Brunetti 05 - Acqua alta
Zusammenhang?«
»Nichts Bestimmtes, wenn ich ehrlich sein soll.« Carrara schien zu bedauern, daß er Brunetti keine konkrete Beschuldigung bieten konnte. »Vor gut einem Jahr haben wir hier auf dem Flughafen zwei Männer mit chinesischen Jadestatuen festgenommen, und die wollten seinen Namen nur gesprächsweise gehört haben. Sie waren lediglich Kuriere; sie wußten so gut wie nichts, nicht einmal wieviel das wert war, was sie bei sich hatten.«
»Und wieviel war das?« fragte Brunetti.
»Milliarden. Die Statuen stammten aus dem Nationalmuseum von Taiwan. Von dort waren sie drei Jahre zuvor verschwunden; niemand hat je erfahren, auf welche Weise.«
»Waren sie das einzige, was gestohlen wurde?«
»Nein, aber das einzige, was wieder aufgetaucht ist. Bis jetzt.«
»Und wann haben Sie den Namen noch gehört?«
»Ach, von einem kleinen Gauner, den wir hier an der Leine führen. Wir könnten ihn jederzeit wegen Drogen oder Einbruchs festsetzen, aber wir lassen ihn gewähren, und er liefert uns dafür die eine oder andere Information. Sie wissen ja, wie das geht. Er sagt, er hat mitgehört, wie einer der Männer, an die er Sachen verkauft, den Namen Semenzato am Telefon erwähnte.«
»Diebesgut?«
»Natürlich. Er hat sonst nichts zu verkaufen.«
»Hat dieser Mann mit Semenzato gesprochen oder über ihn?«
»Über ihn.«
»Und hat Ihr Informant gesagt, was er da gehört hat?«
»Der Mann am Telefon hat seinem Gesprächspartner nur geraten, sich mit Semenzato in Verbindung zu setzen. Zuerst hielten wir das für harmlos. Schließlich war der Mann Museumsdirektor. Aber dann sind uns die beiden auf dem Flughafen in die Hände gefallen, und nun wurde Semenzato tot in seinem Büro gefunden. Da fand ich es an der Zeit, Sie anzurufen und Ihnen das zu sagen.« Carrara schwieg gerade lange genug, um deutlich zu machen, daß er nichts weiter zu bieten hatte und nun wartete, was er als Gegenleistung dafür bekommen würde. »Was haben Sie denn bei sich über ihn herausbekommen, Guido?«
»Erinnern Sie sich an die Ausstellung chinesischer Kunst vor ein paar Jahren hier?«
Carrara grunzte bejahend.
»Einige der Stücke, die nach China zurückgeschickt wurden, waren Kopien.«
Carraras Pfeifen kam deutlich durch den Draht.
»Außerdem war Semenzato offenbar stiller Teilhaber in zwei Antiquitätengeschäften, einem hier, einem in Mailand«, setzte Brunetti hinzu.
»Wem gehören die Läden?«
»Francesco Murino. Kennen Sie ihn?«
Carrara antwortete langsam und gemessen. »Nur so, wie wir Semenzato kennen, inoffiziell. Aber sein Name ist uns mehr als nur einmal untergekommen.«
»Etwas Konkretes?«
»Nein, nichts. Anscheinend versteht er es ausgesprochen gut, sich bedeckt zu halten.« Es folgte eine lange Pause, dann fügte Carrara in plötzlich viel ernsterem Ton hinzu: »Oder irgendwer hält die Hand über ihn.«
»So ist das also«, sagte Brunetti. Es konnte alles bedeuten: irgendeine staatliche Stelle, die Mafia, eine fremde Regierung, sogar die Kirche.
»Ja. Jeder Hinweis, den wir bekommen, geht ins Leere. Wir hören seinen Namen, dann hören wir ihn wieder nicht mehr. Die Guardia di Finanza hat ihn in den letzten beiden Jahren dreimal überprüft, und er ist sauber.«
»Ist sein Name schon einmal im Zusammenhang mit Semenzato gefallen?«
»Nicht hier bei uns. Was haben Sie noch?«
»Ist Ihnen Dottoressa Lynch ein Begriff?«
»L'americana?« fragte Carrara.
»Ja.«
»Natürlich ist sie mir ein Begriff. Ich habe schließlich Kunstgeschichte studiert, Guido.«
»Ist sie so bekannt?«
»Ihr Buch über die Ausgrabungen in Xi'an ist ein Klassiker. Sie ist immer noch dort, oder?«
»Nein, sie ist hier.«
»In Venedig? Was macht sie da?«
Das hatte Brunetti sich auch schon gefragt. Entweder war sie sich noch nicht schlüssig, ob sie nach China zurückgehen oder ihrer Freundin zuliebe hierbleiben sollte, oder sie wartete jetzt erst mal ab, ob es sich bei dem Tod ihrer früheren Geliebten um Mord gehandelt hatte. »Sie war zunächst hergekommen, um mit Semenzato über die Exponate zu sprechen, die nach China zurückgeschickt wurden. Letzte Woche wurde sie von zwei Gorillas zusammengeschlagen. Sie haben ihr den Kiefer und ein paar Rippen gebrochen. Es hat hier in den Zeitungen gestanden.«
Wieder tönte Carraras Pfeifen durch die Leitung von Rom, aber diesmal klang es mitfühlend. »Hier war nichts davon zu lesen«, sagte er.
»Ihre japanische Assistentin, die den Rücktransport der Ausstellungsstücke hier
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