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Brunetti 05 - Acqua alta

Brunetti 05 - Acqua alta

Titel: Brunetti 05 - Acqua alta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Militärdienst entschieden, als Museumswächter einzusetzen. Der Vorschlag war nicht einmal bis in den Sitzungssaal des Senats gekommen.
    Angenommen, Semenzato hatte bei der Unterschiebung von Fälschungen die Hand im Spiel, über wen ließen sich die Originale dann besser an den Mann bringen als über einen Antiquitätenhändler? Der hätte nicht nur die Kundschaft und die Sachkenntnis, um den Wert zutreffend zu schätzen, er würde auch wissen, wie man sie unbehelligt von Polizei, Guardia di Finanza oder Kulturgüterkommission veräußerte. Es war ein Kinderspiel, Kunstschätze ins Land oder außer Landes zu bringen. Ein Blick auf die Landkarte Italiens zeigte, wie durchlässig die Grenzen waren. Tausende Kilometer verschwiegener Buchten, einsamer Meeresarme und abgelegener Strande. Und für diejenigen, die gut organisiert waren oder gute Beziehungen hatten, gab es die See- und Flughäfen, über die man ungestraft alles schleusen konnte. Nicht nur Museumswächter waren schlecht bezahlt.
    Brunettis Tagträumerei wurde durch ein Klopfen an der Tür unterbrochen. »Avanti«, rief er und machte das Fenster zu. Wieder Zeit zum Schmoren.
    Signorina Elettra kam ins Zimmer, in der einen Hand einen Notizblock, in der anderen eine Akte. »Ich habe den Namen des Capitano gefunden, Commissario. Carrara heißt er, Giulio Carrara. Er ist noch in Rom, wurde aber letztes Jahr zum maggiore befördert.«
    »Wie haben Sie das herausbekommen, Signorina?«
    »Ich habe bei seiner Dienststelle in Rom angerufen und mit seiner Sekretärin gesprochen. Ich habe ihm ausrichten lassen, daß Sie ihn heute nachmittag anrufen werden. Er war schon zu Tisch gegangen und kommt nicht vor halb vier zurück.« Brunetti wußte, was halb vier in Rom bedeuten konnte.
    Er hätte seinen Gedanken auch laut äußern können, denn Signorina Elettra fuhr fort: »Ich habe nachgefragt. Sie sagte, er kommt tatsächlich um diese Zeit zurück. Sie können ihn also dann anrufen.«
    »Vielen Dank, Signorina«, sagte er und dankte im stillen wieder einmal dem Himmel, daß dieses Juwel noch immer nicht unter Pattas Regime seinen Glanz verloren hatte. »Darf ich fragen, wie Sie das so schnell geschafft haben?«
    »Ach, ich mache mich schon seit Monaten mit der Ablage vertraut. Ich habe einiges geändert, denn in seiner bisherigen Form erscheint mir das System nicht sehr logisch. Ich hoffe, es hat niemand was dagegen.«
    »Das glaube ich kaum. Noch nie hat jemand dort etwas wiedergefunden, Sie können also kaum etwas verschlimmern. Es soll ja sowieso alles irgendwann computerisiert werden.«
    Der Blick, mit dem sie ihn bedachte, sprach von der vielen Zeit, die sie schon im Chaos dieser Ablage hatte vertun müssen; er würde so etwas nicht noch einmal sagen. Sie kam an den Schreibtisch und legte ihm die Akte hin. Heute trug sie ein schwarzes Wollkleid mit einem frechen roten Gürtel, den sie eng um eine sehr schmale Taille gezogen hatte. Sie zog ein Taschentuch aus der Tasche und wischte sich über die Stirn. »Ist es immer so heiß hier drin, Commissario?« fragte sie.
    »Nein, Signorina, nur ein paar Wochen im Februar. Normalerweise ist es bis Ende des Monats vorbei. Ihr Büro ist davon nicht betroffen.« Letztes Jahr war sie um diese Zeit auf Bali gewesen, so daß sie das Phänomen zum erstenmal erlebte.
    »Ist das vielleicht der scirocco?« Die Frage war durchaus vernünftig. Wenn dieser heiße Wind aus Afrika acqua alta bringen konnte, warum sollte er dann nicht auch die Temperatur in seinem Dienstzimmer steigen lassen können.
    »Nein, Signorina. Es ist irgend etwas mit der Heizung. Niemand ist bisher dahintergekommen. Sie werden sich daran gewöhnen, und bis Ende des Monats ist es wirklich vorbei.«
    »Hoffentlich«, sagte sie und wischte sich noch einmal über die Stirn. »Wenn ich nichts weiter für Sie tun kann, gehe ich jetzt zum Essen.«
    Brunetti warf einen Blick auf seine Uhr und sah, daß es schon fast eins war. »Nehmen Sie einen Schirm mit«, sagte er. »Es sieht aus, als könnte es wieder regnen.«
    Brunetti ging zum Essen nach Hause. Paola hielt ihr Versprechen, Raffi nichts über die Injektionsspritzen und die Befürchtungen seines Vaters zu erzählen, als er sie gefunden hatte. Allerdings nahm sie Brunetti für ihre Verschwiegenheit nicht nur das feste Versprechen ab, den Tisch beim ersten Sonnenstrahl mit ihr auf die Terrasse zu tragen, sondern auch, daß er ihr dabei helfen würde, mit den Spritzen das Gift in die vielen Löcher zu praktizieren, die

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