Brunetti 05 - Acqua alta
hereinregnete, bevor er sie wieder schloß und sich an seinen Schreibtisch setzte.
La Capra, Semenzato und Murino; der geheimnisvolle Mann aus dem Süden, der Museumsdirektor und der Antiquitätenhändler. Der Mann mit dem teuren Geschmack und dem Geld, ihn zu befriedigen, und die Männer mit den Kontakten, die vielleicht nötig wurden, um diesem Geschmack rückhaltlos frönen zu können. Ein ungewöhnliches Trio. Was für Objekte mochte Signor La Capra von ihnen bekommen haben, und wären sie wohl in seinem Palazzo zu finden? Waren die Renovierungsarbeiten beendet, und wenn ja, welche Veränderungen hatte man vorgenommen? Letzteres ließ sich leicht feststellen; er mußte nur ins Rathaus gehen und die Pläne einsehen. Natürlich brauchten die Pläne und die tatsächlich durchgeführten Arbeiten nicht viel Ähnlichkeit miteinander zu haben, aber um das herauszufinden, mußte er nur in Erfahrung bringen, welcher Beamte die Abschlußgenehmigung unterschrieben hatte, dann hätte er eine halbwegs zutreffende Vorstellung davon, wie groß die Übereinstimmung wahrscheinlich war.
Blieb die Frage, welche Objekte sich in dem frisch restaurierten Palazzo befanden, doch das verlangte nach einem Vorgehen anderer Art. Kein Ermittlungsrichter in Venedig würde eine Hausdurchsuchung aufgrund von Hotelquittungen veranlassen.
Er beschloß, es zuerst über offizielle Kanäle zu versuchen, und das bedeutete einen Anruf beim Grundbuchamt, wo alle Pläne, Projekte und Besitzwechsel registriert werden mußten. Es dauerte lange, bis er mit der richtigen Stelle verbunden war, weil er von einem desinteressierten Beamten zum anderen weitergereicht wurde, die sofort, noch ehe Brunetti sein Anliegen überhaupt erklären konnte, ganz genau wußten, daß eine andere Stelle zuständig war. Ein paarmal versuchte er es mit Veneziano, weil er hoffte, der einheimische Dialekt würde die Sache erleichtern, gab er seinem Gesprächspartner doch die Gewißheit, daß nicht nur ein Polizeibeamter am anderen Ende der Leitung war, sondern, was mehr bedeutete, ein gebürtiger Venezianer. Die ersten drei beantworteten jede seiner Fragen auf italienisch, waren also offenbar Nichtvenezianer, der vierte verfiel in ein völlig unverständliches Sardisch, so daß Brunetti aufgab und wieder italienisch sprach. Allerdings bekam er dadurch nicht, was er wollte, aber immerhin wurde er endlich richtig verbunden.
Hoch erfreut hörte er die Frau am anderen Ende sich im reinsten Veneziano melden, und das sogar noch mit unüberhörbarem Castello-Akzent. Egal, was Dante über den süßen Klang des Toskanischen gesagt hatte, nein, dies war die Sprache, die entzückte.
Während des langen Wartens darauf, daß die Bürokratie sich bequemte, mit ihm zu reden, hatte er jede Hoffnung begraben, eine Kopie der Baupläne zu bekommen, und fragte jetzt statt dessen nach der Baufirma, die den Palazzo restauriert hatte. Brunetti kannte den Namen und wußte, daß Scattalon zu den besten und teuersten Firmen in der Stadt gehörte. Es war sogar dieselbe Firma, die gewissermaßen den ewigen Auftrag hatte, den Palazzo seines Schwiegervaters gegen das ebenso ewige Zerstörungswerk von Zeit und Fluten zu schützen.
Arturo, der älteste der Scattalon-Söhne, war zwar im Büro, zeigte sich aber nicht gewillt, mit der Polizei über die Angelegenheiten eines Kunden zu reden. »Es tut mir leid, Commissario, aber solche Auskünfte sind vertraulich.«
»Ich möchte ja nur eine ungefähre Vorstellung davon bekommen, wieviel die Arbeiten gekostet haben, vielleicht auf zehn Millionen abgerundet«, erklärte Brunetti, der nicht recht einsah, warum solche Auskünfte vertraulich oder in irgendeiner Weise privat sein sollten.
»Es tut mir leid, aber das ist völlig unmöglich.« Am anderen Ende herrschte plötzlich Stille, und Brunetti hatte den Eindruck, daß der Mann die Hand auf der Sprechmuschel hatte und mit jemandem sprach, der bei ihm im Zimmer war. Gleich darauf war er wieder da. »Sie müßten uns eine amtliche richterliche Verfügung zeigen, bevor wir derartige Informationen herausgeben können.«
»Würde es vielleicht helfen, wenn ich meinen Schwiegervater bitte, mit Ihrem Vater darüber zu sprechen?« fragte Brunetti.
»Und wer ist Ihr Schwiegervater?« wollte Scattalon wissen.
»Conte Orazio Falier.« Brunetti ließ sich zum erstenmal in seinem Leben jede wohltönende Silbe des Namens genüßlich von der Zunge rollen.
Wieder wurden die Laute am anderen Ende gedämpft, aber Brunetti
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