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Brunetti 04 - Vendetta

Brunetti 04 - Vendetta

Titel: Brunetti 04 - Vendetta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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sagte Brunetti, dem es allerdings nicht gefiel, daß Scarpa damit zu Patta gerannt war. Vianello hatte da oben schon genug Minuspunkte, allein deswegen, weil er so oft mit Brunetti zusammenarbeitete, da brauchte er nicht auch noch die Gegnerschaft des Tenente.
    Froh, sich nicht auch noch mit Scarpa auseinandersetzen zu müssen, ließ Brunetti das Thema fallen und fragte: »Erinnern Sie sich an irgendeinen Lastwagen, der im Herbst von der Straße abgekommen sein soll, oben bei Tarvisio?«
    »Ja. Warum?«
    »Wissen Sie noch, wann das war?«
    Vianello überlegte ein Weilchen, bevor er antwortete. »Am 26. September. Zwei Tage vor meinem Geburtstag. Das erstemal, daß es da oben so früh geschneit hat.«
    Bei Vianello brauchte Brunetti nicht erst nachzufragen, ob er das Datum auch sicher wisse. Er überließ den Sergente seiner Zeitung und ging in sein Büro und zu den Computerausdrucken zurück. Am 26. September war um neun Uhr morgens aus Trevisans Büro ein Gespräch mit einer Nummer in Belgrad geführt worden. Es hatte drei Minuten gedauert. Am nächsten Tag war dieselbe Nummer wieder angerufen worden, aber diesmal aus der Zelle in der calle hinter Trevisans Kanzlei. Dieses Gespräch hatte zwölf Minuten gedauert.
    Der Lastwagen war von der Straße abgekommen, die Ladung vernichtet. Sicher würde der Käufer wissen wollen, ob es seine Ware war, die da im Schnee verstreut lag, und es gab keine bessere Möglichkeit, das herauszufinden, als den Absender anzurufen.
    Brunetti überlief es kalt bei der Vorstellung, daß Leute diese Frauen als Ware sahen, ihren jähen Tod als Verlust einer Sendung.
    Er blätterte weiter bis zu Trevisans Todesdatum. Am Tag nach Trevisans Tod waren zwei Gespräche aus der Kanzlei geführt worden, beide mit der Belgrader Nummer. Wenn die ersten Telefonate dazu gedient hatten, den Verlust einer Sendung zu melden, konnten dann diese späteren Gespräche bedeuten, daß mit Trevisans Tod das Geschäft in neue Hände übergegangen war?

25
    Brunetti kramte in den Papieren, die sich während der letzten zwei Tage auf seinem Schreibtisch angesammelt hatten. Er stellte fest, daß Lottos Witwe tatsächlich vernommen worden war und ausgesagt hatte, sie habe seine Todesnacht im Ospedale Civile am Bett ihrer krebskranken Mutter zugebracht. Beide Stationsschwestern hatten diese Aussage bestätigt. Die Vernehmung hatte Vianello geführt, der sich mit gewohnter Gewissenhaftigkeit auch gleich nach den Nächten erkundigt hatte, in denen Trevisan und Favero starben. Die erste dieser Nächte hatte sie im Krankenhaus, die zweite in ihrer Wohnung verbracht. Aber in beiden Nächten war ihre Schwester aus Turin bei ihr gewesen, und somit hatte Signora Lotto keinen Platz mehr in Brunettis Gedankenspielen.
    Plötzlich fragte er sich, ob Chiara wohl immer noch bei ihrem hirnrissigen Versuch war, Francesca Informationen zu entlocken, und während er sich das fragte, überkam ihn fast so etwas wie Ekel. Da erlaubte er sich den Luxus selbstgerechter Entrüstung über Männer, die Teenager zu Huren machten, und er hatte selbst nicht den mindesten Abscheu dagegen empfunden, die eigene Tochter als Spionin zu mißbrauchen. Bis jetzt.
    Das Telefon klingelte, und er meldete sich mit Namen. Es war Paola, die mit aufgeregter Stimme »Guido! Guido!« rief. Im Hintergrund hörte er noch wüstere Geräusche, ein hohes Kreischen.
    »Was ist los, Paola?«
    »Guido, komm nach Hause. Sofort. Es geht um Chiara«, rief Paola so laut, daß sie das Geheul übertönte, das von sonstwoher aus der Wohnung kam.
    »Was ist los, ist ihr etwas passiert?«
    »Ich weiß es nicht, Guido. Sie war im Wohnzimmer, und plötzlich fing sie an zu schreien. Jetzt ist sie in ihrem Zimmer und hat die Tür abgeschlossen.« Er hörte die Panik in Paolas Stimme, gleich einer Unterwasserströmung, die an ihr zerrte, dann auch an ihm.
    »Fehlt ihr etwas? Hat sie sich weh getan?« fragte er.
    »Ich weiß es nicht. Aber du hörst sie ja. Sie ist richtig hysterisch, Guido. Bitte, komm nach Hause. Bitte. Sofort.«
    »Ich komme so schnell wie möglich«, sagte er und legte auf. Er schnappte sich seinen Mantel und rannte aus dem Büro, überlegte sich dabei schon den kürzesten Weg zu seiner Wohnung. Am embarcadero vor der Questura lag kein Polizeiboot, also wandte er sich nach links und rannte mit wehendem Mantel los. Er bog um die Ecke und raste die schmale calle entlang, wobei er sich zu entscheiden versuchte, ob er über die Rialtobrücke laufen oder die öffentliche

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