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Brunetti 05 - Acqua alta

Brunetti 05 - Acqua alta

Titel: Brunetti 05 - Acqua alta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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hatte, wie Brunetti sich erinnerte, diese Woche den Nachtdienst.
    »Was gibt's, Monico?«
    »Ich glaube, einen Mord, Commissario.«
    »Wo?«
    »Im Palazzo Ducale.«
    »Wer?« fragte er, obwohl er es schon wußte.
    »Der Direktor.«
    »Semenzato?«
    »Ja, Commissario.«
    »Was ist passiert?«
    »Sieht nach Einbruch aus. Die Putzfrau hat ihn vor zehn Minuten gefunden und ist schreiend zu den Wachleuten hinuntergerannt. Die sind dann in sein Büro hinaufgegangen, haben ihn gefunden und uns angerufen.«
    »Was haben Sie unternommen?« Brunetti legte sein Buch auf den Boden neben dem Bett und sah sich nach seinen Kleidern um.
    »Wir haben bei Vice-Questore Patta angerufen, aber seine Frau sagt, er ist nicht da, und sie weiß nicht, wo sie ihn erreichen kann.« Konnte beides gelogen sein, dachte Brunetti. »Da habe ich kurzerhand Sie angerufen, Commissario.«
    »Haben die Wachleute Ihnen gesagt, was passiert ist?«
    »Ja, Commissario. Der Mann, mit dem ich gesprochen habe, sagt, es ist alles voller Blut und sieht so aus, als hätte er einen Schlag auf den Kopf bekommen.«
    »War er tot, als die Putzfrau ihn fand?«
    »Ich denke schon. Die Wachleute sagen jedenfalls, er war tot, als sie hinkamen.«
    »Na gut«, sagte Brunetti und schlug die Decke zurück. »Ich gehe hin. Schicken Sie mir einen - wer hat denn heute nacht Dienst?«
    »Vianello, Commissario. Er hatte zusammen mit mir Nachtdienst und ist gleich losgegangen, als der Anruf kam.«
    »Gut. Rufen Sie Dotier Rizzardi an und bitten Sie ihn, mich dort zu treffen.«
    »Ja, Commissario. Ich wollte ihn sowieso anrufen, nachdem ich mit Ihnen gesprochen hatte.«
    »Gut«, sagte Brunetti wieder, schwang die Beine aus dem Bett und stellte die Füße auf den Boden. »Ich denke, ich kann in zwanzig Minuten dort sein. Wir brauchen die Spurensicherung.«
    »Ja, Commissario. Ich rufe Pavese und Foscolo an, sobald ich mit Dottor Rizzardi gesprochen habe.«
    »In Ordnung. Also, in zwanzig Minuten.« Brunetti legte auf. War es möglich, schockiert und dennoch nicht überrascht zu sein? Ein gewaltsamer Tod, und nur drei Tage nachdem Brett mit ähnlicher Brutalität angegriffen worden war. Während er sich anzog und seine Schuhe zuband, warnte er sich selbst vor irgendwelchen voreiligen Schlüssen. Er ging auf Paolas Bettseite, bückte sich und rüttelte sie sanft an der Schulter.
    Sie öffnete die Augen und sah ihn über die Brille hinweg an, die sie seit kurzem zum Lesen trug. Sie war in einen zerschlissenen alten Morgenmantel aus Flanell gehüllt, den sie sich vor über zehn Jahren einmal in Schottland gekauft hatte, darüber trug sie einen irischen Wollpullover, den ihre Eltern ihr vor fast ebenso vielen Jahren zu Weihnachten geschenkt hatten. Als er sie so sah, von ihm aus dem ersten Schlaf gerissen und ihn verwirrt anblinzelnd, fand er, daß sie diesen obdachlosen und offenbar verrückten Frauen doch sehr ähnlich sah, die sich in Winternächten auf dem Bahnhof herumtrieben. Da er sich wegen dieses Gedankens gleich als treulos schalt, bückte er sich in den Lichtschein ihrer Leselampe hinunter und küßte sie auf die Stirn.
    »Ruft die Pflicht?« fragte sie, jetzt hellwach.
    »Ja. Semenzato. Die Putzfrau hat ihn in seinem Büro im Dogenpalast gefunden.«
    »Tot?«
    »Ja.«
    »Ermordet?«
    »Sieht so aus.«
    Sie nahm die Brille ab und legte sie auf die Papiere, die vor ihr über die Bettdecke verstreut lagen. »Hast du schon eine Wache vor die Tür der Amerikanerin gestellt?« fragte sie und überließ es ihm, der flinken Logik des Gesagten zu folgen.
    »Nein«, gestand er, »aber das werde ich sofort tun, sowie ich im Palazzo Ducale bin. Ich glaube nicht, daß die gleich zwei in einer Nacht riskieren werden, aber ich schicke jemanden hin.« Wie leicht doch »die« auf einmal Wirklichkeit geworden waren, nur weil Brunetti nicht an Zufall und Paola nicht an das Gute im Menschen glaubte.
    »Wer hat angerufen?« wollte sie wissen.
    »Monico.«
    »Gut«, sagte sie, denn sie kannte ihn. »Ich rufe ihn an und sage ihm das mit dem Wachposten.«
    »Danke«, sagte er. »Warte nicht auf mich. Ich fürchte, das wird lange dauern.«
    »Das hier auch«, meinte sie, indem sie sich vorbeugte und die Blätter zusammenschob.
    Er küßte sie noch einmal, diesmal auf den Mund. Sie erwiderte seinen Kuß, und es wurde ein richtiger daraus. Er richtete sich auf, und sie überraschte ihn, indem sie die Arme um seine Taille schlang und ihr Gesicht an seinen Bauch drückte. Sie sagte etwas, aber es war zu

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