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Brunetti 05 - Acqua alta

Brunetti 05 - Acqua alta

Titel: Brunetti 05 - Acqua alta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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oder?« fragte sie mit vollkommener Logik.
    »Sicher, das stimmt wohl. Und was geschah dann?«
    »Ach, mein Chef wurde sehr unangenehm. Erteilte mir eine schriftliche Rüge und beschwerte sich bei der Gewerkschaft. Und keiner hat sich schützend vor mich gestellt. Alle schienen der Ansicht, ich hätte den Brief schreiben sollen. Da blieb mir doch nichts anderes übrig, als zu kündigen. Ich fand, daß ich für solche Leute nicht länger arbeiten konnte.«
    »Natürlich nicht«, stimmte er ihr zu, senkte den Kopf über der Akte und schwor sich, dafür zu sorgen, daß Paola und Signorina Elettra sich nie kennenlernten.
    »Ist das dann alles?« fragte sie lächelnd, vielleicht in der Hoffnung, daß er jetzt verstand.
    »Ja, danke, Signorina.«
    »Ich bringe Ihnen das Fax aus New York, sobald ich es habe.«
    »Vielen Dank, Signorina.« Sie lächelte noch einmal und ging. Wie war Patta nur an sie geraten?
    Es gab keinen Zweifel: Semenzato und La Capra hatten im vergangenen Jahr mindestens fünfmal miteinander telefoniert; achtmal, falls die Gespräche, bei denen Semenzato verschiedene Hotels im Ausland zu den Zeiten angewählt hatte, als La Capra sich dort aufhielt, ebenfalls ihm gegolten hatten. Natürlich konnte man dagegenhalten - und ein guter Verteidiger würde dies bestimmt tun -, daß nichts Ungewöhnliches daran war, wenn die beiden Männer sich kannten. Beide waren an Kunst interessiert. La Capra hätte Semenzato völlig legitim in allen möglichen Fragen zu Rate ziehen können, beispielsweise zu Herkunft, Echtheit oder Preis eines Objekts. Brunetti sah die Listen durch und versuchte einen Zusammenhang zwischen den Telefonaten und den Bewegungen auf den Konten beider Männer zu finden, aber nichts kam dabei heraus.
    Das Telefon klingelte. Er nahm den Hörer ab und meldete sich.
    »Ich habe schon einmal versucht, dich zu erreichen, Guido.« Er erkannte Flavias Stimme sofort und stellte wieder überrascht fest, wie tief sie war, völlig anders als ihre Singstimme. Aber diese Überraschung war gar nichts gegen das vertrauliche Du, mit dem sie ihn anredete.
    »Ich hatte einen Besuch zu machen. Was gibt es?«
    »Brett. Sie will nicht mit nach Mailand kommen.«
    »Hat sie gesagt, warum nicht?«
    »Sie sagt, es geht ihr noch nicht gut genug, um zu verreisen, aber es ist der pure Eigensinn. Und Angst. Sie will nicht zugeben, daß sie Angst vor diesen Leuten hat, aber es ist so.«
    »Und — du?« fragte er vorsichtig und fand, daß sich das Du genau richtig anhörte. »Fährst du?«
    »Ich kann nicht anders«, meinte Flavia, verbesserte sich aber sogleich. »Doch, ich könnte anders. Ich könnte hierbleiben, wenn ich wollte, aber ich will nicht. Meine Kinder kommen aus den Ferien, und ich muß sie abholen. Außerdem muß ich am Dienstag zu einer Klavierprobe in die Scala. Ich habe einmal abgesagt, aber jetzt habe ich versprochen, am Donnerstag zu singen.«
    Er fragte sich, was das alles wohl mit ihm zu tun hatte, aber Flavia sagte es ihm schon. »Könntest du nicht mit ihr reden? Sie zur Vernunft bringen?«
    »Flavia«, begann er und war sich sehr der Tatsache bewußt, daß er sie jetzt zum erstenmal beim Vornamen genannt hatte, »wenn du sie nicht zum Mitfahren bewegen kannst, dann glaube ich nicht, daß ich sie umstimmen könnte.« Und bevor sie dagegen protestieren konnte, fügte er hinzu: »Nein, ich will mich nicht darum drücken, ich glaube nur nicht, daß es etwas bringt.«
    »Wie wäre es mit Polizeischutz?«
    »Sicher. Ich kann ihr einen Mann in die Wohnung setzen.« Er zauderte. »Oder eine Frau.«
    Ihre Reaktion war unvermittelt. Und wütend. »Daß wir es vorziehen, nicht mit Männern ins Bett zu gehen, heißt noch lange nicht, daß wir uns davor fürchten, mit einem Mann im selben Zimmer zu sein.«
    Er schwieg so lange, daß sie schließlich fragte: »Na, warum sagst du nichts?«
    »Ich warte, daß du dich für deine Albernheit entschuldigst.«
    Nun war es an Flavia zu schweigen. Endlich, und zu seiner großen Erleichterung, sagte sie mit sanfterer Stimme: »Na gut, und auch gleich für meine Voreiligkeit. Ich bin vielleicht einfach zu sehr daran gewöhnt, Leute herumzukommandieren. Und vielleicht suche ich ja auch richtig Streit, wenn es um Brett und mich geht.«
    Nachdem die Entschuldigungen erledigt waren, kehrte Flavia zum Thema zurück. »Ich weiß nicht, ob man sie dazu überreden kann, sich jemanden in die Wohnung setzen zu lassen.«
    »Flavia, ich habe keine andere Möglichkeit, sie zu schützen.«

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