Brunetti 07 - Nobiltà
sagen.«
»Und Robertos Eltern?«
»Die auch nicht.« Brunetti konnte sich auch. nicht vorstellen, dass die Eltern des entführten Jungen den Kontakt zu seiner früheren Freundin aufrechterhalten würden, zumal sie inzwischen einen anderen Mann geheiratet hatte.
Brunetti hatte eigentlich keine weiteren Fragen mehr an sie, aber er wollte sie sich warm halten für den Fall, dass ihm doch noch welche einfielen.
»Ich will Sie Ihrem Kind nicht länger entziehen, Signora«, sagte er mit einem Blick auf seine Uhr.
»Ach, das macht nichts«, antwortete sie, und Brunetti war erstaunt, wie leicht er ihr das abnahm und wie, unsympathisch sie ihm dadurch wurde.
Er stand rasch auf. »Vielen Dank, Signora. Das wäre vorerst alles.«
»Vorerst?«
»Wenn sich herausstellt, dass es Robertos Leiche ist/werden die Ermittlungen wieder aufgenommen, Signora, und ich nehme an, dann werden alle, die ursprünglich mit dem Fall zu tun hatten, noch einmal befragt.«
Sie verzog das Gesicht, um anzudeuten, wie ärgerlich und Überflüssig sie das alles fand.
Er ging zur Tür, damit sie erst gar keine Zeit hatte, sich zu beklagen. »Noch einmal vielen Dank, Signora«, sagte er.
Sie erhob sich vom Sofa und kam auf ihn zu.
Ihr Gesicht bekam wieder diese seltsame Starre, die ihm als erstes aufgefallen war, und die ganze Schönheit darin verschwand.
Sie brachte ihn hinaus, und als sie die Tür aufmachte, begann irgendwo hinten in der Wohnung das Baby zu brüllen. Ohne das zu beachten, sagte sie: »Geben Sie mir Bescheid, wenn es wirklich Roberto ist?«
»Natürlich, Signora«, antwortete Brunetti.
Er ging die Stufen hinunter. Die zuklappende Tür schnitt das Babygeschrei ab.
8
Brunetti sah auf die Uhr, als er das Haus der Salviatis verließ. Zwanzig vor eins. Er nahm wieder das traghetto, überquerte auf der anderen Seite des Kanals den Gampo San Leonardo und bog gleich darauf links ab. Ein paar leere Tische standen vor dem Restaurant im Schatten.
Drinnen war linker Hand ein Tresen, dahinter standen auf einem Regal einige große Korbflaschen mit Wein, aus denen oben lange Schläuche heraushingen. Rechts führten zwei Bogentüren in einen anderen Raum, und dort sah er an der Wand seinen Schwiegervater sitzen, Conte Orazio Falier. Er hatte ein Glas vor sich stehen, wahrscheinlich Prosecco, und las die Lokalzeitung, II Gazzettino. Brunetti war erstaunt, ihn mit diesem Blatt zu sehen, hieß das doch, dass er entweder eine höhere Meinung vom Conte hatte, als ihm bewusst war, oder eine schlechtere von der Zeitung.
»Buon dì«, sagte Brunetti beim Nähertreten. Der Conte spähte über den Rand seiner Zeitung, erhob sich dann und legte sie aufgeschlagen vor sich auf den Tisch.
»Ciao, Guido«, sagte er und gab Brunetti die Hand. »Freut mich, dass du kommen konntest.«
»Ich habe ja um das Gespräch gebeten«, antwortete Brunetti.
»Richtig«, sagte der Conte. »Wegen der Lorenzonis, nicht wahr?«
Brunetti zog den Stuhl gegenüber seinem Schwiegervater unter dem Tisch hervor und setzte sich.
Sein Blick fiel auf die Zeitung, und obwohl die Leiche noch gar nicht identifiziert war, überlegte er sofort, ob die Geschichte vielleicht schon darin stand. Der Conte deutete den Blick richtig. »Noch nicht.«
Damit nahm er die Blätter vom Tisch und faltete sie zu einem ordentlichen Rechteck. »Ganz schön heruntergekommen, wie?« meinte er dann, indem er die Zeitung zwischen ihnen in die Höhe hielt.
»Sofern man keine besondere Vorliebe für Kannibalismus, Inzest und Kindesmord hat«, antwortete Brunetti.
»Hast du sie heute schon gelesen?«
Als Brunetti verneinte, erklärte der Conte: »Da steht etwas von einer Frau in Teheran drin, die ihren Mann umgebracht und dann sein Herz klein gehackt und in einem Gericht namens ab goosht verspeist hat.« Noch bevor Brunetti darauf mit Erstaunen oder Abscheu reagieren konnte, fuhr sein Schwiegervater fort: »Und dann bringen sie in Klammern das Rezept für ab goosht: Tomaten, Zwiebeln und gehacktes Fleisch -« Er schüttelte den Kopf. »Für wen schreiben die eigentlich? Wer will so etwas wissen?«
Brunetti hatte jeden Glauben an den Geschmack der Massen, sofern er ihn je gehabt hatte, schon längst verloren und antwortete: »Die Leser von Il Gazzettino, würde ich sagen.«
Der Conte sah ihn an und nickte. »Wahrscheinlich hast du recht.« Er warf die Zeitung auf den Nachbartisch. »Was möchtest du denn über die Lorenzonis wissen?«
»Du hast heute morgen gesagt, dass der Junge nichts vom
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