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Brunetti 04 - Vendetta

Brunetti 04 - Vendetta

Titel: Brunetti 04 - Vendetta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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sagte Brunetti nur. »Ich würde gern mit Ihnen sprechen, eccellenza. «
    »Heute?«
    »Wenn Sie es einrichten können.«
    »Ich kann eine halbe Stunde für Sie erübrigen, heute nachmittag um fünf. Ist Ihnen damit gedient?«
    »Ich glaube ja, eccellenza.«
    »Dann erwarte ich Sie. Hier«, sagte der Richter und legte auf.
    Das Kriminalgericht liegt am Fuß der Rialtobrücke, nicht auf der Seite von San Marco, sondern auf der mit dem Obst- und Gemüsemarkt. Frühe Marktbesucher können sogar manchmal beobachten, wie Männer oder Frauen in Hand- und Beinschellen durch die verschiedenen Türen des Gerichtsgebäudes hinein- und herausgeführt werden, und nicht selten stehen zu ihrer Bewachung Carabinieri mit Maschinenpistolen zwischen den Kisten mit Kohl und Weintrauben. Brunetti zeigte den bewaffneten Posten an der Tür seinen Ausweis und ging die zwei breiten Marmortreppen zu Richter Beniamins Büro hinauf. Auf jedem Treppenabsatz war ein großes Fenster, durch das man auf den Fondaco dei Tedeschi blickte, zu Zeiten der Republik das Handelszentrum der deutschen Kaufleute in der Stadt, heute die Hauptpost. Oben angekommen, wurde er von zwei Carabinieri mit kugelsicheren Westen und Sturmgewehren angehalten, die seinen Ausweis sehen wollten.
    »Haben Sie eine Waffe bei sich, Commissario?« fragte der eine, nachdem er sich den Dienstausweis sehr genau angesehen hatte.
    Brunetti bedauerte, daß er vergessen hatte, seine Pistole im Büro zu lassen: Richter waren in Italien schon so lange Freiwild, daß alle nervös und, leider zu spät, sehr vorsichtig waren. Er knöpfte langsam sein Jackett auf und hielt es weit offen, damit der Wachposten ihm die Waffe abnehmen konnte.
    Die dritte Tür rechts war Beniamins Zimmer. Brunetti klopfte zweimal und wurde hereingerufen.
    In den Jahren, die seit seinem Besuch in Richter Beniamins Haus vergangen waren, hatten die beiden Männer sich gelegentlich auf der Straße gesehen und einander zugenickt, aber inzwischen war es schon mindestens ein Jahr her, seit Brunetti den Richter zuletzt gesehen hatte, und dessen verändertes Aussehen erschreckte ihn. Obwohl der Richter höchstens zehn Jahre älter war als Brunetti, sah er alt genug aus, um sein Vater zu sein. Tiefe Falten führten beiderseits der Nase am Mund vorbei und verschwanden erst unter dem Kinn. Seine einstmals dunkelbraunen Augen schienen trübe, als hätte jemand vergessen, sie abzustauben. Und in der weiten schwarzen Robe seiner Zunft wirkte er mehr eingewickelt als angezogen, so stark hatte er abgenommen.
    »Nehmen Sie Platz, Commissario«, sagte Beniamin. Die Stimme war noch dieselbe, tief und wohlklingend, eine Sängerstimme.
    »Danke, eccellenza«, sagte Brunetti und setzte sich auf einen der vier Stühle vor dem Schreibtisch des Richters.
    »Ich muß Ihnen leider sagen, daß ich doch weniger Zeit habe, als ich dachte.« Der Richter verstummte nach diesem Satz, als hörte er selbst erst jetzt, was er gesagt hatte. Er lächelte kurz und traurig, dann fügte er hinzu: »Heute nachmittag, meine ich. Ich wäre Ihnen also dankbar, wenn wir uns kurz fassen könnten. Wenn nicht, müßten wir uns nötigenfalls übermorgen weiter unterhalten.«
    »Selbstverständlich, eccellenza. Ich muß wohl kaum sagen, wie dankbar ich bin, daß Sie mich empfangen.« Brunetti hielt inne, und die Blicke der beiden Männer trafen sich; beide waren sich bewußt, wie phrasenhaft sie redeten.
    »Ja«, antwortete der Richter nur.
    »Carlo Trevisan«, sagte Brunetti.
    »Genauer ausgedrückt?« fragte der andere.
    »Wem nützt sein Tod? Wie war sein Verhältnis zu seinem Schwager? Zu seiner Frau? Warum hat seine Tochter vor etwa fünf Jahren herumerzählt, ihre Eltern sorgten sich, daß sie entführt werden könnte? Und was für Verbindungen hatte er gegebenenfalls zur Mafia?«
    Richter Beniamin hatte sich keine Notizen gemacht, nur zugehört. Jetzt stützte er den Ellbogen auf den Schreibtisch, drehte den Handrücken zu Brunetti und spreizte alle fünf Finger weit.
    »Vor zwei Jahren ist ein anderer Anwalt, Salvatore Martucci, in seine Kanzlei eingetreten und hat seine eigenen Klienten mitgebracht. Es wurde vereinbart, daß Martucci nächstes Jahr Teilhaber werden sollte. Nun wird gemunkelt, daß Trevisan nicht mehr gewillt war, diese Abmachung einzuhalten. Seit Trevisans Tod hat Martucci in der Kanzlei allein das Sagen.«
    Richter Beniamins Daumen verschwand. »Der Schwager ist glatt, aalglatt. Es sind unbewiesene Gerüchte, und ich würde mich der

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