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Brunetti 05 - Acqua alta

Brunetti 05 - Acqua alta

Titel: Brunetti 05 - Acqua alta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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den Regen schräg vor sich her peitschte und die eine Seite der engen calle trocken blieb, geschützt durch die Dächer. Klügere als Brunetti hatten sich mit Schirmen ausgerüstet, unter deren Schutz sie dahineilten, ungeachtet all derer, die ihnen ausweichen oder sich ihretwegen ducken mußten.
    Als er in der Questura ankam, waren die Schultern seines Mantels durchgeweicht, ebenso die Schuhe. In seinem Zimmer zog er den Mantel aus und hängte ihn auf einen Bügel, den er dann an die Vorhangstange über dem Heizkörper hängte. Wenn einer von der anderen Seite des Kanals herüberschaute, würde er vielleicht einen Mann sehen, der sich in seinem eigenen Dienstzimmer erhängt hatte. War das jemand aus der Questura, so würde er zweifellos als erstes die Stockwerke zählen, um festzustellen, ob es vielleicht Pattas Fenster war.
    Auf seinem Schreibtisch fand Brunetti ein einzelnes Blatt Papier, ein Fax von Interpol in Genf, in dem stand, daß nichts über oder gegen Francesco Semenzato vorliege. Unter der ordentlich getippten Mitteilung stand jedoch noch eine kurze, handgeschriebene Notiz: »Es gibt Gerüchte, nichts Definitives. Ich erkundige mich.« Und darunter eine hingekritzelte Unterschrift, die er als Piet Heinegger entzifferte.
    Am späten Nachmittag klingelte sein Telefon. Es war Lele, der sagte, es sei ihm gelungen, mit ein paar Freunden Kontakt aufzunehmen, unter anderen mit dem in Burma. Keiner habe direkt etwas über Semenzato sagen wollen, aber Lele habe erfahren, daß der Museumsdirektor offenbar im Antiquitätenhandel tätig war. Nein, nicht als Käufer, sondern als Verkäufer. Einer seiner Gesprächspartner habe erzählt, daß Semenzato in ein Antiquitätengeschäft investiert habe, aber mehr wisse er nicht, weder wo dieses Geschäft sei, noch wem es offiziell gehöre.
    »Das klingt, als könnte es einen Interessenkonflikt geben«, sagte Brunetti, »wenn er mit dem Geld des Museums bei seinem Geschäftspartner einkauft.«
    »Da wäre er nicht der einzige«, murmelte Lele, aber Brunetti ließ die Bemerkung unkommentiert. »Und noch etwas«, fügte der Maler hinzu.
    »Was?«
    »Als ich etwas von gestohlenen Kunstwerken erwähnte, sagte einer, er habe da Gerüchte über einen bedeutenden Sammler in Venedig gehört.«
    »Semenzato?«
    »Nein«, antwortete Lele. »Ich habe nicht gefragt, aber man weiß, daß ich mich für ihn interessiere, also hätte mein Freund es mir bestimmt gesagt, wenn es Semenzato wäre.«
    »Hat er einen Namen genannt?«
    »Nein. Er kannte ihn nicht. Aber dem Gerücht zufolge ist es ein Herr aus dem Süden.« Lele sagte das in einem Ton, als halte er es für unmöglich, daß einer aus dem Süden ein Herr sein könne.
    »Aber kein Name.«
    »Nein, Guido. Ich höre mich aber weiter um.«
    »Danke, das ist nett von dir, Lele. Ich selbst könnte das nicht.«
    »Nein, das könntest du nicht«, meinte Lele ruhig. Und ohne Brunettis Dank auch nur als unnötig abzutun: »Ich rufe dich an, wenn ich etwas höre.« Damit legte er auf.
    Brunetti fand, er habe für heute nachmittag genug getan, und da er keine Lust verspürte, sich von acqua alta auf dieser Seite der Stadt erwischen zu lassen, ging er früh nach Hause und hatte dort zwei ruhige Stunden für sich, bevor Paola von der Universität kam. Als sie dann da war, durchnäßt vom immer stärkeren Regen, erzählte sie, daß sie das Zitat mit der falschen Quellenangabe zwar benutzt, der verhaßte marchesino ihr aber trotzdem alles verdorben habe, indem er eingeworfen habe, ein Schriftsteller mit angeblich so gutem Ruf wie Henry James würde solch dumme Wortwiederholungen doch sicher vermieden haben. Brunetti hörte ihr zu und mußte sich selbst wundern, wie unsympathisch ihm dieser junge Mann, den er nie kennengelernt hatte, im Lauf der letzten Monate geworden war. Essen und Wein taten wie immer das Ihre, Paola zu besänftigen, und als Raffi freiwillig den Abwasch übernahm, strahlte sie vor Zufriedenheit und Wohlbehagen.
    Um zehn lagen sie im Bett, sie fest eingeschlafen über einer besonders verunglückten Kostprobe studentischer Schreibkunst, er tief versunken in eine neue Sueton-Übersetzung. Er war gerade an die Stelle gekommen, wo die kleinen Jungen im Schwimmbad des Tiberius auf Capri baden, als das Telefon klingelte.
    »Pronto«, meldete er sich, zuerst in der Hoffnung, es sei nichts Polizeiliches, aber in dem Wissen, daß es nachts um zehn vor elf wohl kaum etwas anderes sein konnte.
    »Commissario, hier Monico.« Sergente Monico

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