Brunetti 05 - Acqua alta
abgeschlossen, aber sie hat einen Schlüssel und ist hineingegangen, um zu sehen, ob alle Fenster zu waren, und dann sauberzumachen. Dabei hat sie ihn gefunden. So, wie er da liegt.«
Brunetti sagte noch immer nichts, er trat nur an eines der Fenster und schaute in den Hof des Palazzo Ducale hinunter. Alles war ruhig; die Statuen der Giganti bewachten weiter den Treppenaufgang; nicht einmal eine Katze störte die mondbeschienene Szenerie.
»Wie lange sind Sie schon hier?« fragte Brunetti.
Vianello schob einen Ärmel hoch und sah auf seine Armbanduhr. »Achtzehn Minuten. Ich habe seinen Puls gefühlt, aber da war nichts, und er war kalt. Meiner Schätzung nach ist er seit mindestens zwei Stunden tot, aber das kann uns Dottor Rizzardi sicher genauer sagen.«
In dem Moment hörte Brunetti von links in der Ferne eine Sirene durch die nächtliche Stille heulen und dachte schon, es wäre die Spurensicherung, die in ihrem Boot nahte und sich dabei dumm anstellte. Aber der Sirenenton stieg immer höher, wurde immer lauter und eindringlicher und sank dann langsam wieder in die ursprüngliche Tonlage. Es war die Sirene an San Marco, die der schlafenden Stadt verkündete, daß die Flut stieg: Acqua alta hatte begonnen.
Die beiden Männer von der Spurensicherung, deren tatsächliche Ankunft vom Sirenengeheul übertönt worden war, stellten ihre Utensilien im Flur vor dem Zimmer ab. Pavese, der Fotograf, steckte den Kopf ins Zimmer und sah den toten Mann auf dem Boden. Anscheinend unbewegt von dem Anblick, rief er laut, damit die beiden Männer drinnen ihn trotz des Sirenengeheuls hören konnten: »Wollen Sie einen kompletten Satz, Commissario?«
Brunetti wandte sich, als er die Stimme hörte, vom Fenster ab und ging zu Pavese, wobei er sorgsam darauf achtete, daß er dem Toten nicht zu nahe kam, bevor dieser fotografiert und der Fußboden um ihn herum nach Fasern, Haaren und möglichen Schleifspuren abgesucht war. Er überlegte, ob seine Vorsicht eigentlich Sinn hatte, denn allzu viele Leute waren inzwischen schon bei der Leiche gewesen und hatten ihre Spuren hinterlassen.
»Ja, und wenn Sie damit fertig sind, suchen Sie noch nach Fasern und Haaren, danach sehen wir ihn uns an.«
Pavese schien sich nicht daran zu stören, daß sein Vorgesetzter ihm Selbstverständlichkeiten auftrug, und fragte: »Wollen Sie separate Aufnahmen vom Kopf?«
»Ja.«
Der Fotograf machte sich an seinen Geräten zu schaffen. Foscolo, der zweite im Team, hatte schon das schwere Stativ aufgestellt und war dabei, die Kamera darauf festzuschrauben. Pavese bückte sich und wühlte in seiner Tasche, schob Filme und schmale Stapel mit Filtern beiseite, bis er endlich ein Blitzgerät herauszog, an dem ein dickes Kabel baumelte. Er gab Foscolo den Blitz und nahm das Stativ. Ein kurzer Blick auf die Leiche hatte seinem geschulten Auge gereicht. »Ich mache ein paar Aufnahmen vom ganzen Zimmer, zuerst von hier, Luca, dann von der anderen Seite. Unter den Fenstern ist eine Steckdose. Wenn wir die haben, bauen wir die Kamera hier zwischen dem Fenster und dem Kopf auf. Ein paar machen wir von der ganzen Leiche, dann nehmen wir die Nikon für den Kopf. Ich glaube, von links ist es besser.« Er überlegte kurz. »Die Filter brauchen wir nicht. Der Blitz genügt für das Blut.«
Brunetti und Vianello warteten vor der Tür, durch die immer wieder das Blitzlicht zuckte. »Glauben Sie, daß die den Backstein benutzt haben?« fragte Vianello endlich.
Brunetti nickte. »Sie haben den Kopf ja gesehen.«
»Die wollten ganz sichergehen, was?«
Brunetti dachte an Bretts Gesicht und meinte: »Oder es hat ihnen Spaß gemacht.«
»Daran habe ich nicht gedacht«, sagte Vianello. »Aber es könnte schon sein.«
Ein paar Minuten später steckte Pavese den Kopf durch die Tür: »Wir sind fertig mit den Fotos, Dottore.«
»Wann können wir sie haben?« fragte Brunetti.
»Morgen nachmittag, gegen vier, denke ich.«
Ehe Brunetti darauf eingehen konnte, kam Ettore Rizzardi, der medico legale, der als Vertreter des Staates hier das Offenkundige amtlich festzustellen hatte, nämlich daß der Mann tot war, und dann etwas zur vermutlichen Todesursache sagen mußte, was in diesem Fall nicht schwer war.
Wie Vianello trug auch Rizzardi Gummistiefel, allerdings waren seine konservativ schwarz und reichten nur bis zum Saum seines Mantels. »Guten Abend, Guido«, sagte er, als er hereinkam. »Der Mann unten sagt, es ist Semenzato.« Und als Brunetti nickte, fragte der Arzt:
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