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Brunetti 04 - Vendetta

Brunetti 04 - Vendetta

Titel: Brunetti 04 - Vendetta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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erstickt hatte. Brunetti sah keinen Sinn darin, sich zu wiederholen.
    »Signora«, sagte er, »wenn Sie sich doch noch entschließen, meine Frage zu beantworten, erreichen Sie mich in der Questura.« Ohne ein weiteres Wort ging er um Martucci herum und verließ das Zimmer, dann das Haus.
    Auf dem Heimweg mußte Brunetti darüber nachdenken, wie nah er schon daran gewesen war, mit der Frau diesen Kontakt herzustellen, den er manchmal zu einem Zeugen oder Verdächtigen schaffen konnte, diesen heiklen Punkt zu erreichen, an dem ein zufälliger Satz, ein zufälliges Wort einen Menschen plötzlich dazu brachte, etwas preiszugeben, was er eigentlich hatte verschweigen wollen. Was hatte sie ihm sagen wollen, und was hatte Lotto mit Prostituierten zu tun gehabt? Und die Frau im Mercedes? War sie die Frau, die mit Favero an dem Abend gegessen hatte, an dem er ermordet wurde? Brunetti fragte sich, was bei einem Abendessen eine Frau so nervös oder vergeßlich machen könnte, daß sie eine Brille liegenließ, die über eine Million Lire kostete. Und war es etwas, was während des Essens geschehen war oder wovon sie wußte, daß es nach dem Essen geschehen würde, was sie nervös gemacht hatte? Die Fragen umschwirrten Brunetti wie Furien, die nach ihm riefen und ihn verhöhnten, weil er die Antworten nicht kannte und, schlimmer noch, nicht einmal wußte, welche Fragen wichtig waren.
    Als er aus der Trevisanschen Wohnung gekommen war, hatte Brunetti automatisch den Weg zum Ponte dell' Accademia und nach Hause eingeschlagen. Er war so mit seinen Gedanken beschäftigt, daß er erst nach einer Weile merkte, wie belebt die Straße war. Er sah auf die Uhr und wunderte sich, daß in diesem Teil der Stadt so viele Leute eine halbe Stunde vor Geschäftsschluß unterwegs waren. Bei näherem Hinsehen stellte er fest, daß es Italiener waren: Männer wie Frauen waren zu gut gekleidet und frisiert, um etwas anderes zu sein.
    Er vergaß alle Eile und ließ sich von dem Strom in Richtung Campo San Stefano treiben. Vom Fuß der nächsten Brücke hörte er etwas aus einem Lautsprecher, konnte aber nicht erkennen, was es war.
    Weiter schob ihn die Menge durch die Enge der letzten calle, um ihn dann plötzlich in die Freiheit des dämmrigen campo zu entlassen. Unmittelbar vor ihm stand die Statue, die Brunetti bei sich immer den Baisermann nannte, weil der Marmor, aus dem sie gemeißelt war, so schneeweiß und porös war. Andere Leute, die den Bücherstapel sahen, der unter seinem Mantel hervorzukommen schien, hatten einen unanständigeren Namen für ihn.
    Rechts von Brunetti hatte man neben der Kirche San Stefano ein hölzernes Podium errichtet. Ein paar Holzstühle standen darauf, rechts und links davor zwei riesige Lautsprecherboxen. Dahinter hingen an drei hölzernen Stangen schlaff drei Fahnen mit der italienischen Trikolore, dem Löwen von San Marco und dem frisch kreierten Emblem der vormaligen Democrazia Cristiana.
    Brunetti ging näher an die Statue heran und trat hinter das niedrige Eisengitter, das um den Sockel lief. Etwa hundert Leute standen vor dem Podium; aus dieser Gruppe lösten sich soeben drei Männer und eine Frau und stiegen aufs Podium. Plötzlich begann Musik zu dröhnen. Brunetti glaubte, daß es die Nationalhymne war, aber bei der Lautstärke und den Knistergeräuschen war das schwer zu erkennen.
    Ein Mann in Jeans und Bomberjacke reichte einem der Männer auf dem Podium ein Mikrofon, an dem ein langer Draht hing. Dieser hielt es ein Weilchen neben sich an den Körper, dann lächelte er in die Menge, nahm das Mikrofon in die linke Hand und begrüßte die anderen auf dem Podium mit Handschlag. Unten hob der Mann in der Bomberjacke eine Hand und vollführte eine schneidende Geste, aber die Musik hörte nicht auf.
    Der Mann auf dem Podium nahm das Mikrofon vor den Mund und sagte etwas, aber die Musik übertönte ihn und machte das Gesagte unverständlich. Er hielt das Mikrofon auf Armeslänge von sich weg und klopfte mit einem Finger darauf, aber das kam aus den Lautsprechern wie sechs gedämpfte Pistolenschüsse.
    Ein Grüppchen von Leuten löste sich aus der Menge und ging in eine Bar. Sechs weitere gingen zur Vorderseite der Kirche und verschwanden die Calle Mandola hinauf. Der Mann in der Bomberjacke stieg aufs Podium und fummelte an den Kabeln eines der Lautsprecher herum, worauf dieser plötzlich verstummte, während aus dem ändern Musik und ein Knistern dröhnte. Er eilte rasch übers Podium und kniete sich hinter

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