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Brunetti 04 - Vendetta

Brunetti 04 - Vendetta

Titel: Brunetti 04 - Vendetta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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denn etwas mit Prostituierten zu tun?« fragte Paola, darauf bedacht, Brunettis genaue Formulierung zu wiederholen. »Und du glaubst, daß sie verstanden hat, was du meintest?«
    Brunetti nickte.
    »Aber der Anwalt hat es mißverstanden?«
    »Ja, und nicht absichtlich, glaube ich. Er hat einfach nicht begriffen, daß die Frage doppeldeutig war und sich nicht darauf bezog, ob er zu Prostituierten ging.«
    »Und sie hat das richtig verstanden?«
    Brunetti nickte wieder. »Sie ist viel schlauer als er.«
    »Das sind Frauen meist«, meinte Paola, dann fragte sie rasch: »Was glaubst du denn, was er mit ihnen zu tun gehabt haben könnte?«
    »Keine Ahnung, Paola, aber aus ihrer Reaktion schließe ich, daß sie darüber Bescheid wußte.«
    Paola sagte nichts und wartete, bis er zu Ende gedacht hatte. Er nahm ihre Hand, küßte sie und ließ sie auf seinen Schoß fallen. Paola rührte sich nicht und wartete.
    »Es ist die einzige Gemeinsamkeit«, begann er, mehr zu sich selbst als zu ihr. »Sowohl Trevisan als auch Favero hatten die Telefonnummer dieser Bar in Mestre, wo ein Zuhälter etliche Mädchen laufen hat, und immer wieder werden neue nachgeliefert. Von Lotto weiß ich nichts, außer daß er Trevisans Geschäfte führte.« Er drehte Paolas Hand um und zeichnete mit dem Zeigefinger die schwachen blauen Venen auf ihrem Handrücken nach.
    »Viel ist das nicht, wie?« fragte sie schließlich.
    Er schüttelte den Kopf.
    »Die eine, mit der du gesprochen hast, diese Mara, was hat sie dich über die anderen gefragt?«
    »Sie wollte wissen, ob ich etwas über eine Jugoslawin weiß, die umgekommen ist, und dann hat sie noch etwas von Mädchen in einem Lastwagen gesagt. Was sie damit meinte, weiß ich nicht.«
    Wie ein bejahrter Karpfen, der langsam ans Tageslicht emporschwimmt, regte sich eine Erinnerung tief in Paolas Gedächtnis, eine Erinnerung, die mit einem Lastwagen und jungen Frauen zu tun hatte. Sie legte den Kopf an die Sofalehne und schloß die Augen. Und sah Schnee. Und dieses kleine Detail genügte, um die Erinnerung vollends an die Oberfläche zu bringen.
    »Guido, diesen Herbst - ich glaube, du warst gerade an der Konferenz in Rom - ist irgendwo ein Lastwagen von der Straße abgekommen, nicht weit von der Grenze nach Österreich, ich weiß die Einzelheiten nicht mehr... Der ist irgendwie auf vereister Fahrbahn ins Rutschen gekommen und einen Felshang hinuntergestürzt. Jedenfalls waren da Frauen drin, und sie sind alle umgekommen, acht oder zehn müssen es gewesen sein. Das war merkwürdig. Den einen Tag stand es in den Zeitungen, und dann war es vergessen, ich habe nie mehr etwas darüber gelesen.« Paola fühlte wie seine Hand die ihre etwas fester umschloß. »Meinst du, das könnte sie gemeint haben?«
    »Ich erinnere mich jetzt auch dunkel, daß davon etwas in einem Interpolbericht über Frauen stand, die als Prostituierte ins Land gebracht werden«, sagte Brunetti. »Der Fahrer ist auch umgekommen, nicht?«
    Paola nickte. »Ich glaube ja.«
    Die dortige Polizei hatte sicher ein Protokoll über den Vorfall; da konnte er morgen anrufen. Er versuchte sich den Interpolbericht wieder ins Gedächtnis zu rufen - oder war er vielleicht von einer anderen Dienststelle gewesen? -, wußte der Himmel, wo das abgelegt war. Aber für das alles war morgen noch Zeit.
    Paola zog sanft an seiner Hand. »Wozu gebraucht ihr sie?«
    »Hm?« fragte Brunetti, nicht ganz bei der Sache.
    »Wozu gebraucht ihr Huren?« Und bevor er sie mißverstehen konnte, formulierte sie die Frage deutlicher: »Ich meine Männer überhaupt, nicht dich. Männer allgemein.«
    Er hob ihre ineinander verschlungenen Hände in die Höhe und wedelte ziellos damit in der Luft herum. »Sex ohne Zwänge, denke ich. Keine Bindungen, keine Verpflichtungen. Keine Rücksichten.«
    »Klingt nicht sehr verlockend«, sagte Paola, dann fügte sie hinzu: »Aber Frauen möchten Sex wohl immer romantisch verklären.«
    »Das stimmt allerdings«, sagte Brunetti.
    Paola löste ihre Hand aus der seinen und stand auf. Sie sah einen Moment auf ihren Mann hinunter, dann ging sie in die Küche, um das Abendessen zu machen.

23
    Brunetti verbrachte den ersten Teil seines Arbeitstages damit, in seiner Ablage nach dem Interpolbericht über Prostitution zu suchen und darauf zu warten, daß die Vermittlung ihn mit der Polizei in Tarvisio verband. Die Vermittlung war schneller als Brunetti, und er konnte sich eine Viertelstunde lang von einem Capitano der Carabinieri den Unfall

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