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Brunetti 06 - Sanft entschlafen

Brunetti 06 - Sanft entschlafen

Titel: Brunetti 06 - Sanft entschlafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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setz dich zu mir und erzähle mir, wie es den Kindern geht«, sagte sie, indem sie wieder Platz nahm, das Buch schloß und es neben sich auf ein Tischchen legte. Dann klappte sie ihre Brille zusammen und legte sie neben das Buch. »Nein, hier, Guido«, sagte sie, als sie ihn zu einem Sessel gegenüber dem Sofa gehen sah.
    Er tat wie geheißen und setzte sich neben sie. In den vielen Jahren seiner Ehe mit Paola war Brunetti so selten mit seiner Schwiegermutter allein gewesen, daß er kaum ein klares Bild von ihr hatte. Manchmal kam sie ihm vor wie die Oberflächlichkeit in Person und kaum imstande, sich selbst etwas zu trinken einzugießen, dann wieder verblüffte sie ihn mit ihren scharfsinnigen und treffsicheren Urteilen über anderer Leute Motive oder Charaktereigenschaften. Es verunsicherte ihn, daß er nie wußte, ob sie etwas ganz gezielt oder nur zufällig sagte. Sie war es gewesen, die vor einem Jahr den faschistischen Politiker Fini in »Mussofini« umgetauft hatte, ohne erkennen zu lassen, ob sie sich nur versprochen hatte oder ihrer Verachtung Ausdruck geben wollte.
    Er berichtete der Contessa, wie es den Kindern ging, versicherte ihr, daß beide gut in der Schule waren, wegen der kühlen Nachtluft bei geschlossenen Fenstern schliefen und bei jeder Mahlzeit mindestens zweierlei Gemüse aßen. Der Contessa war das offenbar Beweis genug, daß es um ihre Enkelkinder gut bestellt war, so daß sie sich nun mit deren Eltern befassen konnte. »Und du und Paola? Du siehst jedenfalls gesund und kräftig aus, Guido«, meinte sie, worauf Brunetti sich unwillkürlich etwas gerader hinsetzte.
    »Aber jetzt sag mir doch, was du trinken möchtest«, forderte sie ihn auf.
    »Eigentlich gar nichts, vielen Dank. Ich bin hier, weil ich dich etwas über verschiedene Leute fragen möchte, die du vielleicht kennst.«
    »So?« fragte sie, wobei sie ihre jadegrünen Augen auf ihn richtete und weit öffnete. »Aus welchem Grund?«
    »Nun ja, auf die Namen sind wir im Zuge einer anderen Ermittlung gestoßen...«, begann er und ließ den Satz unvollendet.
    »Und nun bist du hier, um zu hören, ob ich etwas über sie weiß?«
    »Hm... ja.«
    »Was könnte ich denn wissen, was der Polizei eine Hilfe wäre?«
    »Nun ja, private Dinge«, sagte Brunetti.
    »Du meinst Klatsch?«
    »Hm, ja.«
    Sie wandte kurz den Blick ab und strich ein winziges Fältchen im Bezugsstoff der Sofalehne glatt. »Ich wußte gar nicht, daß die Polizei sich mit Klatsch abgibt.«
    »Klatsch dürfte unsere ergiebigste Informationsquelle sein.«
    »Ach, wirklich?« fragte sie, und als er nickte, meinte sie »Das ist ja hochinteressant.«
    Brunetti sagte nichts, und um der Contessa nicht direkt in die Augen sehen zu müssen, blickte er an ihr vorbei auf den Couchtisch und den Buchrücken, halb in der Erwartung, daß es ein Liebes- oder Kriminalroman war. »The Voyage of the Beagle«, las er laut den englischen Titel, kaum imstande, sein Erstaunen für sich zu behalten.
    Die Contessa sah ebenfalls zu dem Buch und dann wieder zu Brunetti. »Aber ja, Guido. Hast du es gelesen?«
    »Vor Jahren, auf der Universität, aber in einer Übersetzung«, brachte er jetzt in normalem Ton heraus, der kein Erstaunen mehr verriet.
    »Doch, ich habe Darwin schon immer gern gelesen«, erklärte die Contessa. »Hat dir das Buch gefallen?« fuhr sie fort, was hieß, daß Klatsch und Polizeiarbeit noch lange warten konnten.
    »Ja, damals schon. Ich weiß nur nicht, ob ich mich noch so genau erinnere, was drinstand.«
    »Dann solltest du es noch mal lesen. Es zeigt so deutlich, was in seinem Kopf vorging. Ein wichtiges Buch, wahrscheinlich eines der wichtigsten unserer Zeit. Dieses hier und Die Entstehung der Arten, denke ich.« Brunetti nickte. »Soll ich es dir leihen, wenn ich es ausgelesen habe?« fragte sie. »Mit dem Englisch wirst du doch keine Probleme haben, oder?«
    »Nein, das glaube ich nicht, aber ich habe momentan ziemlich viel zu lesen. Vielleicht später.«
    »Es wäre sicher eine schöne Urlaubslektüre. Die vielen Strande. Und alle diese herrlichen Tiere.«
    »Ja, ja«, bestätigte Brunetti, der absolut nicht mehr wußte, s was er sagen sollte.
    Die Contessa kam ihm zu Hilfe. »Und über wen möchtest du von mir nun Klatsch hören, Guido?«
    »Also, nicht direkt Klatsch, sag mir nur, ob du über die Betreffenden etwas gehört hast, was für die Polizei vielleicht interessant wäre.«
    »Und was wäre für die Polizei interessant?
    Er zögerte einen Moment, mußte dann

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