Brunetti 06 - Sanft entschlafen
einen Edelmann aus der Renaissance abgeben können, einen von den reichen, korrupten. Er war groß und breit gebaut und hatte den Punkt im Leben erreicht, an dem aus Muskeln Fleisch wird, aus Fleisch dann sehr bald Fett. Das Schönste an ihm war der Mund mit den festen, wie gemeißelten Lippen, die an den Winkeln von Natur aus aufwärts gebogen waren, was auf Humor schließen ließ. Seine Nase war für den großen Kopf ein wenig zu kurz, und die Augen standen eine Spur zu eng beieinander.
Seine Kleidung flüsterte Wohlstand; die Schuhe funkelten dasselbe Wort. Seine Zähne, die so gut überkront waren, daß es aussah, als wären sie vom Alter leicht angegilbt, präsentierten sich in einem freundlichen Lächeln, als er das Zimmer fertig inspiziert hatte und seine Aufmerksamkeit nun Brunetti zuwandte.
»Sie sagen, Sie hätten Fragen zu den Leuten, die für mich arbeiten, Commissario?« Messinis Stimme klang lässig und entspannt.
»So ist es, Dottore. Ich habe Fragen zu einigen von Ihrem Pflegepersonal.«
»Und was wären das für Fragen?«
»Wie es kommt, daß sie in Italien arbeiten.«
»Ich habe es Ihnen heute vormittag schon am Telefon gesagt, Commissario...«, begann Messini, wobei er ein Päckchen Zigaretten aus der Innentasche seines Jacketts nahm. Ohne um Erlaubnis zu fragen, zündete er sich eine an, sah sich nach einem Aschenbecher um und legte, als er keinen fand, das abgebrannte Streichholz auf den Rand von Brunettis Schreibtisch. »Ich kümmere mich nicht um Personalfragen. Das ist Sache meiner Verwaltung. Dafür bezahle ich die Leute.«
»Und sicher großzügig«, sagte Brunetti mit einem Lächeln, das anzüglich sein sollte.
»Sehr«, bestätigte Messini, der die Worte wie auch den Ton wahrgenommen hatte und aus beidem Mut schöpfte. »Wo liegt denn das Problem?«
»Es scheint, daß einige Ihrer Mitarbeiter nicht die richtigen Genehmigungen haben, um legal in diesem Land arbeiten zu dürfen.«
Messini zog in gut gespieltem Schock die Augenbrauen hoch: »Das fällt mir schwer zu glauben. Ich bin ganz sicher, daß alle Anträge ausgefüllt und die entsprechenden Genehmigungen erteilt wurden.« Er sah Brunetti an, der mit einem kaum merklichen Lächeln auf seine Unterlagen blickte. »Wenn es natürlich so ist, Commissario, daß vielleicht irgend etwas übersehen wurde, daß noch andere Formulare ausgefüllt werden müssen oder...« - er hielt inne, suchte das höflichste Wort und fand es auf Anhieb -, »oder daß noch irgendwelche Anmeldegebühren zu entrichten sind, dann möchte ich Ihnen versichern, daß ich von Herzen gern alles tun werde, was nötig ist, um meine Situation zu normalisieren.«
Brunetti lächelte ob der Geläufigkeit, mit der Messini durch die Blume zu sprechen verstand. »Das ist sehr großzügig von Ihnen, Dottore.« »Sehr freundlich, wie Sie das ausdrücken, aber ich finde es nur korrekt. Ich möchte alles tun, was in meiner Macht steht, um mir das Wohlwollen der Behörden zu erhalten.«
»Wie gesagt, sehr großzügig«, wiederholte Brunetti mit einem Lächeln, das seine Käuflichkeit unterstreichen sollte.
Offenbar mit Erfolg, denn Messini sagte: »Sie brauchen mir diese Anmeldegebühren nur zu nennen.«
»Genaugenommen«, sagte Brunetti, indem er die Papiere hinlegte und zu Messini hinübersah, der jetzt mit seiner Zigarettenasche in große Not geriet, »genaugenommen ist es gar nicht das Pflegepersonal, über das ich mit Ihnen sprechen wollte. Es geht eigentlich mehr um eine Angehörige des Ordens vom Heiligen Sakrament.«
Nach Brunettis Erfahrung schafften unaufrichtige Leute es selten, unschuldig dreinzublicken, aber Messini blickte ebenso unschuldig wie verwirrt drein. »Der Orden vom Heiligen Sakrament? Sie meinen die Nonnen?«
»Es sind auch Priester darin, soviel ich weiß.«
Das schien Messini neu zu sein. »Ja, ich glaube schon«, sagte er nach einer Pause. »Aber nur die Nonnen arbeiten in den Pflegeheimen.« Seine Zigarette war fast bis auf den Filter heruntergebrannt. Brunetti sah ihn auf den Fußboden blicken, statt der Zigarette jedoch lieber die Idee fallenlassen und den Stummel vorsichtig mit der Glut nach oben neben dem Streichholz auf den Schreibtischrand stellen.
»Vor etwa einem Jahr wurde eine der Schwestern versetzt.«
»Ja?« fragte Messini, nur mäßig interessiert, aber durch den Themenwechsel offenbar etwas verwirrt.
»Sie wurde vom Pflegeheim Dolo in ein anderes hier in der Stadt versetzt, ins San Leonardo.«
»Wenn Sie es sagen,
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