwas Bestimmtes?«
»Nicht direkt. Nur ein paar Punkte, die mir Kopfschmerzen bereiten, Kleinigkeiten, die sich nicht reimen.« Mehr wollte Brunetti jetzt nicht dazu sagen, weshalb er fragte: »Und Sie?«
»Wir machen dasselbe bei Favero, aber da heißt es so einigem auf den Grund gehen, zumindest was seine Firma betrifft.« Della Corte hielt kurz inne, um dann fortzufahren: »Ich hatte keine Ahnung, daß diese Typen derart viel verdienen.«
»Wer, Steuerberater?«
»Ja. Hunderte von Millionen im Jahr, wie es aussieht. Und das ist nur sein versteuertes Einkommen, Sie können sich also vorstellen, wieviel mehr er unterderhand macht.« Brunetti brauchte sich nur einige der Namen auf Faveros Klientenliste ins Gedächtnis zu rufen, und schon konnte er sich die Höhe dieser Einnahmen vorstellen, der versteuerten wie der unversteuerten.
Er öffnete die Wagentür, stieg aus und ging zur Fahrerseite hinüber. »Ich schicke morgen abend ein paar Leute hierher. Wenn er und Mara in der Bar sind, müßte es eigentlich ein leichtes sein, sie zu kriegen.«
»Beide?« fragte della Corte.
»Ja. Vielleicht redet sie bereitwilliger, nachdem sie eine Nacht in einer Zelle verbracht hat.«
»Ich denke, Sie wollen sie mit einer Psychiaterin reden lassen?«
»Schon, aber erst soll sie ruhig mal ein bißchen Gefängnisluft schnuppern. Angst macht Menschen gesprächiger, besonders Frauen.«
»Ganz schön hartgesotten, wie?« meinte della Corte, nicht ohne Respekt.
Brunetti zuckte mit den Schultern. »Sie könnte etwas über einen Mord wissen. Je mehr Angst sie hat, je verwirrter sie ist, desto eher sagt sie uns vielleicht, was sie weiß.«
Della Corte lächelte und löste die Handbremse. »Ich habe vorhin einen Moment lang gedacht, Sie wollten mir etwas über die Hure mit dem goldenen Herzen erzählen.«
Brunetti stieß sich vom Fensterrahmen des Wagens ab und ging. Nach ein paar Schritten in Richtung Bahnhof drehte er sich noch einmal zu della Corte um, der gerade die Scheibe hochkurbelte, während er schon langsam anfuhr. »Niemand hat ein Herz aus Gold«, sagte er, aber della Corte fuhr davon, ohne zu erkennen zu geben, daß er es gehört hatte.
Am nächsten Morgen wurde Brunetti von Signorina Elettra mit der Nachricht empfangen, daß sie die Zeitungsmeldung über Trevisan im Gazzettino zwar gefunden habe, es sich aber um einen völlig harmlosen Bericht über ein touristisches Gemeinschaftsunternehmen der Handelskammern von Venedig und Prag handle, das er organisiert habe. Auch Signora Trevisans Leben war, jedenfalls laut Auskunft der Gesellschaftskolumnisten dieser Zeitung, nur ein weißes Blatt Papier.
Brunetti hatte so etwas zwar erwartet, trotzdem war er enttäuscht. Er bat Signorina Elettra, Giorgio zu fragen - er war selbst überrascht, daß er von Giorgio schon wie von einem alten Freund sprach, ob er eine Liste der Telefongespräche zusammenstellen könne, die von dem Apparat in der Pinetta-Bar aus geführt sowie dort entgegengenommen worden waren. Danach begnügte er sich damit, seine Post zu lesen und auf einen der Briefe hin ein paar Telefongespräche zu führen.
Er rief Vianello zu sich und wies ihn an, abends drei Mann in die Pinetta-Bar zu schicken und dort Mara und ihren Zuhälter festnehmen zu lassen. Danach mußte Brunetti sich wohl oder übel mit dem Papierkram auf seinem Schreibtisch befassen, obwohl er sich nur mit Mühe auf das konzentrieren konnte, was er las: Statistiken aus dem Innenministerium mit den Personalplanungen für die nächsten fünf Jahre, den Kosten einer
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