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Brunetti 06 - Sanft entschlafen

Brunetti 06 - Sanft entschlafen

Titel: Brunetti 06 - Sanft entschlafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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ist passiert?«
    »Wir wissen es nicht genau.«
    »Was heißt, Sie wissen es nicht genau?« »Vielleicht sollten Sie lieber kommen und es sich selbst ansehen, Commissario.«
    »Wo sind Sie?«
    »In der Wohnung, Commissario. Die Adresse ist...«
    Brunetti unterbrach ihn. »Ich kenne die Adresse. Wer hat Sie gerufen?«
    »Der Mann, der unter ihm wohnt. Bei ihm kam Wasser durch die Decke, da ist er hinaufgegangen, um nachzusehen, was los ist. Er hat einen Schlüssel, ist also hineingegangen und hat Signor da Pré im Bad auf dem Boden gefunden.«
    »Und?«
    »Wie es aussieht, ist er gestürzt und hat sich das Genick gebrochen, Commissario.«
    Brunetti wartete auf weitere Erklärungen, und als keine kamen, sagte er: »Rufen Sie Dr. Rizzardi.«
    »Das habe ich schon, Commissario.«
    »Gut. Ich bin in etwa zwanzig Minuten da.« Brunetti legte auf und drehte sich zu Paola um, die nicht mehr las, sondern neugierig auf die andere Hälfte des Gesprächs wartete, das sie soeben mitgehört hatte.
    »Da Pré. Er ist gestürzt und hat sich das Genick gebrochen.«
    »Der kleine Bucklige?«
    »Ja.«
    »Armer Mann, so ein elendes Pech«, war ihr spontaner Kommentar.
    Brunetti brauchte etwas länger für den seinen, der dann auch den Unterschied zwischen ihren beiden Temperamenten und ihren Berufen widerspiegelte: »Vielleicht.«
    Paola ging nicht darauf ein. Sie sah auf die Uhr. »Es ist fast elf.«
    Brunetti legte Josephus auf den heiligen Benedikt und stand auf. »Dann also bis morgen früh.«
    Paola legte ihre Hand auf die seine. »Mach dir einen Schal um, Guido. Es ist kalt draußen.«
    Er bückte sich und küßte sie aufs Haar, dann holte er seinen Mantel, vergaß auch den Schal nicht und machte sich auf den Weg.
    Als er zu da Prés Haus kam, stand ein uniformierter Polizist auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Der Beamte salutierte, als er Brunetti erkannte, und antwortete auf dessen Frage, daß Dr. Rizzardi schon da sei.
    Oben stand ein zweiter Uniformierter, Corsaro, an der offenen Wohnungstür. Er salutierte ebenfalls und gab den Weg frei. »Dr. Rizzardi ist drinnen, Commissario.«
    Brunetti trat ein und ging in den hinteren Teil der Wohnung, von wo Licht und Männerstimmen herausdrangen. Er kam in ein Zimmer, das offenbar das Schlafzimmer war, und sah an der rückwärtigen Wand ein kleines Bett stehen, fast wie ein Kinderbett. Beim Durchgehen trat er in etwas Weiches, Nasses. Er blieb wie angewurzelt stehen und rief nach Miotti.
    Augenblicklich erschien der junge Sergente an der Tür gegenüber. »Ja, Commissario?«
    »Machen Sie mal Licht.«
    Miotti gehorchte, und Brunetti blickte auf seine Füße hinunter und suchte vergebens seine irrationale Angst zu bekämpfen, daß er in einer Blutlache stehen könnte. Er atmete erleichtert auf, als er sah, daß es nur ein nasser Teppich war, vollgesogen mit dem Wasser, das durch die offene Badezimmertür herausgeflossen war. Beruhigt setzte er seinen Weg fort und blieb vor der erhellten Türöffnung stehen, durch die Geräusche menschlicher Betriebsamkeit drangen.
    Drinnen sah er Dr. Rizzardi, wie er ihn schon allzuoft gesehen hatte, nämlich über den reglosen Körper eines Toten gebeugt.
    Rizzardi erhob sich, als er die Bewegung hinter sich bemerkte. Er streckte die Hand aus, stockte, streifte den dünnen Gummihandschuh ab, streckte sie erneut aus und sagte:
    »Buona sera, Guido.« Er lächelte nicht, und selbst wenn, es hätte an dem strengen Ernst seiner Miene nichts geändert. Zu lange Beschäftigung mit dem gewaltsamen Tod in all seinen Erscheinungsformen hatte ihm fast alles Fleisch um Nase und Wangen fortgezehrt, als wäre sein Gesicht aus Marmor, und jeder Tod hätte ein winziges Stückchen davon abgemeißelt.
    Rizzardi trat zur Seite, damit Brunetti den kleinen Körper auf dem Boden sehen konnte. Im Tod noch kleiner geworden, schien da Pré zu Füßen von Riesen zu liegen. Er lag auf dem Rücken, den Kopf grotesk zur Seite verdreht, doch ohne daß dieser den Boden berührte, fast wie eine bekleidete Schildkröte, die mutwillige Jungen auf ihren Panzer umgedreht und so ihrem Schicksal überlassen hatten.
    »Wie ist das passiert?« fragte Brunetti. Er sah, daß Rizzardis Hosenbeine vom Aufschlag bis zum Knie durchnäßt waren, und auch seine eigenen Schuhe wurden schon feucht, denn sie standen in einem halben Zentimeter Wasser.
    »Wie es aussieht, wollte er sich ein Bad einlassen und ist dabei auf dem Boden ausgerutscht.« Brunetti blickte sich um. Die Badewanne war

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