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Brunetti 07 - Nobiltà

Brunetti 07 - Nobiltà

Titel: Brunetti 07 - Nobiltà Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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betrunken entpuppte, fast von der Straße gedrängt worden. Einige Minuten später sah er denselben Wagen wieder; er war gegen einen Baum geprallt und stand in Flammen. Pucetti hatte den Fahrer aus dem Wrack geholt und sich dabei schwere Verbrennungen an den Händen zugezogen.
    »Das war außerhalb unseres Zuständigkeitsbereichs, also ist an eine Belobigung gar nicht zu denken«, fügte Patta zur Klarstellung hinzu. Er stieß die Mappe beiseite und sah zu Brunetti auf. »Das ist aber nicht der Grund, warum ich Sie sprechen wollte, Brunetti.«
    Wenn es um seine anderen Beurteilungen ging, dann wusste Brunetti schon, was jetzt kam.
    »Sie haben nicht nur vergessen, Tenente Scarpa zur Beförderung vorzuschlagen, sondern sogar seine Versetzung empfohlen«, sagte Patta mit kaum verhohlener Wut. Patta hatte den Tenente mitgebracht, als er vor einigen Jahren nach Venedig versetzt wurde; seitdem diente Scarpa ihm als Assistent - und Spitzel.
    »Stimmt.«
    »Das kann ich nicht dulden.«
    »Was können Sie nicht dulden, Vice-Questore? Dass der Tenente versetzt wird oder dass ich es empfehle?«
    »Alles, beides.«
    Brunetti schwieg, um zu sehen, wie weit Patta zur Verteidigung seiner Kreatur gehen würde.
    »Sie wissen, dass ich es ablehnen kann, diese Empfehlungen weiterzugeben«, sagte Patta »Und zwar alle.«
    »Ja, das weiß ich.«
    »Bevor ich also dem Questore meine eigenen Empfehlungen mache, schlage ich vor, dass Sie Ihre Äußerungen über den Tenente zurückziehen.« Als Brunetti weiter schwieg, fragte Patta: »Hören Sie mich, Commissario?«
    »Ja.«
    »Und?«
    »Es gibt wenig, was meine Meinung über den Tenente ändern könnte, und nichts, das mich veranlassen könnte, meine Äußerungen zurückzuziehen.«
    »Sie wissen, dass Ihre Empfehlung zu nichts führen wird, nicht wahr?« fragte Patta, während er die Mappe noch weiter von sich schob, wie um sich nicht daran zu infizieren.
    »Aber sie bleibt in seiner Akte«, sagte Brunetti, obwohl er wusste, wie leicht man etwas aus einer Akte verschwinden lassen konnte.
    »Ich weiß nicht, wozu das gut sein soll.«
    »Ich habe eine Schwäche für Geschichte und bin sehr dafür, dass bestimmte Dinge schriftlich festgehalten werden.«
    »In bezug auf Tenente Scarpa gibt es nur eines festzuhalten, nämlich, dass er ein ausgezeichneter Beamter ist, der mein volles Vertrauen verdient.«
    »Dann können Sie das ja gern festhalten, ViceQuestore, und ich bleibe bei meiner Beurteilung. Dann mag die Geschichte entscheiden, wer von uns recht hatte.«
    »Ich weiß nicht, was Sie da reden, Brunetti. Von Geschichte und bestimmten Dingen, die festgehalten gehören. Was wir brauchen, ist gegenseitiger Beistand, ist Vertrauen untereinander.«
    Brunetti schwieg wohlweislich, um Patta nicht noch zu seinem üblichen Geschwätz über die Durchsetzung von Recht und Gesetz zu ermutigen, zwei Dinge, die für ihn ein und dasselbe waren. Der Vice-Questore brauchte allerdings keine Ermutigung und widmete sich einige Minuten diesem Thema, während Brunetti überlegte, welche Fragen er Maurizio Lorenzoni stellen könnte.
    Egal, was die Autopsie ergab, er wollte sich auf jeden Fall etwas eingehender mit dieser Entführung befassen; und der Neffe, der Goldjunge der Familie, erschien ihm da am vielversprechendsten.
    Pattas erhobene Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. »Wenn ich Sie langweile, Dottor Brunetti, brauchen Sie es nur zu sagen, und Sie können gehen.«
    Brunetti stand unvermittelt auf, lächelte, sagte aber nichts und verließ Pattas Zimmer.

10
    Als Brunetti wieder in sein Dienstzimmer kam, öffnete er als erstes das Fenster und blickte eine Weile hinunter zu der Stelle, an der für gewöhnlich Bonsuans Boot lag. Erst danach ging er an seinen Schreibtisch und schlug den Autopsiebericht auf. Im Lauf der Jahre war ihm der typische Stil dieser Berichte vertraut geworden. Die Terminologie war medizinisch, es wurden Knochen, Organe und Bindegewebe beim Namen genannt.
    Die Sätze standen fast immer im Konjunktiv: »Hätten wir es mit der Leiche einer Person zu tun, die bei guter Gesundheit war.« »Wäre die Leiche nicht bewegt worden.«. »Wenn ich eine Einschätzung vornehmen sollte.«
    Jung, männlich, vermutlich Anfang Zwanzig, Anzeichen für kieferorthopädische Behandlung. Geschätzte Größe 180 Zentimeter, Gewicht wahrscheinlich höchstens sechzig Kilo. Todesursache sehr wahrscheinlich Kopfschuss; beigefügt war ein Foto von dem Loch im Schädel, nicht groß, aber darum nicht minder

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