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Brunetti 05 - Acqua alta

Brunetti 05 - Acqua alta

Titel: Brunetti 05 - Acqua alta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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war.
    »Und können Sie mir sagen, ob irgendwelche Kleinigkeiten in dem Raum übersehen wurden, den Sie Galerie nennen?«
    Scattalon antwortete ohne Zögern. »Ich habe ihn nicht so genannt, Dottor Brunetti. Ich sagte, er könnte diesem Zweck dienen. Aber nein, dort wurde nichts übersehen.«
    »Wissen Sie, ob Ihre Arbeiter einen Grund hatten, diesen Raum zu betreten, als sie die letzten Arbeiten im Palazzo erledigt haben?«
    »Wenn dort nichts zu tun war, dann hatten meine Leute keinen Grund, den Raum zu betreten, also bin ich sicher, daß sie es auch nicht getan haben.«
    »Natürlich, Signor Scattalon, natürlich. Da haben Sie sicher recht.« Brunettis Gefühl für die Entwicklung eines Gesprächs sagte ihm, daß Scattalons Geduld noch für eine Frage reichte, aber nicht weiter. »Ist die Tür der einzige Zugang zu diesem Raum?«
    »Ja. Die Tür und der Schacht der Klimaanlage.«
    »Lassen sich die Gitter öffnen?«
    »Nein.« Signor Scattalons Ton war endgültig.
    »Vielen Dank für Ihre Hilfe, Signor Scattalon. Ich werde nicht vergessen, sie meinem Schwiegervater gegenüber zu erwähnen«, schloß Brunetti und legte auf.

19
    Ob Signor La Capra sich wohl auch als einer dieser wohlbeschirmten Männer entpuppen würde, die mit beunruhigender Regelmäßigkeit die Szene betraten? Reich, aber ohne irgendwelche Wurzeln ihres Reichtums, zumindest keine nachvollziehbaren, drangen sie von Sizilien und Kalabrien in den Norden vor, Einwanderer im eigenen Land. Lange hatten die Menschen in der Lombardei und Venetien, den reichsten Teilen des Landes, sich frei von la piovra gewähnt, diesem vielarmigen Polypen, zu dem die Mafia geworden war. Das war alles roba dal sud, Südländerkram, diese Morde, die Bombenanschläge auf Bars und Restaurants, deren Besitzer sich geweigert hatten, Schutzgeld zu zahlen, die Schießereien in Stadtzentren. Und, er mußte es zugeben, solange das alles im Süden geblieben war, die Gewalt und das Blutvergießen, hatte sich niemand groß darum gekümmert; die Regierung hatte die Achseln gezuckt und nur wieder so eine eigenwillige Sitte des meridione darin gesehen. Aber in den letzten Jahren hatte sich die Gewalt nach Norden ausgebreitet wie ein Schädlingsbefall, der nicht einzudämmen war: Florenz und Bologna, und nun auch das Herz des industrialisierten Italiens sahen sich infiziert und suchten vergeblich nach Wegen, dieser Krankheit Herr zu werden.
    Und mit der Gewalt, mit den bezahlten Killern, die als Warnung an die Eltern Zwölfjährige erschossen, waren die Männer mit den Aktenköfferchen gekommen, die freundlichen Gönner der Oper und der schönen Künste, mitsamt ihren akademisch gebildeten Kindern, ihren Weinkellern und dem glühenden Wunsch, als Mäzene, Ästheten und Herren von Lebensart gesehen zu werden, nicht als die Halunken, die sie waren, während sie sich mit Begriffen wie Verschwiegenheit und Treue spreizten.
    Er mußte sich kurz Einhalt gebieten und die Möglichkeit einräumen, daß Signor La Capra nichts anderes war, als es den Anschein hatte: ein reicher Mann, der sich einen Palazzo am Canal Grande gekauft und ihn restauriert hatte. Aber noch während dieser Überlegung mußte er an Salvatore La Capras Fingerabdrücke in Semenzatos Zimmer denken und sah wieder die Städtenamen und die übereinstimmenden Daten vor sich, zu denen La Capra und Semenzato dort gewesen waren. Zufall? Absurd.
    Scattalon hatte gesagt, La Capra bewohne den Palazzo; vielleicht war es an der Zeit, daß der Vertreter einer städtischen Dienststelle den neuen Einwohner begrüßte und ihm ein paar Worte zu den in diesen leider so kriminellen Zeiten notwendigen Sicherheitsvorkehrungen sagte.
    La Capras Palazzo war auf derselben Seite des Canal Grande wie Brunettis Wohnung, darum ging er zum Essen nach Hause, verzichtete aber auf den Kaffee, denn Signor La Capra würde doch wohl die Höflichkeit besitzen, ihm einen anzubieten.
    Der Palazzo stand am Ende der engen Calle Dolera, einer Sackgasse, die am Canal Grande endete. Im Näherkommen sah Brunetti die eindeutigen Zeichen von Neuheit. Der intonaco, die äußere Putzschicht auf den Backsteinmauern, war noch jungfräulich frisch und frei von Graffiti. Nur ganz unten waren schon die ersten Anzeichen beginnenden Verfalls zu erkennen: Das jüngste Hochwasser hatte etwa in Brunettis Kniehöhe seine Spur hinterlassen und den stumpfen Orangeton des Verputzes aufgehellt, von dem schon Stücke abgebröckelt und an den Rand der schmalen calle gefegt oder von

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