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Brunetti 05 - Acqua alta

Brunetti 05 - Acqua alta

Titel: Brunetti 05 - Acqua alta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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»Was ist passiert?«
    Statt zu antworten, trat Brunetti nur beiseite, damit Rizzardi die unnatürliche Körperhaltung und das Blut sehen konnte. Die Techniker waren inzwischen am Werk gewesen, und gelbe Klebestreifen umrahmten zwei telefonbuchgroße Rechtecke, in denen schwache Schleifspuren zu erkennen waren.
    »Darf man ihn jetzt anfassen?« fragte Brunetti, an Foscolo gewandt, der gerade schwarzen Puder auf die Platte von Semenzatos Schreibtisch stäubte.
    Der Mann wechselte einen kurzen Blick mit seinem Partner, der dabei war, die Lage des blauen Backsteins mit Klebeband zu markieren. Pavese nickte.
    Rizzardi ging als erster zu der Leiche. Er stellte seine Tasche auf einen Stuhl, öffnete sie und holte ein Paar dünne Gummihandschuhe heraus. Er streifte sie über, ging in die Hocke und wollte seine Hand an den Hals des Toten legen, doch als er das Blut an Semenzatos Kopf sah, überlegte er es sich anders und griff statt dessen nach dem abgestreckten Handgelenk. Es war kalt, das Blut darin stand für immer still. Automatisch schob Rizzardi seine gestärkte Manschette hoch und sah auf die Uhr.
    Nach der Todesursache mußte man nicht lange suchen: Der Kopf war seitlich an zwei Stellen tief eingedrückt, anscheinend auch noch ein drittes Mal an der Stirn, aber im Tod waren Semenzatos Haare darüber gefallen und verdeckten dies teilweise. Als er sich tiefer hinunterbückte, sah Rizzardi in einer der Vertiefungen direkt hinter dem Ohr gezackte Knochensplitter.
    Der Arzt ging auf die Knie, um einen besseren Hebel zu haben, griff unter den Körper und drehte ihn auf den Rücken. Die dritte Vertiefung war jetzt klar zu sehen, die Haut ringsum blau und aufgeplatzt. Rizzardi hob zuerst die eine tote Hand, dann die andere hoch. »Guido, sehen Sie mal«, sagte er und deutete dabei auf den rechten Handrücken des Toten. Brunetti kniete sich neben ihn und betrachtete Semenzatos Handrücken. Die Haut über den Fingerknöcheln war abgeschürft, und ein Finger war angeschwollen und zur Seite abgeknickt.
    »Er hat versucht, sich zu wehren«, sagte Rizzardi, dann maß er mit einem Blick den ganzen unter ihm liegenden Körper. »Was meinen Sie, wie groß er ist, Guido?«
    »Einsneunzig vielleicht, auf jeden Fall größer als wir.«
    »Und schwerer«, fügte Rizzardi hinzu. »Es müssen zwei gewesen sein.«
    Brunetti brummte zustimmend.
    »Ich würde sagen, die Schläge kamen von vorn, haben ihn also nicht überraschend getroffen, jedenfalls wenn das die Waffe war«, sagte Rizzardi, wobei er auf den knallblauen Backstein wies, der keinen Meter von der Leiche entfernt in seinem abgeklebten Rechteck lag. »Hat das nicht Lärm gemacht?« fragte Rizzardi.
    »Unten im Wachraum steht ein Fernseher«, erklärte Brunetti. »Als ich ankam, lief er aber nicht.«
    »Das kann ich mir denken«, sagte Rizzardi im Aufstehen. Er zog die Handschuhe aus und stopfte sie in die Manteltasche. »Mehr kann ich jetzt nicht tun. Wenn Ihre Leute ihn mir nach San Michele rüberbringen, sehe ich ihn mir morgen vormittag genauer an. Aber mir scheint die Sache ziemlich klar. Drei schwere Schläge mit der Kante dieses Backsteins auf den Kopf. Mehr war da nicht nötig.«
    Vianello, der die ganze Zeit stumm dabeigestanden hatte, fragte plötzlich: »Ist es schnell gegangen, Dottore?«
    Bevor er antwortete, betrachtete Rizzardi noch einmal den Körper des Toten. »Das kommt darauf an, wo sie ihn zuerst getroffen haben. Und wie schwer. Es ist möglich, daß er sie noch abgewehrt hat, aber nicht lange. Ich werde mal nachsehen, ob er etwas unter den Fingernägeln hat. Meine Vermutung ist, daß es schnell ging, aber das wird sich zeigen.«
    Vianello nickte, und Brunetti sagte: »Danke, Ettore. Ich lasse ihn heute nacht noch rüberbringen.«
    »Aber wie gesagt, nicht ins Krankenhaus. Nach San Michele.«
    »Natürlich«, antwortete Brunetti, der sich fragte, ob dieser Nachdruck ein neues Kapitel im langjährigen Kampf des Arztes mit dem Direktor des Ospedale Civile bedeutete.
    »Dann verabschiede ich mich jetzt, Guido. Morgen nachmittag habe ich wahrscheinlich schon etwas für Sie, aber ich glaube nicht, daß es in diesem Fall irgendwelche Überraschungen geben wird.«
    Brunetti stimmte ihm zu. Die physischen Ursachen eines gewaltsamen Todes enthüllten selten Geheimnisse; wenn es welche gab, dann lagen sie im Motiv.
    Rizzardi nickte Vianello zu und wandte sich zum Gehen. Plötzlich drehte er sich noch einmal um und warf einen Blick auf Brunettis Beine. »Haben Sie keine

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