Brunetti 07 - Nobiltà
Polizist mir dabei zusieht.«
Die Frau gab einen undefinierbaren Laut von sich und nahm das Kind fester in den Arm.
Das Kleine - Brunetti konnte in diesem Alter nie unterscheiden, ob es Mädchen oder Jungen waren - starrte ihn weiter an, dann wandte es sich seiner Großmutter zu und lachte blubbernd.
»Zehn Minuten können wir wohl noch warten«, sagte die ältere Frau, bevor sie sich umdrehte und aus dem Zimmer ging. Das Lachen des Babys folgte ihr wie das Kielwasser einem Schiff.
»Ihre Mutter?« fragte Brunetti, obwohl er seine Zweifel hatte.
»Schwiegermutter«, antwortete sie knapp. »Was wollen Sie noch über Roberto wissen?«
»Hatten Sie damals den Eindruck, dass Freunde von ihm die Sache inszeniert haben könnten?«
Bevor sie antwortete, strich sie sich wieder die Haare aus dem Gesicht. »Sagen Sie mir dann auch, warum Sie das wissen wollen?« fragte sie. Der Ton ihrer Frage strafte ihr vorheriges Gebaren Lügen und erinnerte Brunetti daran, wie jung sie noch war.
»Hilft Ihnen das, meine Frage zu beantworten?« erkundigte er sich.
»Ich weiß es nicht. Aber ich kenne immer noch viele von diesen Leuten und will nichts sagen, was vielleicht...« Sie ließ den Satz unvollendet und machte Brunetti damit auf ihre Antwort neugierig.
»Wir haben eine Leiche gefunden, die Roberto sein könnte«, sagte er, ohne ihr Näheres zu erklären.
»Dann kann es ja wohl kein Scherz gewesen sein«, sagte sie so fort. Brunetti lächelte und nickte, als wäre er ihrer Meinung, sagte ihr aber lieber nicht, wie oft er schon erlebt hatte, dass etwas, was als bloßer Scherz begann, in einer Gewalttat endete.
Sie betrachtete die Nagelhaut ihres linken Zeigefingers und fing an, mit der anderen Hand daran herumzuschieben. »Roberte hat immer gesagt, er glaube, dass sein Vater seinen Vetter Maurizio mehr liebte als ihn. Da hat er eben Sachen gemacht, die seinen Vater zwangen, ihm seine Aufmerksamkeit zu widmen.«
»Was zum Beispiel?«
»Na ja, sich in der Schule unbeliebt machen, die Lehrer ärgern und dergleichen Unsinn. Einmal hat er Freunde angestiftet, sein Auto kurzzuschließen und zu stehlen. Sie sollten das tun, während der Wagen vor dem Büro seines Vaters in Mestre stand und Roberto selbst drinnen war und mit ihm sprach; so konnte sein Vater nicht denken, er hätte die Schlüssel stecken lassen oder das Auto jemandem geliehen.«
»Und?«
»Sie sind damit nach Verona gefahren, haben es dort in einem Parkhaus abgestellt und sind mit dem Zug zurückgekommen. Es dauerte Monate, bis man es fand, und dann musste die Versicherung zurückgezahlt werden, und die Parkgebühren kamen auch hoch dazu.«
»Woher wissen Sie das alles, Signora?«
Sie wollte schon antworten, hielt aber inne und sagte dann: »Roberto hat es mir erzählt.«
Brunetti widerstand der Versuchung zu fragen, wann er ihr das erzählt hatte. Seine nächste Frage war ihm wichtiger.
»Waren das dieselben Freunde, die einen solchen Streich ausgeheckt haben könnten?«
»Was für einen Streich?«
»Eine vorgetäuschte Entführung.«
Sie blickte wieder auf ihre Finger.
»Das habe ich nicht gesagt. Und wenn Sie seine Leiche gefunden haben, steht das doch gar nicht mehr zur Debatte, oder? Ich meine, ob es nun ein Scherz war oder nicht.«
Brunetti ließ das vorläufig auf sich beruhen und fragte stattdessen: »Könnten Sie mir die Namen nennen?«
»Warum?«
»Ich würde mich gern mit ihnen unterhalten.«
Er dachte schon, sie würde ablehnen, aber sie gab nach und sagte: »Carlo Pianon und Marco Salvo.«
Brunetti erinnerte sich, die Namen im Ermittlungsbericht gelesen zu haben. Da es sich um Robertos beste Freunde handelte, hatte die Polizei geglaubt, sie könnten diejenigen sein, mit denen die Entführer angeblich in Kontakt treten wollten. Aber beide hatten sich zur Zeit der Entführung zu einem Sprachkurs in England aufgehalten. Brunetti dankte ihr für die Namen und fuhr dann fort: »Sie sagten vorhin, das sei einer der Gründe gewesen, warum Sie beschlossen hatten, nicht mehr mit Roberto auszugehen. Gab es noch andere Gründe?«
»O ja, ziemlich viele«, antwortete sie ausweichend. Brunetti ließ diese schwache Antwort einfach im Raum stehen, bis sie schließlich doch noch hinzufügte: »Na ja, es machte nicht mehr so viel Spass mit ihm, jedenfalls in der letzten Woche nicht. Dauernd war er müde und sagte, er fühle sich nicht wohl. Er könnte schließlich nur noch darüber reden, wie müde und schwach er war. Ich hatte keine Lust, mir die
Weitere Kostenlose Bücher